Süddeutsche Zeitung

Steuersenkungen:Regierungsfähigkeit sieht anders aus

Krater in den öffentlichen Kassen: Wer verspricht, die Steuern zu senken, schätzt die Lage völlig falsch ein, oder ignoriert die Wirklichkeit.

Guido Bohsem

Zur Pflichtlektüre dieser Wahlkampftage sollte der Bericht zum Finanzplan des Bundes bis 2013 gehören. Auf knapp 80 Seiten listen die Experten der Regierung nüchtern und detailliert auf, welche Krater die weltweite Wirtschaftskrise in den nächsten vier Jahren in die Kassen der öffentlichen Hand und insbesondere in die des Bundes reißen wird.

Der Bericht ist eine Art Realitäts-Check für die Zeit vor dem 27. September. Er hilft dabei, die allseits verkündeten Steuersenkungspläne als das einzuschätzen, was sie sind - Wolkenschiebereien.

Eine kleine Auswahl: Lag der Anteil der Kredite, mit denen der Bundeshaushalt finanziert wird, 2008 noch bei vier Prozent, so steigt er 2010 auf 26,3 Prozent an. Der Schuldenberg des Bundes wächst in den nächsten vier Jahren um 136 Milliarden, auf dann über eine Billion Euro.

Unkenntnis der Wirklichkeit

Deshalb muss der Bund von 2013 an jedes Jahr über 52 Milliarden Euro an Zinsen zahlen (bislang sind es knapp 40 Milliarden Euro). In jedem Jahr bis zum Ende der Finanzplanung wird der Bund den bisherigen Schuldenrekord von Theo Waigel reißen und deutlich mehr als 45 Milliarden Euro an neuen Schulden aufnehmen.

Dabei sind 2,4 Milliarden Euro an bereits beschlossenen Ausgaben noch nicht gedeckt. Offen ist auch, wie 2013 die rund 18,5 Milliarden Euro eingespart werden sollen, um die vor kurzem beschlossene Schuldenbremse einzuhalten.

Wer angesichts dieser Zahlen deutliche Steuersenkungen oder gar die Abschaffung des Solidaritätszuschlages verspricht, schätzt entweder die Lage der öffentlichen Kassen völlig falsch ein oder ignoriert die Wirklichkeit. Beides wäre keine gute Voraussetzung, das Land die nächsten vier Jahre zu regieren.

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Quelle:
SZ vom 17.08.2009/pak
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