Süddeutsche Zeitung

Streit über Eigenkapital:IWF befürchtet 200-Milliarden-Loch bei Europas Banken

Europäische Banken haben ihre Staatsanleihen von Schuldenstaaten falsch bewertet, in Wahrheit fehlen ihnen 200 Milliarden Euro: Mit dieser düsteren Analyse heizt der Internationale Währungsfonds den Streit mit den Banken weiter an. Politiker und Banker reagieren gereizt.

Sind Europas Banken ausreichend mit Eigenkapital ausgestattet oder sind sie instabil? Diese Frage entzweit europäische Regierungen und den Internationalen Währungsfonds (IWF). Eine neue, düstere IWF-Einschätzung der Finanzinstitute heizt den Streit weiter an.

Laut einem Entwurf des IWF-Finanzstabilitätsreports klaffen in den Bankbilanzen riesige Löcher, berichtet die Financial Times Deutschland. Insgesamt sollen bis zu 200 Milliarden Euro fehlen.

Die Begründung des IWF für seine Einschätzung, die von der offiziellen EU-Linie abweicht: Die Banken bewerteten die Bestände von Anleihen europäischer Schuldenstaaten falsch. Würden sie die tatsächlichen - niedrigeren - Marktpreise zugrunde legen, läge das Eigenkapital der Banken bei bis zu zwölf Prozent weniger.

Laut dem Bericht beruhen die IWF-Ergebnisse auf den Werten von Kreditausfallversicherungen (credit default swaps) auf Staatsanleihen der überschuldeten Staaten Irland, Griechenland, Portugal, Italien, Spanien und Belgien. Der Risikoaufschlag auf diese Prämien gibt Aufschluss darüber, für wie wahrscheinlich Investoren einen Zahlungsausfall der Staaten halten - und dementsprechend weniger für die Anleihen zahlen wollen.

Das Dokument steht im Einklang mit der Forderung, die IWF-Chefin Christine Lagarde bereits am Wochenende erhoben hatte: Europas Banken bräuchten mehr Kapital. Dafür musste sie sich nun von Michael Kemmer zurechtweisen lassen, dem Geschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken: "Die Banken sind gut kapitalisiert", sagte er der Welt. Lagarde provoziere mit ihrer Forderung nur neue Unruhe in der ohnehin schwierigen Situation.

Europäische Zentralbank und Vertreter von Staaten der Euro-Zone wiesen die Analyse als parteiisch und irreführend zurück. Spaniens Finanzministerin Elena Salgado nannte sie "verfälscht".

Auch im deutschen Finanzministerium sieht man das Problem nicht, das der IWF diagnostiziert: Europas Banken bräuchten vorerst kein zusätzliches Kapital, hatte Staatssekretär Jörg Asmussen am Mittwoch gesagt: "Ich sehe keinen unmittelbaren Bedarf für eine Rekapitalisierung." Er fügte allerdings hinzu: "Man sollte aber vorbereitet sein."

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dapd/Reuters/jab/hgn
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