Steuerschätzung: Milliardenplus:Segen und Fluch für Schwarz-Gelb

Die Nachrichten können noch so gut sein - Schwarz-Gelb streitet immer: Da sagen die Steuerschätzer Mehreinnahmen von circa 60 Milliarden Euro voraus - und schon zoffen sich CDU und FDP darüber, was mit dem Geld geschehen soll.

Plötzlich sprudeln die Milliarden nur so: Bund, Länder und Kommunen können sich bis Ende 2012 auf 61 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen einstellen als noch im Frühjahr befürchtet. Das teilte das Bundesfinanzministerium nach Beratungen der Steuerschätzer mit. Das üppige Plus ist Folge des kräftigen Wirtschaftsaufschwungs.

Steuerschätzer geben Einnahmeprognose bekannt

Die Steuerschätzer sind inzwischen wesentlich optimistischer als bei ihrer letzten Prognose im Früjahr. Damals hatten sie noch mit massiven Ausfällen gerechnet.

(Foto: dpa)

Die neue Prognose ist eine der stärksten Einnahmeverbesserungen in der 55-jährigen Geschichte des Schätzerkreises. Für dieses Jahr rechnen die Steuerschätzer mit einem Einnahmeplus im Vergleich zur Mai-Prognose von 15,2 Milliarden Euro. Für 2011 wird mit Mehreinnahmen von 22,4 Milliarden Euro gerechnet und für 2012 mit 23,4 Milliarden Euro gegenüber der letzten Schätzung im Mai. Auch Ländern und Kommunen sagen die Experten zusätzliche Einnahmen voraus.

Für die Kommunen soll sich das Gesamtplus bis Ende 2012 auf rund 14,2 Milliarden Euro belaufen. Hinzu kommen kleinere Zahlungen an die EU oder aus Brüssel.

Der Arbeitskreis Steuerschätzung erstellt jeweils im Mai eine Prognose für die Steuereinnahmen im laufenden und in den vier folgenden Jahren. Im November werden die Ergebnisse noch einmal für das laufende und das folgende Jahr sowie diesmal erstmals auch für das übernächste Jahr aktualisiert.

Neues Rekord-Steueraufkommen

Die Bundesregierung hatte vor der Steuerschätzung ihre Wachstumsprognose für dieses Jahr von 1,4 auf 3,4 Prozent angehoben. Für 2011 rechnet sie bei der Wirtschaftsleistung mit einem Plus von 1,8 Prozent nach zuvor 1,6 Prozent. Die Wachstumsprognose ist Grundlage für die Steuerschätzer. Unberücksichtigt sind Steuerpläne, die noch nicht endgültig Gesetzeskraft erlangt haben.

Noch im Mai hatten die Schätzer Milliardenausfälle vorhergesagt. Doch jetzt kommt alles ganz anders. Denn für das Jahr 2012 zeichnet sich nun ein Rekord-Steueraufkommen von 563,2 Milliarden Euro ab. Der bisherige Spitzenwert fiel auf das Vorkrisenjahr 2008 mit 561,2 Milliarden Euro.

Die Geldflut könnte der Regierung aber nicht nur Freude bereiten, sondern ganz im Gegenteil neuen Ärger. Schon vor den Beratungen der Steuerschätzer hatten die bereits erwarteten Mehreinnahmen in der schwarz-gelben Koalition die Debatte über Steuersenkungen neu entfacht.

So fordern einige Koalitionspolitiker rasche Steuerentlastungen neben einer Sanierung der Etats. Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel hatte hingegen mehrfach klargestellt, dass es dafür keinen Spielraum gebe. Die Konsolidierung des Haushalts habe Vorrang.

Brüderle: "Steuersenkungen in absehbarer Zeit"

Diese Einschätzung weichte Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) allerdings unverzüglich auf. Angesichts der günstigen Steuereinnahmeentwicklung rechne er fest mit Steuersenkungen in absehbarer Zeit. Die Koalition habe zwar gemeinsam die Priorität gesetzt, den Haushalt zu konsolidieren. "Aber wir wollen auch den Freiraum schaffen, dass wir steuerlich die Mitte entlasten", ergänzte der Minister. Er gehe fest davon aus, "dass wir noch in dieser Legislaturperiode entsprechende Schritte gemeinsam in der Koalition einleiten".

Merkel betonte hingegen, dass die erfreuliche Konjunkturentwicklung dem Staat nicht mehr Geld zum Ausgeben beschere, sondern die Neuverschuldung nur geringer ausfalle. Trotz der Steuermehreinnahmen seien die öffentlichen Haushalte nach wie vor in einer sehr schwierigen Lage. "Wir werden dieses Jahr im Bundeshaushalt immer noch um die 50 Milliarden Euro Schulden machen", mahnte Merkel. Dies seien Schuldenstände, die es über Jahrzehnte nicht gegeben habe. Allenfalls geringe Senkungen im Zuge einer Steuervereinfachung seien denkbar. Im Frühjahr hatte die Regierung allerdings noch mit Schulden in Höhe von 80 Milliarden Euro gerechnet.

Der Spielraum wird auch durch die neue Schuldenbremse begrenzt. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) muss das "strukturelle Defizit" des Bundes in gleichmäßigen Schritten bis 2016 auf etwa 10 Milliarden Euro senken. Das ist die um Konjunktur- und Einmaleffekte bereinigte Lücke zwischen dauerhaften Einnahmen und Ausgaben. Die jetzigen Mehreinnahmen sind im Gegensatz dazu der Konjunktur zu verdanken.

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