Steuervorteil für Hotels:"Absoluter Murks"

Verbraucher und Finanzämter können die von der Regierung gewährten Vergünstigungen für Hotels kaum durchschauen - und die Wirte werden zum Tricksen verleitet. Es hagelt Kritik.

C. Hulverscheidt und N. Richter

Die Mehrwertsteuersenkung für Hotels wird den Finanzämtern viel Arbeit bescheren und bei Gästen für große Verwirrung sorgen. Das ergibt sich aus dem Entwurf eines Anwendungserlasses des Finanzministeriums, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt und der viele Probleme ungelöst lässt. Dazu zählt etwa die Frage, ab wann ein Besuch im Hotelpool als Wellnessangebot gilt und somit höher besteuert wird. Zudem räumt die Regierung ein, dass die Hoteliers mit der Steuer tricksen könnten.

Steuervorteil für Hotels: Der Swimming-Pool des Ritz-Carlton in Berlin. Für die Mehrwertsteuer ist wichtig: Ab wann gilt ein Besuch im Hotelpool als Wellnessangebot.

Der Swimming-Pool des Ritz-Carlton in Berlin. Für die Mehrwertsteuer ist wichtig: Ab wann gilt ein Besuch im Hotelpool als Wellnessangebot.

(Foto: Foto: ddp)

Ursache des Problems ist, dass die Koalition den Mehrwertsteuersatz für Hotels von 19 auf sieben Prozent gesenkt hat, der ermäßigte Satz aber nur für die eigentliche Übernachtung und nicht etwa für das Frühstück gilt.

FDP-Vizechef Andreas Pinkwart hatte wegen der Abgrenzungsprobleme bereits verlangt, das Gesetz wieder zurückzunehmen. Das Finanzministerium sagte zumindest eine unbürokratische Umsetzung der Reform zu, was sich aber offenbar als unmöglich erwies. Das zumindest zeigt der Entwurf des Anwendungserlasses, der jetzt an die Länder verschickt wurde.

Demnach gehören zur steuerbegünstigten "Beherbungsleistung" der Strom im Zimmer, Bettwäsche, Handtücher, Reinigung, Schuhputz- und Nähzeug sowie der Weckdienst. Der volle Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent hingegen wird auf alle anderen Leistungen erhoben: Tagungsräume, Parkplätze, Essen, Telefon, Bezahlfernsehen sowie "Leistungen, die das körperliche, geistige und seelische Wohlbefinden steigern (Wellnessangebote)".

Experten hatten angeregt, eine Pauschale für alle Leistungen festzulegen, die nicht als Übernachtung gelten. Das hätte etwa bedeutet: 80 Prozent des Zimmerpreises gelten dem Bett und werden niedrig besteuert, der Rest voll. Laut Ministerium würden solche Prozentwerte jedoch einen "erheblichen Anreiz" bieten, dass der Wirt die einzelnen Bestandteile der Rechnung so lange hin und her schiebt, bis die niedrigste Steuerbelastung dabei herauskommt. Stattdessen sollen die Finanzämter für jedes Hotel einzeln festlegen, in welchem Verhältnis Freizeitangebote und Zimmer zueinander stehen. "Da kann man gleich tausend neue Finanzbeamte einstellen", sagt ein Finanzexperte der Koalition, der nicht namentlich genannt werden wollte.

Der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Dieter Ondracek, sprach von einem "absoluten Murks". "Die Steuerbeamten sollen die Fehler der Politik ausbaden", sagte er der SZ. SPD-Vizefraktionschef Joachim Poß betonte, die Koalition scheitere an der Praxis: "Das Chaos wird auf die Spitze getrieben." Seine Grünen-Kollegin Christine Scheel sagte, Union und FDP seien offenbar "endgültig durchgeknallt".

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