Dolce & Gabbana: Steuerhinterziehung:Mailänder Mätzchen

Hässliche Flecken auf der Weste der Luxusschneider: Die Modemacher Dolce & Gabbana sollen Steuern in Milliardenhöhe hinterzogen haben. In Italien stört das allerdings niemanden - kein Wunder bei einem Staatschef Berlusconi.

Ulrike Sauer

Vor wenigen Monaten plünderten Domenico Dolce und Stefano Gabbana in Italien die Aussteuer-Truhen. Das Designerduo bestückte ihre ganz in Weiß gehaltene Damenkollektion für den kommenden Sommer komplett aus traditionellen Brautausstattungen. Aus einem Berg von Spitzendeckchen, Leinenlaken, bestickter Seide, Batist, Chiffon und Brokatstoffen schneiderte das berühmteste Paar der internationalen Modebranche raffinierte Kleider, Blusen, Röcke und Jacken.

Dolce & Gabbana Steuerhinterziehung Mailand

Die Kollektionen der Modeschöpfer Domenico Dolce (links) und Stefano Gabbana werden meist bejubelt. Ein schwerer Fall der Steuerhinterziehung bringt die beiden jetzt vor Gericht.

(Foto: AFP)

"Ein Gedicht", bejubelte die Mailänder Zeitung Il Giornale den jungfräulich weißen Laufstegauftritt von D&G. Und die italienischen Einkäufer auf der Mailänder Modewoche zeichneten Dolce und Gabbana für die beste Kollektion der Schauen aus. Die Boutiquebesitzer schwärmten vom "Urinstinkt für die Freiheit, Leichtigkeit und Reinheit".

Nun tauchen hässliche Flecken auf der Weste der glamourösen Luxusschneider auf. Die Mailänder Staatsanwältin Laura Pedio beantragte die Eröffnung eines Strafverfahrens gegen beide. Am Ende dreijähriger Steuerermittlungen steht ein schwerer Vorwurf.

Anklage: schwerer Betrug

Dolce und Gabbana werden nicht nur falsche Angaben in ihren Steuererklärungen angelastet. Die Anklage lautet zudem auf schweren Betrug am Staat. Die Ermittlerin wirft den Modemachern vor, zwischen 2004 und 2006 fast eine Milliarde Euro Einkünfte vor dem italienischen Fiskus versteckt zu haben. Das ist die höchste Summe, die von der Mailänder Staatsanwaltschaft jemals in einem einzelnen Steuerprozess vorgebracht wurde.

Dolce und Gabbana stehen im Verdacht, 2004 in Luxemburg eine rein fiktive Kontrollholding ihres Modeunternehmens gegründet zu haben. Gado hieß die Firma, ein Akronym aus Gabbana und Dolce. Gado wurden weit unter Wert die Marken des Mailänder Luxuskonzerns D&G übertragen. Die Millioneneinnahmen aus den Markenrechten wurden so in Luxemburg versteuert. Pro Kopf seien Einkünfte von 416 Millionen Euro unterschlagen worden. Hinzu kämen 200 Millionen Euro, die auf das Konto der Aktiengesellschaft gingen. 2005 etwa deklarierten die beiden Designer dem Finanzamt 29,7 Millionen Euro Einkünfte. Sie lagen damit an vierter Stelle der Mailänder Großverdiener.

Den Betrugsvorwurf handelten sich die Dioskuren der mediterranen Sinnlichkeit dadurch ein, dass die operative Geschäftsführung nach Erkenntnissen der Steuerfahnder in Wirklichkeit in Italien geblieben ist. Schon am 5. September 2007 stellte die Finanzpolizei den Modemachern einen ersten Prüfungsbescheid zu. Es wurden Berge von Unterlagen beschlagnahmt, darunter auch viele E-Mails. Die Ermittler entnahmen daraus, dass das erfolgreiche Luxuslabel aus der Via Goldoni 10, dem Mailänder Sitz von D&G, gemanagt wird. Gado ist für sie Dolce und Gabbana.

