Süddeutsche Zeitung

Streit über Aroma in Schokolade:Stiftung Warentest verliert klar gegen Ritter Sport

Von wegen mangelhaft: Die Stiftung Warentest verliert den Streit mit Ritter Sport um ein Aroma in Schokolade auch vor dem Oberlandesgericht München. Auch die Glaubwürdigkeit der Tester steht dabei zur Disposition.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

München - Die Stiftung Warentest hat in ihrem Rechtsstreit mit der Alfred Ritter GmbH um eine einstweilige Verfügung vor dem Oberlandesgericht München (OLG) am Dienstag eine klare Niederlage erlitten. Das Verbrauchermagazin test hätte nach Meinung des Pressesenats die "Ritter Sport Voll-Nuss" nicht als "mangelhaft" einstufen dürfen. Das Gericht vermisst vor allem Beweise für die Behauptung, dass der Aromastoff "Piperonal", der in der umstrittenen Nuss-Schokolade für die Vanillenote sorgt, tatsächlich nur chemisch hergestellt werden könne.

Ritter Sport bestreitet zwar nicht, dass diese Substanz verwendet wird. Das Piperonal werde jedoch durch ein nach der Aromenverordnung zugelassenes Verfahren aus pflanzlichen Ausgangsstoffen gewonnen und sei damit natürlicher Herkunft. Die einstweilige Verfügung, die Ritter Sport gegen die Stiftung Warentest im November 2013 erwirkt hatte, wird also aufrechterhalten - gegen das OLG-Urteil gibt es kein Rechtsmittel.

Eine Verhandlung im eigentlichen Sinne gab es vor dem 18. Zivilsenat nicht: Die Vorsitzende Richterin Eva Spangler erklärte vielmehr rund eine Stunde lang juristisch höchst kompliziert die in der Sache einfachen Überlegungen des Gerichts: Es gehe hier ausschließlich um die Formulierungen in dem Testbericht - der im Hintergrund stehende eigentliche Streit, ob Piperonal großindustriell nur chemisch oder auch auf natürlichem Wege gewonnen werden könne, sei und bleibe in diesem Verfahren ungeklärt.

Die OLG-Richter meinen sinngemäß, dass die Warentester bei ihren Lesern den Eindruck erweckt hätten, die Erkenntnisse in Sachen Piperonal würden auf speziellen wissenschaftlichen Analysen beruhen. Tatsächlich gehe die Stiftung aber lediglich von der Schlussfolgerung aus, dass weltweit kein wirtschaftlich vernünftiges Verfahren zur natürlichen Gewinnung des Aromas bekannt sei und Ritter Sport deshalb Etikettenschwindel betreiben müsse.

Massiver Schaden für die Marke Ritter Sport

Wegen dieser angeblich "irreführenden Kennzeichnung" vergaben die Warentester die Note mangelhaft und bezeichneten die Schokolade sogar als "nicht verkehrsfähig". Diese vernichtende Kritik habe den schwäbischen Schokoladenhersteller so kurz vor dem Weihnachtsgeschäft massiv getroffen, hatte Unternehmenssprecher Thomas Seeger später gesagt. Die Beliebtheit der Marke sei dramatisch gefallen.

Doch auch die Glaubwürdigkeit der Stiftung Warentest steht mit diesem Prozess zur Disposition. Deshalb richtete Stiftungs-Anwalt Ulrich Franz sein emotionales Plädoyer nach der Erklärung der Vorsitzenden nicht zuletzt auch an die vielen Zuhörer. Es gehe dem Gericht also mehr um die Formulierungen, als um deren Richtigkeit, bemängelte er. Hier würden gewerbliche Interessen über die Pressefreiheit gestellt. Während bei jeder normalen Berichterstattung die Grenze der Meinungsäußerung erst bei der Schmähkritik gezogen werde, würden Warentester offenbar strenger beurteilt. Eigentlich sollte hier nicht die Stiftung auf der "Anklagebank sitzen" und sich rechtfertigen müssen, meinte der Anwalt. Vielmehr müsse der Anbieter beweisen, dass auf den Schokoladenverpackungen die Wahrheit stehe. "Dieser Fall stinkt zum Himmel", sagte Franz. Es gehe um gravierende Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit.

Thomas Seeger konterte für Ritter Sport: Es gebe mehrere Verfahren zur Herstellung dieses Aromastoffes - "eben auch geheim gehaltene". Wie auch der Prozessvertreter des Aroma-Zulieferers Symrise, verwies Seeger darauf, dass die Warentester fahrlässig Patentrecherchen unterlassen hätten. Ihnen gefalle jetzt nicht, dass die Anforderungen an ihre Sorgfaltspflicht so hoch seien - "und Sie erfüllen sie nicht".

Stiftung Warentest könnte nun noch beantragen, dass Ritter Sport innerhalb einer festzusetzenden Frist Hauptsacheklage einreichen müsse. Sollte der Schokoladenhersteller dem nicht nachkommen, könnten die Warentester beantragen, die einstweilige Verfügung doch wieder aufzuheben.

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SZ vom 10.09.2014/jab
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