Steuerflucht:Steuermoral - global

Die Welt der Steuerflüchtlinge: Wer besonders dreist ist - und wer noch halbwegs ehrlich.

Gebe dem Staate, was dem Staate gehört: Nicht nur die Reichen und Vermögenden in Deutschland widersetzen sich der biblischen Anregung.

Steuerflucht: Wenn der Staat nach dem Geld der Bürger greift, lassen manche nicht gerne los.

Wenn der Staat nach dem Geld der Bürger greift, lassen manche nicht gerne los.

(Foto: Karikatur: istock)

Weltweit versuchen diejenigen, die viel verdienen, dem Fiskus zu entfliehen; und nicht nur sie. In vielen europäischen Ländern gilt es als normal, das Finanzamt zu täuschen. In den Vereinigten Staaten wächst die Zahl der Steuerrebellen. In Afrika, aber auch Russland sind die staatlichen Steuereintreiber oft völlig hilflos - oder korrupt. Nur in Skandinavien ist die Bereitschaft größer, mit dem Staat zu teilen.

Eine kleine Reise in die Welt der Steuermoral ...

Steuermoral - global

Deutschland:

Steuersätze Deutschland, SZ
(Foto: Grafik: SZ)

Der Reformer Paul Kirchhof beklagt, dass das Vertrauen in die Gesetze bröckelt. Mit härteren Strafen allein, glaubt Kirchhof, lasse sich das Problem nicht lösen; nötig sei eine tiefgreifende Steuerreform. Mit einem Spitzensteuersatz von 47,5 Prozent liegt Deutschland weltweit im Mittelfeld.

Weiter geht es mit den USA und einem Schauspieler, der es nicht einsieht, etwas an den Staat zu zahlen ...

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Steuersätze Russland, SZ
(Foto: Grafik: SZ)

Russland: Das Wunder des Einheitssatzes

Wenn nur die Hälfte dessen stimmt, was das FBI Semjon Mogilewitsch vorwirft, dürfte der ukrainische Geschäftsmann einer der größten Kriminellen seiner Generation sein. "Don Semione", der auch als Sergej Schneider, Schimon Makelwitsch oder unter einem anderen seiner 20 Decknamen auftrat, wird von verschiedenen Ländern wegen Erpressung, Anlagebetrug in zwanzig Staaten sowie Waffen- und Drogenschmuggel gesucht. Dass er seit Ende Januar in einem russischen Gefängnis sitzt, hängt aber mit einer vergleichsweise harmlosen Straftat zusammen: Mogilewitsch soll dem Besitzer der Moskauer Parfümeriekette "Arbat Prestige" geholfen haben, 1,36 Millionen Euro Steuern zu hinterziehen. Würde er deshalb verurteilt, Russland hätte wohl seinen Al Capone. Auch diesem legendären Verbrecher wurde ja am Ende Steuerbetrug zum Verhängnis.

Mogilewitsch wäre dabei nicht mal der größte Steuersünder. Jahr für Jahr schaffen russische Firmen kleinere Vermögen außer Landes, und auch für Nicht-Oligarchen war Steuerhinterziehung lange eine lässliche Sünde. Der einheitliche Einkommensteuersatz von 13 Prozent, der 2001 eingeführt wurde, hat zwar ein kleines Wunder bewirkt: Seitdem sind die Steuereinnahmen geradezu explodiert. Allein im ersten Flat-Tax-Jahr nahm der Fiskus 46 Prozent mehr ein.

Dass Russland dennoch nicht über Nacht zum Steuerstreber geworden ist, ließ jüngst Dmitrij Medwedjew durchblicken, der wohl Russlands nächster Präsident wird. In einer Wahlkampfrede stellte der Jurist Medwedew Steuersenkungen für Unternehmen in Aussicht, geißelte aber den "Rechtsnihilismus": die fast reflexhafte Abwehrhaltung gegenüber dem System.

Der Rechtsnihilismus ist Gift für jedes staatsbürgerliche Bewusstsein - und für die Steuermoral. Der Vorwurf der Steuerhinterziehung gehört allerdings auch zum Standardrepertoire politischer Prozesse: Das Verfahren gegen den Ex-Yukos-Chef Michail Chodorkowskij und seinen todkranken Manager Wassilij Alexanjan, die Schikane von Nichtregierungsorganisationen, sogar die Attacken auf das British Council kreisen um Betrug am Fiskus. So klar wie bei Don Semione liegt die Sache selten.

