Süddeutsche Zeitung

Steuerpolitik:Wer 2017 von der Steuerreform profitiert

Steuersenkungen und mehr Kindergeld entlasten zwar Familien, unter dem Strich zahlen aber viele drauf - vor allem in Ostdeutschland.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Wenn es um Steuern geht, schalten viele Menschen ab - zu kompliziert, finden sie. Doch hinter den Steuernachrichten verbergen sich wichtige Botschaften: Wer wird im kommenden Jahr, in dem es einige sozial- und steuerpolitische Änderungen geben wird, mehr Geld zur Verfügung haben, und wer nicht?

Im laufenden Jahr nimmt der deutsche Fiskus etwa 696 Milliarden Euro an Steuern ein, das ist erneut ein sattes Plus im Vergleich zum Vorjahr. Und im kommenden Jahr werden die Einnahmen weiter steigen. So weit die frohen Botschaften der Bundesregierung. Wie Berechnungen des Berliner Steuer-Professors Frank Hechtner für die Süddeutsche Zeitung zeigen, übersetzen sie sich nicht zwangsläufig in gute Nachrichten für jeden einzelnen Bundesbürger. Im Gegenteil: In den privaten Geldbörsen wird es 2017 nicht immer besser aussehen als 2016.

Höhere Sozialbeiträge gleichen steuerliche Entlastungen wieder aus

Zwar will Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) 2017 auf zwei Milliarden Euro zugunsten der Steuerzahler verzichten. Doch bezogen auf den einzelnen Arbeitnehmer bleibt am Ende oft weniger übrig als gedacht. Hinzu kommt, dass Arbeitnehmer, deren Gehalt oberhalb der neuen Beitragsbemessungsgrenze liegt, sogar weniger Geld zur Verfügung haben werden - insbesondere, wenn sie keine oder erwachsene Kinder haben und in Ostdeutschland leben. "Ein nicht unwesentlicher Teil der steuerlichen Entlastungen wird durch höhere Sozialbeiträge aufgezehrt", sagt Hechtner, der an der Freien Universität Berlin lehrt.

Die Steuerentlastung im nächsten Jahr reicht also nicht aus, um alle Steuerzahler davon profitieren zu lassen. Die Entlastungen werden gemindert durch den Anstieg der Beiträge zur Pflegeversicherung. Für die Bezieher höherer Einkommen kommt noch ein weiterer negativer Effekt hinzu. Für sie wird nicht nur die Pflegeversicherung teurer, sondern es steigen auch die Beiträge zur Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung. Der Grund dafür sind die steigenden Beitragsbemessungsgrenzen. Das sind die Obergrenzen, bis zu denen Arbeitnehmer Beiträge an die Sozialversicherungen zahlen müssen. Verdienste, die darüber hinaus gehen, bleiben von den Abgaben befreit.

Wer viel verdient und keine Kinder hat, kann künftig weniger ausgeben

Im kommenden Jahr trifft die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenzen vor allem gut verdienende Arbeitnehmer in Ostdeutschland. Sie müssen von 2017 an bis zu einem Bruttogehalt von 5700 Euro Abgaben zur Renten- und Arbeitslosenversicherung bezahlen, bisher lag diese Grenze 300 Euro niedriger. Auch die Obergrenze für Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung steigt an, wenn auch nur um 112 Euro auf 4350 Euro.

Steuerprofessor Hechtner hat errechnet, dass praktisch alle in den neuen Ländern Beschäftigten, die kinderlos sind und deren Gehalt die neuen Obergrenzen tangiert oder übersteigt, 2017 weniger Geld ausgeben können. Paare, die zusammen veranlagt werden und in denen einer der Partner ungefähr 5750 Euro Brutto verdient, der andere lediglich 250 Euro monatlich beisteuert, müssen 2017 etwa 238 Euro jährlich draufzahlen.

Ostdeutsche Paare mit Kindern trifft die gestiegene Beitragsbemessungsgrenze weniger hart, allerdings zeigt die untenstehende Tabelle, dass praktisch alle Arbeitnehmer, deren Gehalt oberhalb 5700 Euro liegt, mit Einbußen rechnen müssen.

Im Westen Deutschlands werden dagegen so gut wie alle Arbeitnehmer mit Kindern im kommenden Jahr mehr Geld zur Verfügung haben. Das liegt im Vergleich zu Familien im Osten daran, dass die Beitragsbemessungsgrenze zur Renten- und Arbeitslosenversicherung lediglich um 150 Euro auf dann 6350 Euro steigt. Finanzielle Einbußen wird es für Singles ohne Kinder geben, die einzeln veranlagt werden und die mehr als 6500 Euro Brutto monatlich verdienen.

Freuen dürfen sich alle Arbeitnehmer in Ost und West, deren Gehalt unter der Obergrenze für die Sozialbeiträge liegt - und das ist die große Mehrheit der Bürger. Sie werden im kommenden Jahr mehr Geld zur Verfügung haben als 2016. Damit erfüllt die Bundesregierung zumindest das Ziel, die Bezieher geringer und mittlerer Einkommen zu entlasten.

Eine Familie in Nürnberg beispielsweise, bei der einer der Partner 5500 Euro brutto verdient, der andere halbtags 2500 Euro, hat 166 Euro mehr zur Verfügung.

Alleinstehende werden 2017 kaum profitieren

Grundlage der Berechnungen sind die für 2017 beschlossenen steuer- und sozialpolitischen Änderungen. Danach steigt der Grundfreibetrag jedes Steuerpflichtigen für 2017 auf 8820 Euro. Der Kinderfreibetrag wird pro Elternteil um 54 Euro auf insgesamt 2358 Euro steigen. Hinzu kommt das neue Kindergeld, das künftig für das erste und zweite Kind bei 192 Euro liegen wird, für das dritte Kind gibt es 198 Euro, für das vierte und jedes weitere Kind 223 Euro. Außerdem wird auch im kommenden Jahr wieder die sogenannte kalte Progression korrigiert, also das Zusammenspiel von steigendem Einkommenstarif und höherer Inflation. Die Korrektur verhindert, dass Lohnsteigerungen über höhere Steuertarife aufgezehrt werden.

Hechtner hat alle diese Veränderungen einkalkuliert und auch berücksichtigt, dass höhere Abgaben für die sozialen Sicherungssysteme auch in der Steuererklärung auf die Steuer angerechnet werden können. Soziale Zusatzleistungen im unteren Einkommensbereich oder auch Minijobs sind dagegen nicht in die Berechnungen eingeflossen.

Weil ein großer Teil der Entlastung durch das höhere Kindergeld und den höheren Kinderfreibetrag zustande kommt, profitieren Alleinstehende und kinderlose Paare 2017 kaum von den steuerlichen Veränderungen. Zwar werden auch bei kinderlosen Arbeitnehmern höhere Einkommen tendenziell stärker entlastet als niedrigere Einkommen, diese Vorteile werden allerdings im kommenden Jahr überdurchschnittlich oft durch steigende Sozialabgaben wieder neutralisiert.

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SZ vom 28.12.2016/vit
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