Steuerskandal:"Wo es viele Gelegenheiten gibt, gibt es viele Diebe"

Der Chef der Steuergewerkschaft, Dieter Ondracek, kritisiert, dass Steuerhinterziehung in Deutschland viel zu leicht möglich ist.

Daniela Kuhr

Die für das kommende Jahr geplante Abgeltungsteuer auf Kapitaleinkünfte ist nach Auffassung der Deutschen Steuergewerkschaft verfassungswidrig. "Ich bin sicher, dass das Bundesverfassungsgericht sie irgendwann rügen wird", sagte der Gewerkschaftsvorsitzende Dieter Ondracek am Dienstag in Berlin. Mit dem Pauschalsatz in Höhe von 25 Prozent, der demnächst bei Zinsen, Dividenden und Kursgewinnen anfällt, werde "die Einkunftsart Kapitalvermögen im Vergleich zu den anderen sechs Einkommensarten privilegiert". Für diese Sonderbehandlung gebe es keine Rechtfertigung. Vielmehr gehe davon "das Signal aus, dass der Staat Kapitaleinkünfte schonender besteuern will als andere Einkünfte", sagte Ondracek.

Steuerskandal: Dieter Ondracek ist der Chef der Steuergewerkschaft.

Dieter Ondracek ist der Chef der Steuergewerkschaft.

(Foto: Foto: dpa)

Vor dem Hintergrund der spektakulären Steuerbetrugsfälle in Liechtenstein fordert die Steuergewerkschaft 10000 zusätzliche Stellen in der Finanzverwaltung. "Wir haben dort viel zu wenig Personal", sagte Ondracek. Unter den Vermögenden habe sich herumgesprochen, dass das Entdeckungsrisiko bei Steuerhinterziehung gering sei. "Nach dem Sprichwort 'Gelegenheit macht Diebe', gibt es eben dort viele Diebe, wo es viele Gelegenheiten gibt."

Arbeitnehmer haben Pech

Die Dummen seien letztlich die Arbeitnehmer. "Selbst wenn sie sich illegale Vorteile verschaffen wollten, haben sie nur sehr begrenzte Möglichkeiten, steuerunehrlich zu sein", sagte Ondracek. Schwarzarbeit und ein paar kleinere Schummeleien in der Steuererklärung seien die einzigen Schlupflöcher, denn von dem Verdienst behalte der Arbeitgeber schließlich immer automatisch die Lohnsteuer ein. Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit beispielsweise müssten vollständig erklärt werden, damit das Finanzamt die richtige Steuer überhaupt berechnen könne. "Kontrollmechanismen gibt es diesem Bereich nur wenige", sagte der Steuerfachmann. Derzeit würden im Bundesdurchschnitt etwa drei Prozent der Betriebe jährlich geprüft. "Im Gesamtdurchschnitt ist alle 33 Jahre mit einem Betriebsprüfer zu rechnen. Eine solche Quote lädt zu Unehrlichkeit ein."

Ondraceks Hauptvorwurf gilt den Länderfinanzministern. "Sie statten ihre Steuerverwaltungen mit viel zu geringen Mitteln aus." So sei das Personal von 2001 bis 2006 um neun Prozent zurückgegangen, obwohl die Zahl der Steuerfälle im gleichen Zeitraum um drei Prozent gestiegen sei. Es sei nicht mehr ausreichend Zeit zur Verfügung, eine Steuererklärung auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, kritisierte er. Das Grundgesetz gebiete aber, dass jeder nach seiner Leistungsfähigkeit besteuert werde. Der Staat stehe daher "seinen ehrlichen Bürgern gegenüber in der Pflicht, alles zu tun, die Unehrlichen an die Kasse zu holen". Andernfalls wäre das gesamte Steuerrecht verfassungswidrig.

Falsches Signal der Amnestie

Die Politik habe selbst dazu beigetragen, dass Steuerhinterziehung als bloßes Kavaliersdelikt gewertet werde, sagte Ondracek und verwies auf die Sonderamnestie, die der Gesetzgeber verabschiedet hatte: Von Januar 2004 bis März 2005 konnten Steuersünder geheimgehaltenes Schwarzgeld dem Finanzamt offenbaren und wurden dafür mit Straffreiheit und einem äußerst attraktiven Steuersatz belohnt. Das sei ein falsches Signal gewesen, meinte der Gewerkschafter. Auch das Institut der Selbstanzeige, bei dem der Sünder zwar seine Steuern komplett nachzahlen muss, aber straffrei ausgeht, sollte seiner Ansicht nach überdacht werden.

Die Selbstanzeige suggeriere, dass die Straftat vom Staat nicht als ganz so schwerwiegend angesehen werde. "Jemand, der ein Auto stiehlt, 14 Tage damit herumfährt und es dann wieder zurückstellt, geht schließlich auch nicht straffrei aus", sagte Ondracek.

Um Steuerflucht ins Ausland zu erschweren, solle die Bundesregierung darauf dringen, dass alle europäischen Staaten sich gegenseitig über die Kapitalerträge von ausländischen Kontoinhabern informieren, regte er an. Zudem solle die Besteuerung nicht mehr bloß nach dem Wohnsitz erfolgen. Stattdessen solle die Staatsbürgerschaft entscheidend sein. Wenn beispielsweise ein deutscher Spitzensportler seinen Wohnsitz in die Schweiz verlege, müsse er dann dennoch in Deutschland Steuern zahlen. Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, sollten ihm die im Ausland gezahlten Steuern angerechnet werden.

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