Straßen in München:Fürstenrieder Straße

Es gibt Menschen, die sich einfach nicht entscheiden können, was sie einmal werden sollen. Genauso ist es mit der Fürstenrieder Straße: Sie ist tagsüber dröhnender Autobahn-Zubringer, nachts eine ruhende Wohnstraße.

Ingrid Brunner

Am Anfang ihres Weges, der in Laim beginnt, ist sie eine Wohnstraße durch ein Kleine-Leute-Viertel mit Genossenschaftsbauten. Dort wirkt sie mit all den kleinen Lädchen links und rechts eher wie eine Dorfstraße. Der dörfliche Eindruck verstärkt sich bei einem Schaufensterbummel, denn im Laimer Teil gibt es winzige Geschäfte, die man in einer Großstadt nicht mehr vermuten würde.

Fahren ohne anhalten

Nach der Kreuzung Ammerseestraße will sich die Fürstenrieder einen Anstrich verblichener bürgerlicher Noblesse geben mit Villen vom Anfang des letzten Jahrhunderts. Freilich wird das Idyll zerstört von den vielen Tankstellen, Autohäusern und Spezialgeschäften, in die sich garantiert keiner verläuft, sondern deretwegen man extra dorthin fährt.

Für junge Pistengänger ist die Fürstenrieder Straße nicht wirklich eine Adresse. Außer dem "Huiras", einer Multi-Kulti-Kneipe für Alt-Alternative und dem Fürstenegger, einer Bistro-Bierhalle, gibt es wirklich keinen Grund, hier nachts entlang zu cruisen.

Planlosigkeit ist, so scheint es, das einzige Ordnungsprinzip entlang dieses Verkehrswegs: Bausünden wechseln sich ab mit anrührend hübschen alten Gemäuern, die zwischen den angestaubten Nachkriegsbauten traurig anzusehen sind.

Melancholie am Ende

Tröstlich fürs Auge, nicht aber fürs Gemüt wird es, wenn man die Waldfriedhofstraße überquert hat. Viel Grün, viel alter Baumbestand, eingefriedet von Mauern und bewacht von alten Torwärterhäuschen: Der Waldfriedhof spendet dem Auge des Passanten ebenso Ruhe wie seinen Insassen und den Anwohnern draußen.

Oft queren dunkel gekleidete Friedhofsgänger die Straße - praktischerweise haben sich gegenüber die Grabsteinmetze und die Blumenhändler einquartiert. Kurz vor dem Ende der Fürstenrieder Straße schlägt also die Ideenlosigkeit und Lieblosigkeit einer gemischt gewerblichen Stadtrandbebauung um in Melancholie. Denn die letzte Behausung vieler, teils berühmter toter Münchner, ist viel anheimelnder als die der darum herum lebenden.

Im Rausch der Geschwindigkeit

Hat man nach knapp fünf Kilometern auf der Fürstenrieder Straße die Garmischer Autobahn erreicht, fährt man vorbei am Schloss Fürstenried, einem Miniatur-Nymphenburg, von Max Effner 1715-17 erbaut für Max Emanuel. Später diente es Otto, dem Bruder Ludwigs II., als Asyl in seiner geistigen Umnachtung.

Aber davon weiß kaum einer der vorbeibrausenden Münchner etwas, die an den Wochenenden und den heißen Sommerabenden Richtung Süden fahren, in die Berge oder an den Starnberger See. Denn auch wenn die Fürstenrieder Straße nicht so recht weiß, was sie will - für viele Sonnenhungrige ist sie ein Schleichweg vorbei am Mittleren Ring in Richtung Süden - und zurück. Während auf dem Luise-Kiesselbach-Platz nichts vorwärts geht, geht es auf der Fürstenrieder meist flott voran. So kommt die Fürstenrieder Straße doch noch ganz toll raus: als Strada di Sole der Münchner.

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