Süddeutsche Zeitung

Steuerkonzepte:Die Steuerpläne der Union - durchgerechnet

  • Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat angekündigt, schon 2017 die ersten Steuererleichterungen in Kraft treten zu lassen.
  • Auch die Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU (MIT) drängt auf Entlastungen.
  • Die von Schäuble und MIT geplanten Entlastungen fallen sehr unterschiedlich aus. Der Finanzminister will im Wesentlichen nur umsetzen, was er umsetzen muss.

Von Guido Bohsem, Berlin

Ein Jahr vor der Bundestagswahl hat die Union klar gemacht, was für sie eines der zentralen Themen sein wird - die Steuerpolitik. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat angekündigt, schon 2017 die ersten Erleichterungen in Kraft treten zu lassen. Auch die Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU (MIT) drängt. Sie will, dass die Steuerzahler zwischen 2017 und 2020 um gut 40 Milliarden Euro entlastet werden - ein höheres Kindergeld eingeschlossen.

Steuerprofessor Frank Hechtner von der Freien Universität Berlin hat für die SZ ausgerechnet, wie hoch die Entlastungen für die Einzelnen sein würden. Während es sich bei Schäuble um Beträge von bis zu 300 Euro im Jahr handelt, sind die Entlastungen durch das MIT-Konzept mitunter um ein Vielfaches höher. Für absolute Spitzenverdiener sind bis zu 5486 Euro im Jahr drin. Wer als Alleinstehender einen monatlichen Bruttolohn von 6500 Euro erhält, würde von der MIT jährlich um insgesamt 2121 Euro entlastet. Bei Schäuble würden gerade mal 89 Euro rausspringen.

Für Familien sind die Entlastungen in beiden Konzepten höher, weil sie auch einen Anstieg der Kinderfreibeträge und des Kindergeldes enthalten. Zum Beispiel für ein Paar mit zwei Kindern, bei denen beide zusammen ein Einkommen von 6500 Euro brutto (5500 Euro/1000 Euro) erzielen. Hier beträgt die Entlastung beim Schäuble-Tarif 169 Euro. Würde man den MIT-Tarif umsetzen, hätte dieselbe Familie am Ende des Jahres 3171 Euro mehr zur Verfügung als vor der Steuersenkung.

Schäuble will nur umsetzen, was er umsetzen muss

Dass die Entlastungen in den beiden Modellen so unterschiedlich ausfallen, ist kein Wunder. Schäuble will im Wesentlichen nur umsetzen, was er umsetzen muss. So ist er zum Beispiel verpflichtet, das steuerliche Existenzminimum bei Erwachsenen und Kindern regelmäßig zu überprüfen. Das ist der Betrag, den das Finanzamt nicht besteuern darf, weil damit die absoluten Grundbedürfnisse des Lebens bestritten werden.

Die Bundesregierung muss alle zwei Jahre dazu einen Bericht vorlegen. Im neuesten kamen die Beamten zur Ansicht, dass das Existenzminimum 2017 um 170 Euro auf 8822 Euro im Jahr steigen muss. Die Kinderfreibeträge steigen entsprechend um 55 Euro. Die Wirkung der kalten Progression hat Hechtner berücksichtigt und einen Anstieg des Kindergeldes um zwei Euro unterstellt. Als kalte Progression bezeichnet man das Zusammenspiel von Inflation und dem Verlauf der Einkommensteuerkurve. Weil der sinkende Geldwert in der Steuer nicht berücksichtigt wird, kann es im extremsten Fall bei einer Gehaltserhöhung vorkommen, dass man real weniger in der Tasche hat als vorher.

Auch das Steuerkonzept der MIT enthält diese Komponenten, geht aber weit darüber hinaus. Die Organisation will, dass erst ab 60 000 Euro der Steuersatz von 42 Prozent gilt und nicht schon wie derzeit ab 53 665 Euro. Auch soll der Tarifverlauf im unteren Einkommensvergleich weniger steil ansteigen. Beim Anstieg des Kindergeldes geht Hechtner von 36 Euro für das erste und zweite Kind aus. Laut MIT soll das Konzept in drei Schritten umgesetzt werden. Die von Hechtner berechneten Werte würden sich nach dem dritten Schritt im Jahr 2020 ergeben.

Vielverdiener werden am meisten entlastet

Wie bei allen Steuersenkungen, die ohne Gegenfinanzierung - etwa durch einen höheren Spitzensteuersatz - auskommen, werden diejenigen am meisten in Euro und Cent entlastet, die auch am meisten verdienen und daher die höchsten Steuern zahlen. Im Schäuble-Tarif ist für den kinderlosen Single ab einem Bruttoeinkommen von 5500 Euro die maximale Entlastung von 89 Euro erreicht. Für die vierköpfige Familie liegt dieser Spitzenwert bei 274 Euro, erreicht wird er ab einem Bruttoeinkommen von etwa 12 000 Euro im Monat.

Beim Tarif der Mittelstandsvereinigung sieht es ähnlich aus. Für den Single beginnt die höchste Jahresentlastung von 2121 Euro bei einem Monatseinkommen von etwa 6000 Euro. Unter den vierköpfigen Familien liegt die höchste jährliche Entlastung bei 5486 Euro, und sie setzt bei einem monatlichen Bruttoeinkommen von etwa 13 000 Euro ein. Verdient die Familie 3000 Euro im Monat (2000 Euro/1000 Euro), hat sie durch das MIT-Konzept jährlich 1482 Euro mehr zur Verfügung. Bei einem Familieneinkommen von 8000 Euro (5000 Euro/3000 Euro) sind es 3399 Euro.

Die höhere reale Entlastung der Spitzenverdiener kann man für ungerecht halten. Doch damit täte man den MIT-Steuerplänen unrecht. Denn wenn man die Höhe der Entlastungen ins Verhältnis zur bisherigen Steuerbelastung setzt, sind nicht die Spitzenverdiener die größten Profiteure. Nach dieser Rechnung werden diejenigen am höchsten entlastet, die ein zu versteuerndes Einkommen von gut 22 000 Euro im Jahr haben (Singles). Ihre Steuerlast sinkt um etwa 13,6 Prozent. Wer mehr verdient, wird relativ deutlich weniger entlastet. So sinkt die Steuerlast bei einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 100 000 Euro um etwa fünf Prozent.

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SZ vom 12.09.2016/fie
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