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Steuerflucht: Ein Schauspieler, der sich dem Finanzamt demonstrativ verweigert: Wesley Snipes.

Ein Schauspieler, der sich dem Finanzamt demonstrativ verweigert: Wesley Snipes.

(Foto: Foto: vox)

USA: Rebellen in Florida

Wesley Snipes ist ein erfolgreicher Schauspieler. Weltweit bekannt wurde er durch den dreiteiligen Vampir-Reißer "Blade". Anfang Februar allerdings machte Snipes auf andere Weise Schlagzeilen: Ein Bundesgericht in Ocala (Florida) verurteilte ihn wegen Steuerhinterziehung zu drei Jahren Gefängnis; außerdem muss er 17 Millionen Dollar an Steuern plus Zinsen und Bußgeld nachzahlen.

Snipes ist nicht einfach nur einer der vielen Amerikaner, die ein wenig mogeln bei der Steuererklärung. Er ist ein "Tax Denier", ein Steuerverweigerer, der nichts an den Staat zahlen will. Die Ankläger wollten ihn wegen Betrugs und Verschwörung für 16 Jahre hinter Gitter bringen, scheiterten damit aber an den Geschworenen in Florida.

Die Steuerverweigerer sind eine schillernde Bewegung. Mit Snipes angeklagt war zum Beispiel Eddie Ray Kahn, der kürzlich eine Anti-Steuer-Gruppe namens "Gottes Licht" gründete und vergeblich versucht hatte, sich nach Panama in Sicherheit zu bringen. Die Argumentation der Verweigerer ist bizarr: Ja, der Staat habe das Recht, Steuern zu erheben. Nur dürfe er keinen Bürger dazu zwingen, diese auch zu zahlen.

Die Bewegung ist relativ populär, obwohl der Spitzensteuersatz während der vergangenen 25 Jahre von über 70 auf 35 Prozent gesunken ist.

Das hängt damit zusammen, dass viele Amerikaner das Steuersystem als extrem ungerecht empfinden; so zahlen superreiche Firmenaufkäufer wie Stephen Schwarzman nur 15 Prozent Steuern - 20 Prozentpunkte weniger als der normale Bürger. Die nationale Steuerbehörde Internal Revenue Service (IRS) ist verhasst. Der republikanische Präsidentschaftsbewerber Mike Huckabee löste immer wieder frenetischen Jubel aus mit seiner Ankündigung: "Ich werde vor die Tür des IRS ein Schild hängen: 'Wegen Geschäftsaufgabe geschlossen'."

Vielleicht wirkt auch die Geschichte mit. Die amerikanische Unabhängigkeitsbewegung begann 1773 als Protest gegen ungerechte Besteuerung. Seither misstrauen die Amerikaner den Steuereinnehmern und erwarten, dass sich der Staat so weit wie möglich aus den Angelegenheiten der Bürger heraushält. So gesehen sind die Steuerrebellen nur der groteske Auswuchs einer Haltung, die zur Dynamik Amerikas beigetragen hat.

Warum in Frankreich Steuerhinterziehung schon fast zum guten Ton gehört, lesen Sie auf der nächsten Seite...

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Steuersätze USA, SZ
(Foto: Grafik: SZ)

Frankreich: Rockstar auf Abwegen

Steuerhinterziehung gehört in Frankreich fast zum guten Ton. Unternehmen prellen mit Vorliebe die Körperschaftsteuer und noch lieber die Umsatzsteuer.

Wer viel verdient, gibt in seiner Steuerklärung weniger an, in der Hoffnung, nicht erwischt zu werden. Und Reiche, denen die Steuern trotzdem noch zu hoch sind, gehen ins Ausland, nach Belgien, England, in die USA oder die Schweiz.

Obwohl Präsident Nicolas Sarkozy nach seiner Wahl im vorigen Jahr den Spitzensteuersatz und die Vermögensteuer herunterschraubte, kehrte kein prominenter Franzose heim. Fußballidol Zinedine Zidane lebt weiter in Spanien. Tennisstar Amélie Mauresmo, die Chansonsänger Charles Aznavour und Patricia Kaas wohnen in der Schweiz und die Familie Mulliez, Besitzer des Hypermarkt-Imperiums Auchan, in Belgien.

