Steuerzahler in der Krise:Schockwellen im Bankensystem

Nach der Lehman-Pleite schuf die Bundesregierung einen Hilfsfonds über fast eine halbe Billion Euro. Die Bürger müssen für eine gigantische Summe geradestehen. Die neue Bankenkrise könnte sie jetzt noch teurer zu stehen kommen.

Günter Heismann

Vor drei Jahren hat die Bundesrepublik das aufwendigste Hilfsprogramm der Nachkriegszeit gestartet. Im Eilverfahren richtete die Regierung am 17.Oktober 2008 den Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (Soffin) ein. Er sollte den taumelnden Banken helfen, die Folgen der globalen Finanzkrise zu bewältigen, die nach der Lehman-Pleite ausgebrochen war. Mittlerweile wird wegen der Euro-Schuldenkrise bereits heftig über neue Hilfen für die Banken diskutiert. Höchste Zeit daher für eine Zwischenbilanz : Was dürfte die Rettung der deutschen Banken den Steuerzahler am Ende kosten?

Deutsche Banken fordern 50 Milliarden Dollar von Lehman Brothers

Die Zentrale der Investmentbank Lehman Brothers in New York im Herbst 2008. Das Unternehmen ging pleite, die Erschütterungen im Bankensystem versuchte die Bundesregierung mit dem 480-Milliarden-Euro-Fonds Soffin abzufedern.

(Foto: dpa)

Ausgestattet wurde der Soffin mit einem Volumen von 480 Milliarden Euro - . rund ein Fünftel des deutschen Sozialprodukts. Von den Soffin-Hilfen entfielen 400 Milliarden auf Garantien, die die Banken etwa für die Ausgabe neuer Anleihen nutzen konnten, um sich damit zu refinanzieren. Weitere 80 Milliarden Euro bestanden aus Kapitalhilfen; dies waren vor allem stille Einlagen, aber auch - wie bei der Commerzbank - eine Beteiligung.

Der Rahmen des Soffin wurde freilich nie ganz ausgeschöpft; die Banken nahmen nicht einmal die Hälfte der angebotenen Leistungen in Anspruch. Überdies haben die Institute inzwischen den größten Teil der Hilfen zurückgegeben; allein die Commerzbank hat stille Einlagen inklusive Zinsen von zwölf Milliarden Euro zurückgezahlt. Derzeit stehen bei der Soffin noch Bürgschaften von insgesamt 28,2 Milliarden Euro aus; bei den Kapitalhilfen sind es 19,8 Milliarden.

Bisher gab es bei den Bürgschaften keine Ausfälle. "Wir gehen davon aus, dass dies auch bei den noch ausstehenden Garantien der Fall sein wird", sagte Christopher Pleister, Chef der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA), der Süddeutschen Zeitung. Die Behörde mit Sitz in Frankfurt ist für die auslaufenden Soffin-Programme zuständig. Seit Anfang 2011 gibt es keine neuen Hilfen mehr.

Für die Bürgschaften müssen die Banken Gebühren von ein bis zwei Prozent pro Jahr zahlen. Damit erzielte die FMSA 2010 Einnahmen von rund 900 Millionen Euro. "Wir können für das Garantieprogramm des Soffin eine positive Bilanz ziehen", sagt Pleister. Die Bürgschaften haben den Steuerzahler bisher keinen Cent gekostet - der Staat hat daran verdient.

Ganz anders sieht es bei den Kapitalmaßnahmen aus. Auf die Banken-Beteiligungen musste die FMSA bereits mehrfach Wertberichtigungen in ihre Bilanz einstellen. Verrechnet mit den Einnahmen aus Gebühren und Zinsen ergab dies im Abschluss für 2010 einen Verlustvortrag von neun Milliarden Euro. Die anhaltende Finanzkrise schlägt nun weitere Beulen in die Bilanz der FMSA. "Im Abschluss für das laufende Jahr wird der Verlustvortrag insgesamt voraussichtlich deutlich höher ausfallen", befürchtet Pleister.

Der Fehlbetrag bei der FMSA ist freilich nicht der einzige Posten, der in der Bilanz für die Bankenrettung zu Buche schlägt. Bereits vor dem Start des Soffin musste der Bund die Düsseldorfer Skandalbank IKB retten. Dafür wurden knapp zehn Milliarden Euro fällig. Überdies müssen mehrere Bundesländer Milliardenbeträge aufwenden, um ihre Landesbanken vor dem Untergang zu bewahren.

Professor Christoph Kaserer von der TU München hat versucht, die Kosten der Bankenrettung für die Steuerzahler abzuschätzen. "Um die deutschen Kreditinstitute vor den Auswirkungen der globalen Finanzkrise zu schützen, müssen Bund und Länder voraussichtlich insgesamt 25 bis 50 Milliarden Euro aufwenden", prognostiziert Kaserer.

