Stille Bundesschildkröte:Günther zieht nicht mehr

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Bundesschildkröte Günther versteckt sich unterm Schild: 2008 war die Tagesanleihe des Bundes das Papier für die Verzagten. Jetzt ist es eines für Tapfere.

Hans von der Hagen

Es kracht allerorten: An den Finanzmärkten tobt das Chaos, die Weltwirtschaft droht zu kollabieren und die stolze Investmentbank Lehman wird zur Chiffre für Versagen. Damals, im Herbst 2008, packt die Deutschen die nackte Angst um ihr Liebstes: das Geld. Und da taucht plötzlich ein Kriechtier auf. Eine Schildkröte.

Entspannt ins Nichts: Kriechtier Günther Schild wirbt für die Papiere des Bundes. Leider gibt es dafür kaum noch Zinsen. (Foto: Foto: oH)

Sie heißt Günther Schild. Emsig wirbt der Bund mit Hilfe des Reptils für "die entspannenste Geldanlage Deutschlands", die Bundeswertpapiere und speziell für die Tagesgeldanleihe.

Sie ist das erste neue Produkt bei den Bundeswertpapieren seit knapp 30 Jahren. Darum rühmt der Salatfresser das Papier in den Werbespots "nach über hundert Jahren an der Börse" ergriffen als etwas wirklich "Neues". Dass es letztlich nur eine Form von Tagesgeld ist, ist den Deutschen völlig egal. Hauptsache, der Bund steht dafür gerade.

Schild kommt zur rechten Zeit. Liegt es am schützenden Panzer auf dem Rücken? Oder an der vertrauensbildenden Halbbrille auf der Nase? Die Deutschen sind jedenfalls tief beeindruckt von der Sicherheitsoffensive des Schleichers und kaufen das Anlageprodukt so eifrig, dass die Banken eifersüchtig werden und sich wütend beim Bund beschweren.

Lächerlicher Ertrag

Es geht ihnen zu dieser Zeit ja auch einiges Geschäft verloren: Gut 3,4 Milliarden Euro sammelt der Bund mit der Anleihe bis Jahresbeginn 2009 ein. Seither sind allerdings schon wieder 400 Millionen Euro abgezogen worden. Und es ist still um den Schlaumeier Günther geworden - und das gewiss nicht, weil er sich versehentlich zum Winterschlaf in den Kühlschrank zurückgezogen hätte. Nein, so kess wie im vergangenen Jahr kann der Bund nicht mehr mit ihm werben.

Der Grund prangt in dicken Zahlen auf der Webseite von Günther Schild: Ganze 0,19 Prozent wirft die Tagesanleihe noch ab. Das sind nicht nur rund dreieinhalb Prozentpunkte weniger als vor Jahresfrist, sondern es ist auch nur noch ein Bruchteil dessen, was Banken derzeit an Tagesgeldzinsen zahlen.

Das ist kein böser Streich, den der Bund da seinen Bürger spielt. Vielmehr erfahren die Bürger, was es heißt, wenn die Verzinsung - wie angepriesen - "marktnah" ist. Der Zins der Anleihe orientiert sich an dem Satz, den sich Banken untereinander für Ausleihungen über Nacht berechnen. Der ist 2009 stark gesunken - und das trifft nun die Anleger.

Mit dem Renditerechner auf der Internetseite von Herrn Schild lässt sich mühelos nachvollziehen, wie sich ein derart niedriger Zinssatz auswirkt: Wer zu Jahresbeginn 1000 Euro in die Tagesanleihe investiert hat, hat bis Mitte August mit seinem Geld knapp fünf Euro an Zinsen eingenommen.

Fünf Euro! Die Entspannung, die der Anleger beim Erwerb dieser Geldanlage empfunden haben mag, wird nun durch den Zwang zur Tapferkeit abgelöst, wenn der Blick auf den Kontoauszug ansteht.

Schon als der Satz bei 0,7 Prozent stand, räumte der Chef der für die Ausgabe der Papiere verantwortlichen Bundesfinanzagentur, Carl-Heinz Daube in einem Interview ein, dass dieser Satz "auf den ersten Blick nicht sehr attraktiv erscheinen mag". Aber Rendite sei eben nicht alles.

"Bei uns gibt es keine Sternchen", feierte Daube das Angebot. Um den stolzen Satz von 0,19 Prozent zu erhalten, muss der Kunde demnach keine zusätzlichen Anforderungen erfüllen. Er muss nicht jeden Tag duschen, er braucht kein Girokonto eröffnen, muss keinen Depotübertrag initieren, er muss nicht mal eine Mindestanlage aufbringen. 0,19 Prozent gibt es einfach so. Das muss gelobt werden.

Und immerhin: Keiner braucht das Papier länger behalten als gewünscht oder sich über ein vermeintliches Danaergeschenk des Bundes grämen: Es ist ja jeden Tag verkäuflich. Wen also das Verhältnis von Sicherheit zu Rendite bei dieser Anlage mittlerweile befremdet, kann sein Geld einfach woanders unterbringen.

Schild wirbt auch für die anderen Papiere des Staates: Schatzbriefe etwa, oder Bundesobligationen.

Für die Tagesanleihe aber dürfte das Tier mit dem faltigen Hals vorerst die nach mehr als hundert Jahren an der Börse aufgeflackerte Begeisterung verloren haben. Das Papier muss ihm zu schlaff geworden sein.

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