Der bekannteste Flüchtling ist ein Freund von Sarkozy und zugleich der bekannteste Rocksänger des Landes: Johnny Hallyday, 64, der eigentlich Jean-Philippe Smet heißt. Er machte für Sarkozy Wahlkampf und speiste nach dessen Sieg im Restaurant Fouquet's, unerbittlich bekennend: "Ja, ich bin Steuerflüchtling."

Ende 2005 beantragte der in Paris geborene Sohn eines Belgiers die belgische Staatsangehörigkeit. Doch Belgien lehnte ab. Hallyday fehle der rechte Bezug zum Land, urteilten die Behörden. Hallyday war konsterniert.

Ende 2006 beschloss der Altrocker deswegen, ins Berner Oberland nach Gstaad überzusiedeln, wo er bereits ein schönes Chalet besaß. In der Schweiz leben etwa 200.000 Franzosen, darunter Hallydays Sohn David, um Steuern zu sparen. Dann wurde Sarkozy Präsident, woraufhin Hallydays Frau Laeticia erklärte, nun wieder nach Frankreich zurückkehren zu wollen. Sarkozy hatte versprochen, die Steuerbelastung auf maximal 50 Prozent zu drücken. Eigentlich ein Geschenk für seinen Freund, den Rockstar. Aber bisher wartet Frankreich vergeblich auf die Rückkehr des Musikers.

Lesen Sie weiter, wie Bürger in Großbritannien sich gegenseitig bei Steuerbehörden verpfeifen...

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Steuerflucht: Ein guter Freund Sarkozys und bekennender Steuerflüchtling: Rockstar Johnny Hallyday.

Ein guter Freund Sarkozys und bekennender Steuerflüchtling: Rockstar Johnny Hallyday.

(Foto: Foto: AFP)

Großbritannien: Petzen bei Ihrer Majestät

In der britischen Gesellschaft gibt es einen unschönen Charakterzug: Ihre Mitglieder neigen zur Denunziation. Nachbarn würden einander lieber nicht ins Gesicht sagen, was sie stört; sie schreiben lieber einen Brief an den Gemeinderat.

Und Eltern würden einen schlechten Lehrer nicht persönlich zur Rede stellen, sondern ihn lieber beim Direktor anschwärzen. Zu den Behörden, die diese Vorliebe für das Petzen nutzen, gehört auch das Finanzamt.

Ob Hotline oder Online - die Steuerbehörden bieten zahlreiche Denunzierungsmöglichkeiten für alle, die den Nachbarn oder Kollegen verdächtigen, dem Staat seinen Obolus zu verweigern. "Keine Information, wie trivial sie auch erscheinen mag, ist zu klein", wirbt Her Majesty's Revenue and Customs in Rundfunk und Fernsehen um die Mithilfe der Bürger. Auch anonymen Hinweisen gehe man gerne nach.

Die Finanzbehörden behaupten, dass sie jedes Jahr 70 bis 100 Millionen Pfund an hinterzogenen Steuern eintreiben. Viel ist das nicht, wenn man bedenkt, dass britische Investoren schätzungsweise zehn Milliarden Pfund auf ausländischen Konten in Sicherheit gebracht haben. Die Bereitschaft zum Steuerbetrug ist nach Ansicht von Experten im selben Maße gewachsen, wie sich die Steuerbelastung erhöht hat. Was brave britische Steuerzahler freilich mehr aufbringt, ist die Tatsache, dass ihr Land ein Steuerparadies für reiche Ausländer geworden ist. Bis heute gilt eine Regel, die zur Zeit der napoleonischen Kriege eingeführt wurde und Ausländer nur dazu verpflichtet, ihr eingeführtes Vermögen zu versteuern. Milliarden, die im Ausland lagern, interessieren den Fiskus nicht.

Kürzlich stufte der Internationale Währungsfonds das Königreich als "Offshore-Finanzzentrum" ein - mithin eine Art von Liechtenstein im Meer.

Hinzu kommt, dass Großbritannien mit den Kanalinseln oder der Isle of Man weitere Paradiese für undurchsichtige Finanzmanöver im Angebot hat. Als die norwegische Regierung im vergangenen Sommer eine globale Koalition gegen international operierende Steuersünder schmiedete, wurde London gar nicht erst zur Teilnahme eingeladen.