Noch gar nicht enthalten sind in dieser Schätzung die Lasten aus der Euro-Krise, die weitere Rettungsprogramme erforderlich macht. Hierzu gehört in erster Linie die Gründung der beiden staatlichen Abwicklungsanstalten, in die die West LB und die Münchener Hypo Real Estate (HRE) in großem Stil verlustbedrohte Kredite und Wertpapiere ausgelagert haben.

Allein die Bad Bank "FMS Wertmanagement" übernahm im vergangenen Jahr von der HRE ein Portfolio von 176 Milliarden Euro; die Abwicklungsanstalt der West LB hatte ein Startvolumen von 78 Milliarden Euro. Bei den Vermögenswerten der FMS handelt es sich großenteils um Anleihen der europäischen Krisenstaaten; so steht Griechenland bei der FMS mit rund zehn Milliarden Euro in der Kreide. Zwischen den Nominalwerten der Krisen-Bonds und ihrem aktuellen Marktwert klaffen riesige Lücken. Die FMS Wertmanagement hat dies im Abschluss für 2010 mit einer "stillen Last" von 24 Milliarden Euro berücksichtigt.

Schockwellen im Bankensystem

Als die Wirtschaftsprüfer die Bilanz absegneten, hatte die Euro-Krise freilich ihr volles Ausmaß noch nicht erreicht. Seither sind die Kurse vieler Krisen-Anleihen weiter gefallen. "Die stillen Lasten in der Bilanz der FMS Wertmanagement werden daher in diesem Jahr erheblich höher liegen", prophezeit FMSA-Chef Pleister. Stille Lasten sind zwar noch keine Verluste; die Bilanzgröße ist aber ein Indiz dafür, dass bei einem Verkauf der Vermögenswerte hohe Fehlbeträge anfallen können.

Wie groß das Minus bei den Abwicklungsanstalten am Ende sein wird, ist derzeit völlig unklar. Es braucht viel Zeit, um die Aktivposten in den Bilanzen möglichst schonend zu verwerten. Die Bad Bank der WestLB soll 2028 abgewickelt werden. Für die FMS Wertmanagement gibt es hingegen keine feste Frist - das Institut hält Anleihen, deren Laufzeit bis zu 30 Jahre beträgt. Kein Mensch weiß heute, welchen Wert diese Bonds 2025 oder 2035 haben.

Nach dem Auslaufen der Soffin-Programme ist die FMSA auch für den Restrukturierungsfonds zuständig, mit dem künftig Krisen im Finanzsektor bewältigt werden sollen. Wird in Zukunft eine Bank klamm, rettet die Anstalt nur jene Teile des Instituts, die für das gesamte Finanzsystem eine entscheidende Bedeutung haben - die also systemrelevant sind. Der Rest der Bank darf ruhig Bankrott gehen.

Obendrein sollen die Kreditinstitute künftig selbst für die Rettung der Banken aufkommen - über eine jährlich zu entrichtende Abgabe, die in den Restrukturierungsfonds fließt. Pleister rechnet damit, dass die Institute im Schnitt pro Jahr etwa eine Milliarde Euro zahlen werden. Tröpfeln die Mittel weiter so spärlich, wird es lange dauern, bis der Topf gefüllt ist: Der Restrukturierungsfonds soll einmal auf ein Volumen von 70 Milliarden Euro kommen. Bis dieses Ziel erreicht ist, kann die FMSA auf den so genannten Ermächtigungsrahmen zurückgreifen. Dieses Programm besteht aus Liquiditätsgarantien von 100 Milliarden Euro sowie 20 Milliarden zur Rekapitalisierung von systemrelevanten Banken-Teilen.

Angesichts der immer neuen Schockwellen, die das Bankensystem erschüttern, befürchten viele Experten bereits eine neue globale Finanzkrise. Dann müsste der Restrukturierungsfonds wohl schon bald aktiv werden und den Ermächtigungsrahmen anzapfen. Hierfür aber steht, wieder einmal, der Steuerzahler gerade.

Summa summarum dürften die Kosten der Bankenrettung erheblich höher ausfallen, als noch vor einem Jahr zu erwarten war. Allein die Hilfen, die die Kreditinstitute nach der Lehman-Pleite benötigten, könnten am Ende bis zu 50 Milliarden Euro betragen. Annähernd ebenso kostspielig dürften die Bad Banks werden, die unter Bergen von europäischen Krisen-Anleihen ächzen. Dazu kommen womöglich Lasten aus dem Restrukturierungsfonds.

Die Rettung der deutschen Banken könnte am Ende leicht 100 Milliarden Euro verschlingen. Dies wäre zwar viel weniger als der ursprüngliche Rettungsschirm der Soffin von fast einer halben Billion Euro; die Kosten der Rettung für den Steuerzahler würden aber noch immer ein Drittel des Bundeshaushalts 2011 betragen.

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