Straßen in München:Sollner Straße

Kindermund tut Wahrheit kund - was Schüler über die Sollner Straße schreiben: "In meiner Straße kann mahn sehr gut Klingelstreiche machen." Oder: "Unzere Straße ist die Beste Straße!"

Von Angelika Boese

"Unsere straße", so schrieb das Kind in sein Heft,"ist ganz Preit. Unzere Straße ist die Beste Straße." Auf jeden Fall ist sie recht lang, zieht sich von Norden - fast vom Siemens, wie es hier heißt - bis nach Großhesselohe im Süden.

Straßen in München: Einsicht in die Sollner Straße.

Einsicht in die Sollner Straße.

(Foto: Foto: Peter Hudec)

Die preisende Beschreibung der Sollner Straße im gleichnamigen Stadtteil stammt aus einer Aufsatzsammlung von dortigen Schülern. Und da erfährt man eine Menge, auch "das mahn in meiner Straße sehr gut Klingelstreiche machen kann." Und: "Wir haben eine Garasche."

Das mit den Klingelstreichen durften Anwohner in der Vergangenheit erfahren, samstagnachmittags, immer wieder: Es muss sehr lustig gewesen sein für die Verursacher.

Und zum Thema Garagen: Davon gibt es hier vergleichsweise viele, über- und unterirdisch. Sie sind durchwachsen bestückt, wenngleich die teureren Fahrzeugmodelle in der Überzahl sind. Parken sie mal draußen, nehmen sie den anderen Verkehrsteilnehmern nicht selten die Sicht. Den Jeep nutzt der arrivierte Südmünchner samt Berufsgattin kaum für Geländefahrten, eher für die Fahrt zum Golfplatz oder zum Shoppen.

Neben dem Nobelschlitten parkt auch umweltbewusst das Radl: für die Herren zum Strampeln am Wochenende, für die Sollnerin zum Alltagsgebrauch. Vorbildlich packt sie das Kleinkind hinten und den Einkauf vorne drauf. Und kurvt zum Spielzeugparadies "Der Würfel", wo der Nachwuchs sich zwischen Holzeisenbahnen und Blechautos austoben darf.

Der anonyme Jungautor "fintet" seine Straße "ser tol"; selbst wenn "gegen über unserem Haus" "ein richtiger Depp" wohne, der sich "wegen jedem Ton auf der Straße aufregt". Wenigstens sind "unsere Nachbarn ganz nett die schenken mir manchmal Schokolade."

Außerdem sei es "bracktisch den in der Sollner Straße ist die S-Bahn stadion und die Busschleife ist hier." Und: "Immer wenn ich meine Straße entlang gehen passiert etwas. Ab und zu geht eine Entenfamilie spazieren." Die Enten könnten vom winzigen Weiher in Altsolln oder vom Hinterbrühler See gewatschelt kommen.

Sollner Straße

Solln wurde erst vor 66 Jahren eingemeindet. Dafür ist das Dorf aber bereits in Schriften aus dem zehnten Jahrhundert erwähnt, ist also älter als München.

Städtisch führt sich die Sollner Straße nur ein Stück weit auf: Zwischen der Wolfratshauser- und der Herterichstraße gibt es ein paar Geschäfte. Im nördlichen Teil kennt man außer der Buchhandlung, dem Friseur, dem Einrichtungs-, Wein- und Brillenladen vor allem das berühmte Kino, zu dessen Programmfilmen seit Jahrzehnten Cineasten pilgern. Wer nur schwer Treppen steigen kann, sei gewarnt: Beide Kinos befinden sich im ersten Stock, und einen Lift gibt es nicht, obwohl das Kino erst vor wenigen Jahren restauriert wurde.

Das Wirtshaus "Zum Hirschen" nebenan, direkt an der S-Bahn, steht hier seit mehr als hundert Jahren. "Den künftigen Villenbesitzern in unserer Kolonie", liest man im Stadtarchiv im Konzessionsgesuch des Bürgerlichen Brauhauses "an die verehrliche Gemeindeverwaltung Solln in Solln", könne nicht "zugemutet werden, dass sie ihre Bedürfnisse in der über der Bahn gelegenen Höllriegelschen Wirtschaft decken, weil das tief im Winter mit zu großen Umwegen verknüpft würde und insofern für die Gemeinde Solln ein Ausfall entstehen würde, als die Wilhelmshöhen-Bewohner ihren Bierbedarf durch Flaschenbier decken müssten".

Überdies verliere man womöglich den Bierpfennig, "weil die auf dem Bau beschäftigten Arbeiter ebenfalls auf Flaschenbier umsteigen müssten." Seither gibt es hier also das Bier im Glas, und auch der Prinzregent Luitpold ließ seinen Kutscher viele Male an dem von Gustav Schellenberger im Landhausstil entworfenen und dank Denkmalschutz nach wie vor unveränderten Schmuckstück an der Sollner Straße, die früher Hirschenstraße hieß, anhalten.

Nicht minder ansehnlich ist die alte ehemalige Hubertus-Apotheke schräg gegenüber, wo die siebenfache Mutter Alinde Rothenfußer in ihrer Galerie "Orplid" überwiegend zeitgenössische Künstler ausstellt; die Galerie gehört aber, wie die Garibaldi-Dependance, ein pittoresker Pavillon auf der Kreuzung zum S-Bahnhof, genau genommen schon zur Diefenbachstraße.

Trotz der ausgezeichneten Kneipen-Situation sind die Hiesigen nachlässige Gasthaus-Gäste, sie bewirten sich eher daheim. Familien, Spezln, Nachbarn treffen sich da - und nicht nur für Freunde ist die Nachbarschaftshilfe hier ungewöhnlich aktiv. Vor allem dann, wenn in schwierigen Lebenslagen schnelle und stille Unterstützung, Trost und Beistand nötig werden.

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