Den Fiskus zu prellen, ist im WM-Land Italien Volkssport Nummer eins...

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Steuersätze Frankreich, SZ
(Foto: Grafik: SZ)

Italien: Arm auf der Luxusjacht

Der siebenmalige Motorrad-Weltmeister Valentino Rossi, 29, kaufte sich vorige Woche mit einer Rekord-Nachzahlung von 35 Millionen Euro vom Vorwurf der Steuerhinterziehung frei. Das Verfahren gegen den Yamaha-Piloten, der seinen Wohnsitz fiktiv nach London verlegt hatte, ist eingestellt. "Ich habe ein reines Gewissen, und ich habe mich in diesen Monaten nie allein gefühlt. Die Leute standen mir immer zur Seite", sagte Rossi auf den Stufen des Finanzamts in Pesaro.

Den Fiskus zu prellen, ist im Land der Fußballweltmeister Volkssport Nummer eins. Erst am vergangenen Sonntag ertappten die Behörden den zweitreichsten Mann Italiens: Leonardo Del Vecchio, 73. Der ehemalige Waisenhauszögling und Gründer des Brillen-Weltmarktführers Luxottica muss 20 Millionen Euro Buße zahlen.

Dem Staat gehen jährlich etwa 100 Milliarden Euro durch die Lappen - vor allem aufgrund der Schwarzarbeit. Handwerker, Juweliere und Freiberufler rechnen sich arm; Restaurantbesitzer deklarieren im Schnitt ein Jahreseinkommen von nur 13.300 Euro. Gerade mal 0,8 Prozent der Steuerzahler geben an, mehr als 100.000 Euro zu verdienen.

"Mein Steuerberater sagt, ich kann dieses Jahr keine Rechnungen mehr ausstellen", sagen Bauunternehmer, wenn sie ein Angebot für die Renovierung abgeben. Hausbesitzer haben die Wahl: Entweder schwarz mit Bargeld zahlen - oder es regnet weiter rein. So kommt es, dass Italien mehr Inhaber von Luxusjachten als Spitzenverdiener aufzuweisen hat.

Warum schauen die Schweden genau darauf, dass jeder Einzelne seinen Beitrag zum Ganzen leistet?

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Steuerflucht: Notting Hill: einer der edelsten Londoner Stadtteile - und eine Steueroase.

Notting Hill: einer der edelsten Londoner Stadtteile - und eine Steueroase.

(Foto: Foto: Getty Images)

Schweden: Moralisten im hohen Norden

Im Herbst 2007 begannen die Medien, sich etwas genauer mit der Steuermoral der höchsten Beamten in den Stockholmer Ministerien zu befassen. Das war unangenehm. Binnen weniger Tage räumten insgesamt 17 von 33 Staatssekretären ein, in ihrem Leben schon mal Kindermädchen, Handwerker oder Putzhilfen schwarz bezahlt und damit Geld am Fiskus vorbeigeschleust zu haben.

Wenn es um Verfehlungen hoher Politiker oder Manager geht, wird im Norden nicht lange gefackelt. Eine Ursache für diesen unbarmherzigen Umgang der Skandinavier mit ihren Eliten ist Jantes Gesetz - ein Regelwerk, das jedem Schweden, Norweger oder Dänen ein Begriff ist. Jante ist ein fiktives Dorf aus einem dänischen Roman, dessen Einwohner Engstirnigkeit und kleinstädtische Provinzialität verkörpern. Jantes Gesetz lautet verkürzt: "Du sollst bloß nicht glauben, dass du was Besseres bist als wir." Für die meisten Skandinavier hat Jante einen eher negativen Klang. Das Jante-Gesetz ist die Kehrseite des Gleichheitsgedankens, der nach wie vor eine der Säulen der nordischen Gesellschaften ist.

Aber natürlich hat das Streben nach Gleichheit auch positive Auswirkungen, etwa auf die Steuermoral, die den Statistiken zufolge im Vergleich zu vielen anderen Ländern sehr gut ist.

