Steuerparadies Liechtenstein:Verdrängte Milliarden

Drei Jahre nach Zumwinkel: Deutschland macht seinen Frieden mit der Steueroase Liechtenstein.

Uwe Ritzer

Nach den Kriterien diplomatischer Höflichkeit ist das Schreiben tadellos. Man beehre sich, die Anfrage zu beantworten, heißt es am Anfang des Briefes. Am Ende versichert der Verfasser, ein Beamter der Liechtensteiner Regierung, dem Bundesamt für Justiz in Bonn seine "ausgezeichnete Hochachtung". Die Botschaft des Briefes ist jedoch knapp und unmissverständlich: Nein, das Fürstentum werde der Staatsanwaltschaft Saarbrücken im Ermittlungsverfahren 33 Js 748/10 keine Rechtshilfe gewähren. Bernd S. kann sich freuen.

60 Jahre Bundesrepublik - Klaus Zumwinkel

Im Februar 2008 begann die Steueraffäre um Klaus Zumwinkel (li.).

(Foto: dpa)

Der ranghohe Mitarbeiter der Sparkasse Saarbrücken wird der Steuerhinterziehung oder zumindest der Beihilfe dazu beschuldigt. Er war viele Jahre lang der Vermögensverwalter eines demenzkranken 96-jährigen Mannes, der eine Stiftung in Liechtenstein unterhält, in der er mutmaßlich Geld vor dem deutschen Fiskus versteckte

Die Ermittler hegen den Verdacht, dass Bernd S. ohne Wissen des alten, kranken Mannes Geld nach Liechtenstein transferiert und in dessen Stiftung gebunkert hat. Womöglich habe er auch zu Unrecht über Stiftungsgelder verfügt. Und die Verwirrtheit und Vergesslichkeit des alten Mannes ausgenutzt, um die Rechtsform der Stiftung so zu verändern, dass er auf das Vermögen hätte zugreifen können. Die Kollegen in Liechtenstein sollten das in ihrem Land ermitteln, baten die Saarbrücker Staatsanwälte.

Doch das Fürstentum zeigte ihnen Anfang dieses Jahres die kalte Schulter. Begründung: Die Informationen, auf deren Basis gegen Bernd S. ermittelt wird, stammten "aus illegal beschafften Daten". Nämlich von jener CD mit den Kontoverbindungen deutscher Steuersünder, die ein Mitarbeiter der Liechtensteiner Bank LGT heimlich kopiert und an deutsche Behörden verkauft hatte. Der Name von Bernd S. stand zwar nicht auf besagter CD, wohl aber der des alten Mannes. Wäre das nicht der Fall gewesen, würde auch nicht gegen Bernd S. ermittelt, argumentiert man in Vaduz.

Solche Fälle könnten sich in Zukunft wiederholen. Zwar strampelt Vaduz kräftig, um das seit der Zumwinkel-Affäre schwer angeschlagene Image des Fürstentums als Steueroase zu korrigieren. Reihum schließt Liechtenstein mit anderen Ländern Rechtshilfeabkommen bei Steuerverfahren. Allerdings nur auf der Basis eines OECD-Mindeststandards.

Mit Berlin ist ein solches Abkommen seit vergangenen Oktober in Kraft und es gilt rückwirkend ab 1. Januar 2010. Der Fall Bernd S. fällt allein zeitlich noch nicht darunter. Aber selbst wenn er es täte, würde Liechtenstein keine Rechtshilfe gewähren. Denn Rechtshilfe bei Ermittlungen auf Basis geklauter Bankdaten wird es auch künftig nicht geben.

"Ordre public" nennen Juristen den Vorbehalt, dass Landesrecht im Zweifel über allem steht. Rechtshilfe werde man nur leisten, "wenn die öffentliche Ordnung oder andere wesentliche Interessen des Landes Liechtenstein" nicht derart verletzt würden wie durch den Datenklau bei der LGT, heißt es in der Ablehnung der Rechtshilfe im Fall Bernd S.

In Berlin hat man sich damit abgefunden. Längst ist die Zeit vorbei, als der damalige Finanzminister Steinbrück (SPD) kurz nach dem Auffliegen des Ex-Post-Chefs Zumwinkel immer neue Instrumente aus dem finanzpolitischen Folterkasten hervorkramte und drohend in Richtung Vaduz hochhielt. Das unsägliche Stiftungswesen müsse zur Strecke gebracht werden, hieß es damals. Nun scheint es, als mache Deutschland seinen Frieden mit der alpinen Steueroase.

Dem Rechtshilfeabkommen auf Minimalbasis folgt diesen Sommer noch ein Doppelbesteuerungsabkommen. Damit wird eine alte Forderung der Liechtensteiner erfüllt. "Es sind nur noch ein paar kleine Formulierungen zu klären, aber ansonsten ist die Sache durch", sagt eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums.

In Vaduz frohlockt die Regierung, das Abkommen sei ein "Zeichen für die guten und entspannten Beziehungen" zwischen beiden Ländern. Regierungsnahen Kreisen in Liechtenstein zufolge arbeiten Experten beider Länder hinter den Kulissen an einer Altfallregelung. Von ihr sollen jene Anleger profitieren, deren Schwarzgeld noch unentdeckt vom deutschen Fiskus in Liechtenstein versteckt ist. Diese bilaterale Friedensmission ist allerdings heikel; kommt am Ende eine Amnestie für deutsche Steuerbetrüger heraus, könnte das hierzulande zu politischen Verwerfungen und unangenehmen Debatten über Steuergerechtigkeit führen.

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