Ein italienisches Problem

Nach drei Jahren legte das Paar, das sich privat seit langem getrennt hat, den Rückwärtsgang ein. Ende 2007 holte es die Luxemburger Holding zurück nach Italien, "um das Image des Unternehmens zu schützen", wie es im Bilanzbericht hieß. Seine Anwälte haben die Vorwürfe immer zurückgewiesen.

Die Staatsanwältin hatte Dolce und Gabbana zum Abschluss ihrer Ermittlungen Mitte Oktober aufgefordert, Elemente zu ihrer Entlastung vorzubringen oder sich befragen zu lassen. Aber bei ihr klopfte niemand an. Ein Richter entscheidet nun, ob ein Prozess eröffnet wird. Auf Betrug steht eine Höchststrafe von fünf Jahren Haft.

In Italien hängt man den Fall verblüffend niedrig. Das mag auch daran liegen, dass man sich in den Pressehäusern gut an einen Verriss des Mailänder Restaurants "Gold" von D&G im Wirtschaftsblatt Il Sole 24 Ore erinnert. Die angedrohte Streichung der Anzeigen konnte die Zeitung durch eine zweite, wohlwollende Gourmetkritik vereiteln.

Außerdem befindet sich das Designer-Duo in namhafter Gesellschaft. Sogar Italiens Lieblingsdiva Sofia Loren saß einige Tage wegen Steuerhinterziehung in Haft. Der Fall Maradona ist den Italienern noch bekannt, weil dem Fußballer einst ein Diamantohrring und zwei goldene Rolex-Uhren beschlagnahmt wurden, um einen Teil seiner Steuerschuld zu tilgen. Ein fiktiver Wohnsitz in London brachte Motorrad-Weltmeister Valentino Rossi in die Bredouille. Auch dem Sänger Andrea Bocelli und den Modeschöpfern Roberto Cavalli und Valentino rückten die Steuerfahnder auf den Pelz.

Der italienische Finanzjournalist Luca Testoni dokumentierte in einem Buch über die "Kaste der italienischen Modebranche", dass die großen Label teilweise nicht nur ihre Produktion in Schwellenländer auslagern, sondern auch die Gewinne in Steuerparadiesen anfallen lassen. Für noble Marken, die sich ihrer italienischen Herkunft rühmen, ist das nicht unproblematisch.

Der Gründer des Luxusbrillen-Imperiums Luxottica, Leonardo Del Vecchio, einigte sich vor einem Jahr in einem Vergleich auf die Überweisung von 300 Millionen Euro ans italienische Finanzamt. Der Rekordzahlung waren Ermittlungen gegen seine Leofin Holding GmbH in Deutschland vorausgegangen, über die zwischen 1999 und 2006 die Gewinne der operativen Töchter aus Italien gelaufen sind.

Berlusconi erteilt Steuersündern Absolution

Italien wäre ein anderes Land, würde es der gigantischen Steuerhinterziehung einen Riegel vorschieben. 200 Milliarden Euro werden jährlich vor dem Fiskus versteckt. Dem Staat entgehen so Jahr für Jahr Einnahmen in Höhe von 100 Milliarden Euro. Doch mit einer effizienten Bekämpfung des Betrugs tut man sich schwer.

Als Dolce und Gabbana sich zum Umzug nach Luxemburg entschlossen hatten, machte Ministerpräsident Silvio Berlusconi öffentlich Werbung für Steuertricks. Bei einem Auftritt vor der italienischen Finanzpolizei sagte er am 11. November 2004: "Wenn der Staat dir mehr als ein Drittel deines Einkommens abnimmt, ist das ein Übergriff. Dann versucht man sich dem zu entziehen und tut es im Einklang mit dem eigenen Moralgefühl", erteilte Italiens Regierungschef seine Generalabsolution für Steuersünder.

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