Trotz hoher Steuersätze ist es für Schweden selbstverständlich, dass jeder seinen Anteil zum Gemeinwesen beiträgt - schließlich bekommt er dafür auch staatliche Gegenleistungen in Form von Schulen, Kindertagesstätten, Krankengeld und vielem mehr. Sich aus der Gemeinschaft der Zahlenden zu verabschieden, ist auch nur schwer möglich, weil das Steuerrecht kaum Schlupflöcher bietet. Wer beim Betrug am Fiskus erwischt wird, muss überdies mit schlimmen Konsequenzen rechnen, nicht nur von Seiten der Behörden. Der Ruf eines Steuersünders ist nachhaltig zerstört.

Nur bei kleineren Vergehen sind die Skandinavier bereit zu verzeihen. Die 17 Staatssekretäre, die im Oktober ihre Schwarzarbeit-Beichte ablegten, durften zum Beispiel ihre Jobs behalten, weil sie so bereitwillig Reue gezeigt hatten. Hinzu kommt, dass Schwarzarbeit auch unter den Normalverdienern Schwedens recht häufig ist.

Steuern sind in Afrika eine heikle Angelegenheit...

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Steuersätze Großbritannien, SZ
(Foto: Grafik: SZ)

Südafrika: Korrupte Geldeintreiber

Steuern sind in Afrika eine heikle Angelegenheit. Ein Jurist, der nicht namentlich zitiert werden will, sagt: "Die Zahlungsmoral ist in vielen afrikanischen Ländern deutlich schlechter als in Europa. Und weil viele Behörden korrupt sind, ist es auch schwierig, das Geld einzutreiben." Es sei einfach, mit dem Steuerbeamten ein Geschäft zu machen, von dem beide profitierten, erzählt er. Dirk Kohnert, Wissenschaftler am German Institute of Global and Area Studies in Hamburg, erklärt, dass oft schon die Voraussetzungen fehlten, um überhaupt die steuerliche Bemessungsgrundlage festzustellen.

Denn Grundbuchämter oder Meldebehörden existierten nicht überall oder funktionierten nicht im vergleichbaren Maß wie in Europa. Tendenziell gilt, dass das Steuerwesen im Norden Afrikas weiter entwickelt ist als in den meisten Staaten südlich der Sahara. Tunesien hat nach Ansicht vieler Experten ein ähnlich funktionstüchtiges Steuersystem wie europäische Länder. Die Steuerfahnder würden dort hart durchgreifen, so dass die Lust am Hinterziehen eher gering sei, erzählt ein Geschäftsmann. Einen anderen Weg geht Ägypten: Es hat den Einkommensteuersatz deutlich gesenkt und auf diese Weise mehr Steuerzahler dazu gebracht, ihre Schuld zu begleichen.

Katrin Laskowski vom Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft gibt zu bedenken, dass einige afrikanische Staaten einen sehr großen Anteil der Einnahmen mit indirekten Steuern erzielen, etwa über die Umsatzsteuer. Weil diese Abgaben gleich beim Kauf einer Ware oder Dienstleistung bezahlt werden, seien die Möglichkeiten zur Steuerhinterziehung eher beschränkt.

Sind die Japaner ehrlich und diszipliniert, so wie sie sich selbst gerne sehen?

Steuerflucht: Italienische Restaurantbesitzer geben beim Fiskus im Durchschnitt gerade mal ein Jahreseinkommen von 13.300 Euro an. Der übrige Verdienst wird dem Staat vorenthalten. Insgesamt gehen der Regierung damit jährlich 100 Milliarden Euro durch die Lappen.

Italienische Restaurantbesitzer geben beim Fiskus im Durchschnitt gerade mal ein Jahreseinkommen von 13.300 Euro an. Der übrige Verdienst wird dem Staat vorenthalten. Insgesamt gehen der Regierung damit jährlich 100 Milliarden Euro durch die Lappen.

(Foto: Foto: AP)

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Japan: Wochenende in der Oase

Ehrlich und diszipliniert, so sehen die meisten Japaner ihre Nation. Die Statistik bestätigt sie: Die Kriminalitätsrate liegt viel niedriger als in anderen Industriestaaten. Nur ein Verbrechen wird häufiger: die Steuerhinterziehung. Viele Japaner betreiben sie als Volkssport. Und in einer Wirtschaft, in der noch vorwiegend bar bezahlt wird, bleiben viele Einkünfte ganz ohne Papierspur. Sie werden im Kopfkissen aufgehoben statt auf der Bank. Irgendwann macht man dann einen Ausflug nach Hongkong. Mit einer prallen Geldbörse - zum Shoppen und Prassen, angeblich.

