Steuerhinterziehung in Deutschland:Überraschend viele Schwarzgeld-Selbstanzeigen

Credit Suisse, Zürich

Schweizer Banken wie Credit Suisse versprachen deutschen Behörden, beim Kampf gegen Steuerhinterziehung zu helfen. Doch damit ist es offenbar nicht weit her.

(Foto: Bloomberg)

Schweizer Banken erklären, sie hätten ihren deutschen Kunden alle Brücken in die Steuerehrlichkeit gebaut. Deutsche Steuerfahnder sehen eine andere Wirklichkeit.

Von Hans Leyendecker, Düsseldorf

Die Schweiz schien aufzuhören, die Schweiz zu sein. Eidgenössische Banker verschickten Warnbriefe an deutsche Kunden, die offenbar ihre Zinsen zu Hause noch immer nicht dem Fiskus gemeldet hatten. Man drohte den Hinterziehern sogar mit dem Schließen ihrer Konten.

Diese Weißgeldstrategie fand viel Anerkennung, aber war sie wirklich total und, vor allem, war sie wahrhaftig? In NRW, das seit 2010 acht Steuer-CDs gekauft und die Ermittlungen bundesweit vorangetrieben hat, läuft derzeit ein einzigartiges Experiment. Das Weißgeld, so das erste Fazit, schaut reichlich grau aus.

Es waren die kleinen Silberlinge, auf die große Datenmengen passen, die die internationale Bankenwelt ein Stück verändert haben. Viele der knapp 120 000 Steuerhinterzieher, die durch Selbstanzeigen Schlimmeres verhindern wollten, hatten Sorge, ihr Name stehe auf einem der Datenträger.

Im Visier sind wieder Bankmitarbeiter

In Düsseldorf - und das meint in diesem Zusammenhang immer auch das Finanzamt für Steuerstrafsachen in Wuppertal - werden alle 22 128 Selbstanzeigen ausgewertet, die in den letzten viereinhalb Jahren mit Bezug zur Schweiz in NRW eingegangen sind. Im Visier sind wieder Bankmitarbeiter, die Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet haben könnten. Die strafrechtlichen Ermittlungen führt in all diesen Fällen die Kölner Staatsanwaltschaft. Die Behörde der Domstadt ist derzeit in vielen wichtigen Wirtschaftsstrafverfahren aktiv - das war früher anders.

Rund 300 Geldhäuser hat die Schweiz, und bislang stehen exakt 29 verdächtige Banken auf einer langen Liste, die sich noch erweitern kann. Darunter sind viele kleinere Banken, die in der deutschsprachigen Schweiz liegen. Geldhäuser in Lugano beispielsweise haben kaum deutsche Kunden. Der erste Fall, dem Selbstanzeigen zugrunde liegen, ist der Fall der Basler Kantonalbank. Sie zahlte 38,6 Millionen Euro Bußgeld an NRW als eine Art Vergleichszahlung. Interessanterweise sind auch wieder Banken in Verdacht, deren Mitarbeiter schon vor Jahren wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung aufgefallen waren.

Mehr als 550 Millionen Euro Geldbußen haben drei Schweizer Banken - Julius Bär, Credit Suisse (CS) und UBS - aufgrund von Auswertungen der Steuer-CDs an das Land Nordrhein-Westfalen gezahlt. Aber, derzeit zumindest, sieht es so aus, als wäre es nach der Buße mit dem Sudeln nicht vorbei gewesen. Die CS etwa hatte 2011 rund 149 Millionen Euro an NRW gezahlt. Eine Million Euro als Buße für einen Verstoß gegen das Ordnungswidrigkeitengesetz. (Das war damals noch die Höchststrafe, inzwischen liegt sie bei zehn Millionen.) Der Großteil waren 148 Millionen Euro als eine Art Abschöpfung geschätzter Gewinne mit undeklarierten Geldern deutscher Kunden. Im Gegenzug wurden Strafverfahren gegen CS-Bankmitarbeiter eingestellt.

War der Druck nicht groß genug?

CS zahlte das viele Geld für die Zeit von 2004 bis 2010 - wie kommt es dann, dass in Selbstanzeigen mehr als fünfhundert CS-Kunden Steuerhinterziehungen für die Jahre 2012, 2013 und 2014 einräumten? War der Druck auf sie nicht groß genug, oder gab es gar keinen Druck durch die Bank ?

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Selbstanzeigen in Deutschland auch nach der Verschärfung der Regeln für den Ablasshandel Ende 2014 deutlich über den Zahlen von 2012 und 2013 liegen. Nur im vergangenen Jahr gab es noch mehr Selbstanzeigen.

