Steuerhinterziehung:"52.000 Konten unter falschen Namen"

Dieter Ondracek, Chef der Steuergewerkschaft, über Hinweise auf deutsche Steuerkriminelle und warum ein geplantes Gesetz fast in Ordnung ist.

Thorsten Denkler

Dieter Ondracek ist Chef der Deutschen Steuer-Gewerkschaft und vertritt als solcher die Mitarbeiter in den Finanzbehörden. Ondracek war selbst mehrere Jahre lang Steuerfahnder.

Steuerhinterziehung, Foto: dpa

Von wegen Steuerparadies: Die Bundesregierung will Steuerkriminellen mit einem neuen Gesetz gegen Steuerhinterziehung beikommen.

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sueddeutsche.de: Herr Ondracek, im Ausland liegen nach Schätzungen 300 Milliarden Euro, die Deutsche vor dem Fiskus geheim halten wollen. Es gibt selten konkrete Hinweise. Ihnen ist einer zugespielt worden. Wie sieht der aus?

Dieter Ondracek: Ich habe den Hinweis aus einer bestimmten Schweizer Bank bekommen, dass allein diese Bank über 52.000 Konten von Deutschen unter falschen Namen und mit Hilfe von Tarneinrichtungen wie Briefkastenfirmen in Liechtenstein angelegt habe. Die Minimumeinlage für diese Konten soll eine Million Euro pro Konto betragen. Wir sprechen also über eine Größenordnung von wenigstens 52 Milliarden Euro. Wir können aber davon ausgehen, dass einige mehr als eine Million Euro angelegt haben. 70 bis 80 Milliarden Euro kommen da schnell zusammen. Und das alleine über diese eine Bank.

sueddeutsche.de: Um welche Bank handelt es sich? Sie haben im Finanzausschuss des Bundestages erklärt, das Schreiben an Sie sei auf einem Original-Briefpapier erstellt worden mit banktypischer Prägung.

Ondracek: Ich halte mich aus juristischen Gründen zurück, den Namen der Bank öffentlich zu nennen, weil diese die Echtheit des Hinweises anzweifelt.

sueddeutsche.de: Die Bundesregierung will Steuerkriminellen jetzt mit einem neuen Gesetz gegen Steuerhinterziehung beikommen. Es geht vor allem darum, den Steueroasen die Pistole auf die Brust zu setzen und sie zur Auskunft zu verpflichten. Ist das der richtige Ansatz?

Ondracek: Ja, denn es zwingt die Staaten, die jetzt in der Schusslinie sind, zu kooperieren. Wenn sie sich kooperationsbereit zeigen und die Kooperation später auch leben, dann wird das die Aufklärungsquote deutlich vergessen. Es lohnt sich schon, wenn wir hier bei einer Quote von zehn oder 20 Prozent landen.

sueddeutsche.de: Das Gesetz spricht speziell jene Staaten an, die sich auf der schwarzen Liste der OECD wiederfinden. Auf dieser Liste befinden sich aber aktuell keine Staaten. Ergibt das Gesetz da noch Sinn?

Ondracek: Die Länder sind der schwarzen Liste entgangen, indem sie ihre Kooperationsbereitschaft zunächst mal erklärt haben. Das bedeutet, sie scheinen bereit zu sein, sich auf zwischenstaatliche Vereinbarungen zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung einzulassen. Wenn diese Bereitschaft aber in der Praxis nicht gelebt wird, dann braucht man ein Instrumentarium, um den Druck zu erhöhen. Das bietet dieses Gesetz.

sueddeutsche.de: Die Bundesregierung soll per Verordnung in der Lage sein, Druck auf nicht kooperative Staaten auszuüben.

Ondracek: Richtig. Sie kann sich so das Ausweichverhalten eines Staates anschauen und zielgenau dagegen vorgehen.

sueddeutsche.de: Im Ausschuss haben Sie gesagt, die Besitzer der von Ihnen angesprochen 52.000 Konten könnten mit diesem Gesetz kaum ermittelt werden. Wo hakt es noch?

Ondracek: Die Konten sind ja nicht auf Klarnamen eingerichtet sondern auf Tarneinrichtungen wie Stiftungen, Trusts, Cooperations und Ähnlichem mehr. Darauf aber ist das Gesetz nicht angelegt, es beschränkt sich lediglich auf Kreditinstitute. Wenn ich also eine Person verdächtige, Steuern hinterzogen zu haben, dann komme ich nach diesem Gesetz nicht automatisch auf solche Tarneinrichtungen. Ich brauche dafür einen sehr konkreten Hinweis, den ich in der Regel nicht habe.

sueddeutsche.de: Was fordern Sie?

Ondracek: Es dürfen nicht nur die Banken verpflichtet werden, Auskünfte zu geben. Die Pflicht muss auf Stiftungen, Trusts, allgemein auf Finanzinstitute ausgedehnt werden. Es können ja auch Finanzmakler und Treuhänder zwischengeschaltet sein. Erst wenn alle zur Auskunft verpflichtet sind, kommen wir einen großen Schritt weiter. Da greift der Gesetzesentwurf jetzt noch zu kurz.

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