Süddeutsche Zeitung

Steuerhinterziehung:Die fünf großen Irrtümer bei der Selbstanzeige

Uli Hoeneß hat beim Finanzamt seine Schweizer Konten offengelegt - und muss doch ins Gefängnis. Was kann bei Selbstanzeigen schieflaufen?

Von Hans von der Hagen

Zunächst sei da vor allem Angst, sagt Klaus Höchstetter. Der Mann hat sich auf das spezialisiert, was aktuell in Deutschland ganz besonders Konjunktur hat: Steuerrecht in Kombination mit Strafrecht. Und vor allem natürlich: Selbstanzeigen. 20 bis 30 Fälle dieser Art betreut seine Kanzlei derzeit jeden Monat. Gekaufte Daten-CDs und der Fall Hoeneß wirken.

Die Angst herrsche vor allem bei den Mandanten mit dem alten Geld, wie das Höchstetter nennt. Bei jenen also, deren Vermögen schon lange in der Schweiz liegen und die nicht auf diese "tollen Steuer-Sparkonstruktionen" gesetzt haben. Gerade diese Leute sprächen oft zum ersten Mal in ihrem Leben über das verborgene Geld. Schon das falle vielen schwer. Noch mehr verstöre sie allerdings, was mit Hoeneß nach der Selbstanzeige geschah. Da käme dann die Frage auf, wie das denn sein könne? Der Hoeneß habe doch Profis beschäftigt. Und dann das.

Viele seiner Mandanten trauten sich nicht einmal, ihrem Steuerberater zu erzählen, dass sie da etwas in der Schweiz versteckt hätten. Vom Partner ganz zu schweigen, der oft über Jahre hinweg nichts davon wusste, welchem strafrechtlichem Risiko er aufgrund gemeinsamer Veranlagung ausgesetzt war. Und so komme alles zusammen: Die Furcht vor den anstehenden Zahlungen, vor möglichen Strafen und vor dem gesellschaftlichen Kollateralschaden.

Höchstetter legt ein paar Zettel auf den Tisch. Vom "Normalfall" einer Selbstanzeige ist auf denen zu lesen und von der zweistufigen Variante mit erster Schätzung und späterer Konkretisierung. Von Ermittlungsverfahren, Sperrwirkungen, von der BuStra und der Steufa, also von der Bußgeld- und Strafsachenstelle und der Steuerfahndung. Es sind Wörter, die kein Mensch schätzt. Und dann am Ende steht da noch: "Böse Jungs - Durchsuchung, Haftbefehl, Arrestierung".

Die Selbstanzeige - sie muss in diesen Zeiten für Anwälte ein prächtiges Geschäft sei, gerade für die Generalunternehmer unter ihnen, die ihre Mandanten von den zittrigen ersten Anfragen bis zum begehrten Stempel unter der amtlichen Bestätigung "Ihre Selbstanzeige ist als wirksam anerkannt" begleiten.

Auch Höchstetter macht das so. Darum sind zuweilen ganze Teams von Leuten in seiner Kanzlei beschäftigt, die "wochenlang zehn bis 15 Stunden täglich" Zahlenkolonnen in Tabellen eintragen. Wertpapiergeschäfte mit Ankauf, Verkauf, Gewinn, Verlust. So etwas.

Eine Selbstanzeige kann also heikel sein. Welche Irrtümer lauern?

1. Keine Jahressalden

Wenn die Leute zum ersten Mal in die Kanzlei von Höchstetter kommen, glauben sie oft: Es reicht, den Behörden Konten und Salden zum Jahresende zu nennen. Aber eine bloße Saldenaufstellung ist "noch keine Selbstanzeige, sondern nur die Ankündigung einer Selbstanzeige", sagt Höchstetter. Sie sei nicht wirksam und würde im anschließenden Steuerstrafverfahren nur noch als Geständnis gewertet. Genau das ist Hoeneß passiert. Eine Selbstanzeige muss selbsterklärend für den Fiskus sein - so verständlich, dass die Finanzbeamten aus den Angaben direkt die Steuernachzahlung ermitteln können. Wenn die Anzeige mangels Daten nicht entsprechend abgefasst werden kann, dürfen die erzielten Einkünfte und die sich daraus ergebenden Nachzahlungen zunächst auch geschätzt werden.

2. Zu kurzer Veranlagungszeitraum

Seit wann ist das Geld angelegt? Viele Bürger glaubten, dass sie nur die vergangenen fünf Jahre versteuern müssten, sagt Höchstetter. "Das ist natürlich Blödsinn." Zwar werden vom Strafrecht in der Regel nur die vergangenen fünf Jahre erfasst, doch der Fiskus will Geld für die letzten zehn Jahre haben.

3. Keine pauschale Schätzung

Oft sagen Schweizer Banken den Kunden, dass eine Selbstanzeige pauschal nur sechs bis acht Prozent ihres Vermögens kosten würde, erzählt Höchstetter. Doch das sei Unfug. Wie viel am Ende tatsächlich gezahlt werde, hänge von der Art der Geschäfte und der hinterzogenen Steuern ab. Zusätzliche Erbschaft- und Schenkungsteuer können eine Selbstanzeige erheblich kostspieliger machen. Wagt der Steuerhinterzieher eine Schätzung, darf sie keinesfalls zu niedrig sein. Nach unten kann sie immer korrigiert werden, nach oben nie. Das ist die berüchtigte Sperrwirkung einer Selbstanzeige, die vielen zum Verhängnis wird. Darum werden Renditen und Spekulationserträge deutlich höher geschätzt, als sie sind.

4. Partner und Kinder in Haftung

Der Kontoinhaber ist gar nicht der alleinige Inhaber. In der Schweiz gibt es keine Kontovollmacht, die über den Tod des Inhabers hinausgeht. Oft wollten aber die Kunden genau eine solche Vollmacht erteilen, damit etwa die Kinder notfalls Zugriff auf das Schweizer Geld hätten. Die Kunden bekämen zwar Formulare, aber die machten die Bevollmächtigen zu Mitinhabern des Kontos, ohne dass dies den Kontoinhabern klar sei. Und schon gebe es ein neues Problem. Denn ein neuer Konto-Mitinhaber gilt automatisch als beschenkt, darum fällt nach deutschem Steuerrecht auch Schenkungsteuer an.

5. Schwarzgeld

Die Bürger denken, es sei egal, woher das Geld kommt. Doch die Mandanten hören dann von Höchstetter: "Erklärt wird beim Finanzamt, aber gelesen wird bei der BuStra", der Bußgeld- und Strafsachenstelle. Die Steuerfahndung wolle wissen, woher das Geld komme. Egal ist die Herkunft des Geld erst, wenn die Frage verjährt ist, also nach zehn Jahren.

Die Selbstanzeige ist so heikel, weil sie kaum Fehler duldet. Maximal um fünf Prozent darf mit den Schätzungen der tatsächliche Hinterziehungsbetrag für jedes Steuerjahr unterschritten werden. Die Toleranzschwelle ist also sehr gering. Und doch: Finanzbeamte und Steuerfahnder seien viel näher an der Realität als die Politiker, meint Höchstetter. Und bricht dann eine Lanze für den gesunden Verstand: Wer sich bemühe und den Kontakt zu den Behörden halte, habe durchaus Erfolg. Die Fahndung habe "letztlich kein Interesse daran, die Leute wirklich in die Pfanne zu hauen".

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SZ vom 15.03.2014/bbr
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