Zahlen sind Zahlen. Alles andere ist Ansichtssache. Schweizer Banken erklären, sie hätten ihren deutschen Kunden doch alle Brücken in die Steuerehrlichkeit gebaut, sie hätten zu Selbstanzeigen animiert, den Kunden Rechtsanwälte empfohlen und ihnen sogar gedroht, wenn sie nicht steuerehrlich würden. Und nun werde daraus Material für neue Vorwürfe gebastelt.

Ein Insider sagt: "Wie früher"

Steuerfahnder sehen eine andere Wirklichkeit. Nach ihrer Überzeugung haben die meisten der Schweizer Banken nie ernsthaft den Weg ins Weißgeld gesucht. Alles, was von eidgenössischen Geldinstituten verkündet worden sei, habe vor allem dem Zweck gedient, die deutschen Ermittler zu beruhigen. Ein Fahnder sieht die Lage in der Schweiz so: "Wenn ein Kunde nur ein paar Hunderttausend Euro angelegt hat, kann ihm das Konto gekündigt werden. Wenn aber jemand zweistellige Millionensummen auf seinem Konto hat, wird ihm geholfen." Das viele Geld werde verschoben, versteckt. "Wie früher."

"Egal, wie weiß die Westen der Schweizer Banken in der Zukunft sein werden: Tatsache ist, dass viele von ihnen in der Vergangenheit mit weniger weißen Geschäften zu Lasten der Allgemeinheit viel Geld verdient haben", sagt der Düsseldorfer Finanzminister Norbert Walter-Borjahns (SPD), der für ultra-konservative Kräfte in der Schweiz der Staatsfeind schlechthin ist. "Was ist anstößig daran", fragt der Sozialdemokrat, einen Teil der Schwarzgelder "zurückzuholen".

Die neuartige Ausforschung führt zu altbekannten Reaktionen. "Deutschland erpresst Banken ", behauptete der Zürcher Finanzdienst Inside Paradeplatz: Die deutschen Ermittler griffen angeblich " im Steuer-Krieg zur Pistole. Geld oder Leben eurer Banker lautet das Angebot." Die Schweizer Bankiervereinigung ist besorgt und hat mehrmals den Berner Bundesrat um Hilfe gebeten. Die Schweizer Politik solle in Berlin gegen das Vorgehen der Ermittler intervenieren. Aber Bern winkte ab. Das sei legal, was die Deutschen machten.

Die Amerikaner drohen den Schweizer Banken damit, ihre US-Filialen zu schließen

Verglichen mit den Amerikanern, die ein Unternehmensstrafrecht kennen und haben, sind die neuartigen Ermittlungen der NRW-Steuerfahnder, zu denen auch Gruppenanfragen gehören, eher Nadelstiche. Die US-Behörden konnten einen anderen Druck auf Schweizer Banken ausüben als die deutschen Ermittler. Die Amerikaner drohten den Schweizer Banken, die Filialen in den USA zu schließen und sie mit riesigen Klagen zu überziehen, wenn sie weiterhin US-Bürgern bei der Steuerflucht behilflich seien. Die Schweiz kuschte.

Natürlich wurden auch in den USA große Geldbußen gegen Schweizer Banken verhängt. Aber diese Bußen konnten kleiner werden, wenn die US-Kunden durch Druck der eidgenössischen Geldverwalter zu Selbstanzeigen bei der US-Steuerbehörde IRS bewegt wurden. Die Deutschen Fahnder sehen das anders.

Die Ausforschung mithilfe von Selbstanzeigen ist eigentlich eine geniale Idee. Auch, weil sich der Einsatz von Steuer-CDs ein Stück verbraucht hat . Es zeigte sich bei der Auswertung immer häufiger, dass auch viele Altfälle auf den angebotenen Datenträgern zu finden waren. Entweder hatten die Hinterzieher schon Selbstanzeige erstattet, oder sie waren in anderen Zusammenhängen aufgeflogen.

Das neue System ist ermittlungstechnisch relativ einfach: Die Haupttäter, die Hinterzieher, haben per Selbstanzeige den Steuerbetrug gestanden. Man muss ihre Anzeigen aufarbeiten und möglicherweise nur noch nachfragen, wer in der Bank mitgemacht oder die Hinterziehung sogar angeregt hat. Trickreich gebaute Geldverstecke in Trusts, Lebensversicherungen oder Stiftungen sind besonders auffällig. Bemerkenswert ist, dass etliche deutsche Finanzverwaltungen, die bei den Steuer-CDs Bedenken hatten, aber mitkassiert haben, ihre Selbstanzeigen nicht für eine Auswertung zur Verfügung stellen wollen. Sie berufen sich aufs Steuergeheimnis.

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