Süddeutsche Zeitung

Steuerfahnder in Bayern:Keine Zeit für Betrüger

Wer es in Bayern mit der Steuer nicht so genau nimmt, muss sich kaum fürchten, entdeckt zu werden: Die Finanzbeamten schaffen ihre Arbeit nicht und haben kaum Zeit für Kontrollen.

K. Prummer und M. Szymanski

Die Reichen waren der bayerischen Staatsregierung schon immer lieb und teuer. Wenn es nach Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU) gegangen wäre, hätte er die Erbschaftsteuer im Freistaat längst auf fast null gesenkt, damit noch mehr Wohlhabende nach Bayern kommen. Weniger ehrgeizig ist die Staatsregierung, wenn es darum geht, Jagd auf Steuersünder zu machen. Der Steuerfahnder Werner Stupka kann dazu eine Geschichte von Machtlosigkeit erzählen.

Er ist Steuerexperte bei der Gewerkschaft Verdi, seit 1971 in der Finanzverwaltung und arbeitet nun beim Finanzamt Nürnberg. Der 55-Jährige nennt sich selbst einen "alten Hasen". "Die Wahrscheinlichkeit, als Steuersünder in Bayern erwischt zu werden, ist kleiner als in anderen Bundesländern", sagt der Gewerkschafter. In seiner Funktion als Steuerfahnder darf er sich nicht äußern. Es klingt wie eine Kapitulation.

Die Finanzbeamten schaffen ihre Arbeit nicht. Das geht so weit, dass Steuerfahnder nach Angaben von Stupka Fällen nicht nachgehen, obwohl ein Anfangsverdacht vorliegt.

"Wir müssen Prioritäten setzen", sagt er. Das heißt, es werden nur die großen Summen eingetrieben. Je kleiner das Unternehmen ist, desto eher legen die Prüfer den Fall zu den Akten. Und nicht nur Klitschen rutschen so durch.

"Ein mittelgroßes Unternehmen mit einem Jahresumsatz von etwa vier Millionen Euro Umsatz muss damit rechnen, nur alle 15 Jahre geprüft zu werden", sagt Stupka. Auch bei den vielen Millionären in Bayern haben die Steuerfahnder kaum die Zeit, um genauer nachzuschauen. Nach Informationen des Magazins "Monitor" klingelt in Bayern nur alle neun Jahre ein Finanzbeamter, um sich die Bücher anzuschauen.

Aus dem Finanzministerium war hierzu keine Stellungnahme zu bekommen, die Gewerkschaft Verdi, aber auch der Vorsitzende der Bayerischen Finanzgewerkschaft Josef Bugiel halten diese Zahl auf Anfrage der SZ aber für realistisch. Wenn man so will, liegt das Geld auf der Straße, nur kommt niemand dazu, es aufzuheben.

Die Staatsregierung hält ihre Finanzverwaltung seit Jahren an der kurzen Leine. Der Bayerische Oberste Rechnungshof hatte 2007 bemängelt, dass die Steuerfahndungsstellen ihren "Auftrag nur eingeschränkt" erfüllten und dadurch dem Staat mindestens 34 Millionen Euro entgingen. Bayerns Finanzminister Fahrenschon hatte sich bei einem Grußwort bei der Finanzgewerkschaft deswegen auspfeifen lassen müssen.

Zu wenige Steuerfahnder

Mit etwa 15.000 Beschäftigten nimmt die bayerische Finanzverwaltung im Ländervergleich hintere Plätze ein, die Gewerkschafter Stupka und Bugiel wünschen sich 2000 zusätzliche Mitarbeiter, 1000 wären ein Anfang. Und die anfallenden Personalkosten seien gering im Vergleich zu dem, was ein Steuerprüfer wieder durch seine Arbeit reinholt: "Nach unseren Schätzungen könnte jeder zusätzliche Prüfer bis zu einer Million Euro bringen." Bugiel sagt: "Man hat die Finanzverwaltung lange sträflich vernachlässigt."

Das will man im Finanzministerium so nicht stehen lassen und rühmt sich, seit 1997 bei den Steuerfahndern immerhin 123 zusätzliche Leute eingestellt zu haben. Außerdem sei im Doppelhaushalt 2009/2010 Geld für 500 zusätzliche Stellen vorgesehen. "Die bayerische Steuerverwaltung steht bereit", jubelte Fahrenschon, als dem Bund wieder eine CD mit Steuersünderdaten angeboten worden war. Anders als seine Vorgänger hat er zumindest Geld für zusätzliche Stellen in nennenswertem Umfang aufgetrieben. Aber das reicht noch nicht.

Auch Bayern wurde Steuer-Daten angeboten

Auch dem Freistaat wurden mittlerweile CDs angeboten. Noch prüft das Finanzministerium, was die Informationen taugen. Der Koalitionspartner FDP hat Bedenken. Die Gewerkschafter wissen nicht so recht, ob sie sich über solche Daten-CDs freuen können: "Da käme auf die Steuerfahnder so viel Arbeit zu, die nicht mehr zu leisten ist", vermutet Bugiel. Die kleineren Fälle müssten wohl so lange aufgeschoben werden, bis sie verjährt seien.

Im Moment verdient nicht der Staat an den Daten der Steuersünder, sondern andere. Allein die Existenz angeblich brisanter Daten macht Steuersünder in Bayern nervös. 291 Selbstanzeigen erhielten die Behörden bis vergangenen Freitag innerhalb von nur fünf Tagen. In keinem anderen Bundesland zittern die Reichen so sehr. Das beschert den bayerischen Steueranwälten ein Auftrags-Hoch: Bis Mitternacht wird derzeit in der Münchner Kanzlei "Glaab&Rieg" gearbeitet.

Run auf Steueranwälte

Alleine am Dienstag haben sich acht Steuersünder gemeldet, sagt Rechtsanwalt und Steuerberater Erwin Glaab. Insgesamt sind es 35: Ärzte, Rentner, auch Bäcker, Metzger und Wirte, bei denen viel Bargeld im Umlauf ist, das sich besonders leicht vor dem Fiskus verstecken lässt. Zwischen 30.000 und 40.0000 Euro Steuern müssen seine Mandanten nachzahlen, schätzt Glaab.

Weder als der damalige Bundesfinanzminister Hans Eichel 2004 Steuersündern Amnestie versprach noch nach der Festnahme des ehemaligen Postchefs Klaus Zumwinkel habe es so viele Selbstanzeigen gegeben. "Bei Zumwinkel war klar, dass eine Bank in Liechtenstein betroffen ist", sagt Glaab. "Heute weiß man von zwei Banken, aber es könnten auch mehr sein. Also fühlt sich jeder unwohl, der Geld in der Schweiz hat."

Panisch seien die wenigsten, die zu ihm kommen, eher erleichtert. Fast alle haben die drängende Frage: Kann ich mich überhaupt selbst anzeigen und damit straffrei bleiben? Da beruhigen die Rechtsanwälte: Solange niemand gegen sie ermittelt, können Steuersünder ihre Schweizer Geheimnisse offenlegen. Viele tun das dann gleich, aber manche wollen es sich erst noch einmal überlegen.

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Quelle:
SZ vom 17.02.2010/jcb/hgn
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