Streit um Ackermann-Nachfolge:Die Bank, die mit sich selbst ringt

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In Frankfurt tobt ein Machtkampf der besonderen Art: Deutsche-Bank-Boss Josef Ackermann und Chefaufseher Clemens Börsig streiten um die Nachfolge Ackermanns. Sie setzen damit nicht nur die Erfolge der vergangenen Jahre aufs Spiel. Vielmehr läuft die Deutsche Bank Gefahr, sich selbst zu demontieren - und damit auch der deutschen Wirtschaft großen Schaden zuzufügen.

Martin Hesse

Ihre Manager haben sich immer unangreifbar gefühlt. "Der Nimbus der Deutschen Bank schützt uns", beschrieb Wilfried Guth, ein Neffe Ludwig Erhards und einst Vorstandssprecher der Bank, einmal die Ausnahmerolle des bedeutendsten deutschen Finanzkonzerns. Das war 2007. Als bald darauf die Finanzmärkte bebten, als Lehman Brothers, Hypo Real Estate und andere Konkurrenten in sich zusammenfielen, da lebte der Nimbus Deutsche Bank. Sie überstand die Jahrhundertkrise nicht nur, sie ging sogar gestärkt aus ihr hervor.

In Berlin, wo man Ackermann oft beschimpfte, heißt es nun, er solle weitermachen oder Börsig als Chefkontrolleur beerben, um für Stabilität zu sorgen. Nicht mehr nur die Deutsche Bank, nein Josef Ackermann wird als systemrelevant deklariert. (Foto: dpa)

Jetzt aber läuft die Deutsche Bank Gefahr, sich selbst zu demontieren und damit der deutschen Wirtschaft großen Schaden zuzufügen.

In den Frankfurter Zwillingstürmen tobt ein Machtkampf zwischen Vorstandschef Josef Ackermann und Chefkontrolleur Clemens Börsig. Sie setzen die Erfolge der Ära Ackermann aufs Spiel. Geschenkt, mag sich manch einer denken, sollen sich die Manager im Streit um Ackermanns Nachfolge doch die Köpfe einschlagen. Aber es geht nicht um irgendein Kreditinstitut, sondern um die einzige deutsche Bank von internationaler Bedeutung. Ackermann und Börsig riskieren, das letzte Ansehen zu verspielen, das die deutsche Finanzbranche in der Welt noch hat.

Noch vor zehn Jahren gab es vier deutsche Großbanken, selbst die Landesbank WestLB hatte international Gewicht. Doch dann begann ein langes Siechtum. Die privaten Geldhäuser verschliefen die Globalisierung und rieben sich im Kleinkrieg mit den Sparkassen auf. Italiens Unicredit schluckte die Hypovereinsbank, die Allianz übernahm die Dresdner Bank und reichte sie später an die Commerzbank weiter, die ihrerseits seit drei Jahren am Tropf des Staates hängt. Und die WestLB? Wird in diesen Tagen zerschlagen, anderen Landesbanken droht ein ähnliches Schicksal.

All das muss man sich vor Augen führen, um zu verstehen, was bei der Deutschen Bank auf dem Spiel steht. Die Finanzkrise hat gezeigt, wie wichtig starke Banken für ein Land sind - und wie gefährlich und teuer es für die Steuerzahler ist, wenn sie schwächeln. Auch die Deutsche Bank hatte nach dem Mord an Alfred Herrhausen 1989 an Bedeutung verloren. Ackermann verstand es, das Institut wieder an die Weltspitze heranzuführen. Er steuerte den Konzern durch die Krise, auch wenn er dabei indirekt von den Milliardenhilfen der Regierungen profitierte. Ein zweites Verdienst Ackermanns war es, die Deutsche Bank wieder zu einen. Noch unter seinem Vorgänger Breuer drohte der Konzern in Lager zu zerfallen - deutsche Traditionalisten und Londoner Investmentbanker standen sich in tiefer Abneigung gegenüber.

Jetzt aber haben Ackermann und Börsig erneut Fliehkräfte in Gang gesetzt, die die Bank zerreißen könnten. Börsigs Aufgabe als Aufsichtsrat ist es, die Nachfolge Ackermanns zu regeln. In einem ersten Anlauf vor zwei Jahren fand er keinen geeigneten Kandidaten und brachte sich selbst als Chef ins Spiel - ein verheerender Fehler. Schließlich verlängerte Ackermann, wohl auch, um Börsig zu verhindern. Kein Wunder, dass jetzt der zweite Versuch in gleicher Konstellation scheitert. Ackermann wollte den ehemaligen Bundesbankchef Axel Weber als seinen Nachfolger durchsetzen. Börsig vergraulte Weber, ohne jedoch bis heute eine plausible Alternative zu präsentieren.

Jetzt stehen beide vor Trümmern: Weber hat beim Schweizer Konkurrenten UBS unterschrieben; in London revoltieren die Investmentbanker, sie wollen den Inder Anshu Jain an die Spitze hieven. Er und andere Nachfolgekandidaten sind beschädigt, die Gefahr wächst, dass Schlüsselfiguren samt Gefolge abwandern, das Vertrauen in die Stabilität der Deutschen Bank leidet. Aber auch die deutsche Finanzwirtschaft insgesamt wird weiter diskreditiert. Warum gelingt es nicht, herausragende Köpfe wie Weber für die hiesige Bankbranche zu erhalten? Warum gilt der Schweizer Ackermann als unersetzlich für Deutschlands Bankensystem? Es mangelt an Spitzenbankern im Land, das haben schon die Managementfehler gezeigt, die deutsche Institute ins Verderben führten.

In Berlin, wo man Ackermann oft als gierig und arrogant beschimpft, heißt es nun, er solle weitermachen oder Börsig als Chefkontrolleur beerben, um für Stabilität zu sorgen. Nicht mehr nur die Deutsche Bank, nein Josef Ackermann wird als systemrelevant und damit unverzichtbar deklariert. Das ist beschämend.

Es wäre aber ein Fehler, rückte Ackermann nun an die Aufsichtsratsspitze. So würden die Führungsprobleme fortgeschrieben. Abgesehen davon, dass es gegen die Regeln guter Unternehmensführung verstößt, wenn ein Chefkontrolleur über sein Erbe und seinen Nachfolger wacht: Wie sollte sich ein neuer Chef im Schatten Ackermanns entfalten?

Börsig wäre gut beraten, rasch eine Nachfolgelösung zu präsentieren und dann selbst zurückzutreten. Denkbar wäre etwa eine Doppelspitze aus Jain und dem Deutschlandchef Jürgen Fitschen. Eine solche Lösung hat gute Tradition: Wilfried Guth führte die Deutsche Bank neun Jahre lang gemeinsam mit Friedrich Wilhelm Christians. Der Nimbus allein wird die Deutsche Bank nicht schützen. Sie muss es schon selber tun.

© SZ vom 05.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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