Doch viele Hongkonger Geldinstitute beschäftigen eigens Japaner, die ihren Landsleuten vor dem Einkaufsbummel beim Einrichten eines Kontos zur Hand gehen. Hongkong verfolgt Geldwäsche, leistet aber wie Liechtenstein bei Steuerhinterziehung keine Rechtshilfe. Die Konten dort dienen den Japanern daher als sicherer Hafen. Alle paar Wochen wird ein japanischer Politiker, ein Showstar, eine Bank oder auch ein Elektronikkonzern beim allzu fleißigen Steuernsparen erwischt. Zahlreiche Minister traten deshalb zurück.

Die Steuerbehörden sichern jährlich etwa 30 Milliarden Yen, also 200 Millionen Euro, unbezahlter Steuern. Hinterzogen wird ein Vielfaches. Allein die ganzen Hausfrauen und Rentner, die übers Internet mit Währungen spekulieren, verbergen Milliarden.

Vorigen Sommer sind drei Rentner zwischen 66 und 84 Jahren erwischt worden; sie hatten auf diese Art zusammen mehr als sechs Millionen Euro Gewinn gemacht, aber nicht versteuert. Für einfache Angestellte führt der Arbeitgeber die Einkommensteuer ab, alle anderen Bürger schätzen sich gegenüber dem Finanzamt selbst ein. Die Steuerbehörden setzen damit jene Ehrlichkeit voraus, die die Japaner für sich reklamieren.

Einige Tausend Fälle nehmen die Ämter dennoch jedes Jahr unter die Lupe. Von Ex-Premier Shinzo Abe schrieb ein Boulevardblatt, sein plötzlicher Rücktritt im September habe nichts mit Politik zu tun gehabt. Auch nicht mit Bauchweh, wie er behauptete. Die Steuerfahnder seien hinter ihm hergewesen. Dabei pochte doch gerade Abe auf die guten alten Tugenden der Japaner.

Wer profitiert vom österreichischen Steuersystem: arm oder reich?

Steuersätze Italien, SZ
(Foto: Grafik: SZ)

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Profiteure des Systems

Als Österreichs damaligem Finanzminister Karl-Heinz Grasser 2004 Steuerhinterziehung vorgeworfen wurde, blieb er nicht einfach nur im Amt, sondern auch der populärste Politiker des Landes. Denn wer den Staat um die Steuern betrügt, erntet in Österreich Bewunderung - ob er nun Finanzminister ist oder nicht.

Dabei sind gerade die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen in Österreich vergleichsweise brave Steuerzahler. Die Umsätze der Schattenwirtschaft werden auf etwa zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts geschätzt, im europäischen Vergleich ist das ziemlich wenig. Da werden vielleicht Handwerksarbeiten ohne Rechnung erledigt oder ein privater Tankbeleg als dienstlich abgerechnet, und der Durchschnittsösterreicher freut sich, dem Staat ein Schnippchen geschlagen zu haben.

Die Profiteure des österreichischen Steuersystems sind die Reichen - vor allem, weil es für sie eine Reihe legaler Tricks gibt, um Abgaben zu sparen. Das Vermögen in Privatstiftungen etwa unterliegt nicht der Erbschaftsteuer. Wenn größere Stiftungen den Besitzer wechseln, kommen die Erben also meist abgabenfrei davon, während das Sparbuch der verstorbenen Tante vom Kleinverdiener voll versteuert werden muss.

Auch dass es in Österreich seit den 90er Jahren eine 25-prozentige Quellensteuer auf Kapitalerträge gibt, war ein Zugeständnis an die Reichen: Im Gegenzug verteidigte Österreich auch nach dem Beitritt zur EU weite Teile seines strengen Bankgeheimnisses. Auskünfte erteilen die Banken nur nach richterlichem Beschluss im Rahmen eines Strafverfahrens. Inoffizielle Reichtümer können auf österreichischen Konten also risikoarm geparkt werden, Veräußerungsgewinne etwa. Diese werden dem Finanzamt nur in absoluten Ausnahmefällen gemeldet.

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