Steuerflucht:Wirbel um geheime Daten

Droht ein zweiter Fall Liechtenstein? Der Mitarbeiter einer Schweizer Bank soll Daten von Steuerhinterziehern gestohlen und an den französischen Fiskus verkauft haben.

Michael Kläsgen

Die Presse nennt ihn schlicht "Antoine". Und auch sonst ist wenig bekannt über ihn. Er soll ein "Einsiedler" und ein "frustrierter Idealist" sein. Zumindest beschreibt ihn der Staatsanwalt so. Er war Informatiker beim Geldhaus HSBC Private Bank in Genf, das steht fest. Die Bank hat es am Mittwoch bestätigt. Und er soll die Daten von Tausenden Kunden "geklaut" und sie den französischen Steuerfahndern übergeben haben. Das sorgt nun für Aufregung in Frankreich.

HSBC, AFP

"Logisch, dass man da an die Mafia denkt", sagt Ermittler nach der ersten Entschlüsselung von Daten.

(Foto: Foto: AFP)

Enthüllt wurde der Fall vom Parisien. Doch während die Boulevardzeitung behauptet, Antoine habe die Daten Ende 2008 gestohlen, teilte die Bank mit, es seien Kundendaten zwischen Ende 2006 und Anfang 2007 entwendet worden. Maximal zehn Personen seien betroffen, sagt die Bank. Und nicht Tausende. Die Schweizer Behörden ermittelten.

Das Pariser Wirtschaftsministerium wiederum weist den Vorwurf von sich, gestohlene Daten erhalten, geschweige denn gekauft zu haben. Haushaltsminister Eric Woerth hatte Ende August bekanntgegeben, über eine Liste von 3000 französischen Steuerhinterziehern zu verfügen, die Geld in der Schweiz deponiert haben sollen.

Politiker - und ein Komiker

Die Alpenrepublik verdächtigte ihn alsbald, die Liste illegal erworben zu haben. Doch Woerth bestritt das. Handelt es sich überhaupt um die gleiche Liste? Einige Daten stimmten überein, zitiert der Parisien einen Ermittler. Unter den Franzosen auf Antoines Liste fänden sich mehrere Politiker, ein Komiker und Codenamen, die denen der Geheimdienste entsprächen. Man fange aber erst an, die Daten zu entschlüsseln. Nur so viel wisse man bereits: Auch Kolumbianer und chinesische Behörden seien darunter. "Logisch, dass man da an die Mafia denkt", so der Ermittler.

Antoine hat nun Angst; einerseits vor den Schweizer Behörden, andererseits vor den enttarnten Kontoinhabern. Der Staat schützt ihn. Hat die Regierung also doch vom Diebstahl profitiert? Antoine, ein Franko-Italiener, lebt mit Personenschutz und falscher Identität derzeit in einem Dorf zwischen Nizza und Menton.

Der Fall erinnert an den Archivar der Liechtensteiner Bank LGT, der dem Bundesnachrichtendienst (BND) im Jahr 2007 für 4,5 Millionen Euro Kontodaten verkaufte. Dank der Informationen kam es zu Ermittlungen gegen etwa 700 deutsche Steuersünder - darunter auch den damaligen Postchef Klaus Zumwinkel. Der frühere LGT-Mitarbeiter wird zwar wegen einer Klage Liechtensteins international gesucht, soll aber unter dem Schutz der deutschen Behörden leben.

Der 38-jährige Antoine hat die Bankcomputer der HSBC dem Bericht zufolge ausgespäht, weil er gegen Steuerhinterziehung und Geldwäsche vorgehen wollte. Anfang 2009 sei er nach Frankreich gekommen und habe sofort Kontakt mit den höchsten Steuerbehörden aufgenommen. Vorher habe er allerdings versucht, die Daten an libanesische Behörden zu verkaufen. "Vielleicht ist er auch ein Betrüger", meint der Staatsanwalt.

Im Moment ist Antoine für die französischen Ermittler noch unentbehrlich. Er hat die Kontodaten eigenhändig verschlüsselt und nur er kann sie öffnen. Sein Anwalt bemerkt allerdings, Antoine ärgere sich, nach Frankreich gegangen zu sein. "Entgegen aller Sonntagsreden", so der Anwalt, "fehlen hier die Mittel, um die Finanzkriminalität zu bekämpfen."

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