Zu wenig Personal, zu viele Gesetze:Steuererklärungen überfordern Finanzämter

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Von wegen ordentlich und penibel: In den Finanzämtern fehlt Personal, Gesetze ändern sich ständig. Jetzt schlägt der Bundesrechnungshof Alarm - denn viele Steuererklärungen können nur ungenau geprüft werden.

Guido Bohsem

Die deutschen Finanzämter sind ihren Aufgaben nicht gewachsen. Zu dieser Auffassung kommt der Bundesrechnungshof in einem am Dienstag veröffentlichten Gutachten. "Der gesetzmäßige Vollzug der Steuergesetze bei der Veranlagung der Arbeitnehmer ist nicht gewährleistet", fassen die Bonner Prüfer ihre Erkenntnisse zusammen. Die Finanzbeamten seien durch die schiere Masse der Erklärungen und die ständigen Änderungen des Steuerrechts überfordert.

Auch die inzwischen übliche maschinelle Bearbeitung der Steuererklärung schaffe keine befriedigende Abhilfe, weil das Computersystem Fehler nicht erkenne und sogar widersprüchliche Angaben als unbedenklich einstufe.

Bereits 2006 hatte der Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung gravierende Probleme beim Vollzug der Steuergesetze angeprangert. Nach Einschätzung des Rechnungshofs verschlechterte sich die Lage in den vergangenen fünf Jahren weiter. In seiner Untersuchung konzentrierte er sich auf die 21 Millionen Steuererklärungen von Arbeitnehmern, die den Hauptteil des Pensums der Finanzämter ausmachen.

Laut Gutachten nimmt die Arbeitslast in den Finanzämtern kontinuierlich zu. Zwischen 2006 und 2009 sank die Zahl der Vollzeitstellen in den Finanzämtern um 812 auf 42 737. Das entspricht einem Rückgang von etwa 1,9 Prozent. Im gleichen Zeitraum verringerten sich auch die Zahl der Steuererklärungen, jedoch nur um 1,4 Prozent auf 38,1 Millionen. Nach Berechnungen des Rechnungshofes mussten die Beschäftigten also 2009 etwa 5,4 Prozent mehr Steuererklärungen bearbeiten als 2006.

"Ungebrochene Änderungsflut"

Ferner seien die Fälle durch zahlreiche Steuerrechtsänderungen komplizierter geworden. So wurden zwischen 2006 und 2010 insgesamt 102 Steuer-Reformen beschlossen. Alleine in der Einkommensteuer seien 428 Bestimmungen durch 48 Gesetze geändert worden - die 2003 eingeführte Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen im Haushalt alleine fünfmal. Hinzu kamen 229 Anwendungserlasse des Bundesfinanzministeriums, die missverständliche Steuergesetze klarstellten. Die Schreiben zur Abgeltungssteuer und zur Förderung der privaten Altersvorsorge waren insgesamt 150 Seiten lang. "Die ungebrochene Änderungsflut hat im Ergebnis das Steuerrecht komplizierter statt einfacher gestaltet", stellt der Rechnungshof fest.

Um die Arbeitslast der Finanzbeamten zu senken, sind inzwischen alle Länder dazu übergegangen, die Steuererklärungen maschinell vorzusortieren. Ein Risikofilter entscheidet, ob der Fall vom Computer bearbeitet werden kann oder ob die genauere Prüfung durch einen Finanzbeamten notwendig ist. Laut Rechnungshof funktioniert dieses System aber nur mangelhaft.

So gab es bei 76 Prozent der angegebenen Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte keinen Warnhinweis, obwohl die Kilometerzahl in mehr als der Hälfte der Fälle deutlich überhöht war. "Durchschnittlich wurden dabei je Fall 333 Euro zweifelhafte Werbungskosten anerkannt." Die vom Computer als risikoarm eingestuften Angaben zur doppelten Haushaltsführung stellten sich sogar ausnahmslos als unschlüssig heraus.

In der Konsequenz fordert der Rechnungshof eine Steuervereinfachung und hält eine Weiterentwicklung der Finanzsoftware für notwendig.

© SZ vom 18.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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