Steuerdebatte:Die Unvermögensteuer

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Der materielle Reichtum der Bürger bietet ein riesiges Besteuerungspotential, aber man darf nicht nur die Wohlhabenden schröpfen. Das macht die Sache so schwierig.

Stefan Bach

"Wenn die Unvermögensteuer kommen würde - die fürchte ich." So lästerte vor genau 90 Jahren das Satireblatt Simplicissimus über Reichsfinanzminister Matthias Erzberger.

Die satirischen Wochenzeitschrift Simplicissimus - aus der die Karikaturen stammen - erschien zwischen 1896-1944. Schon damals herrschte Angst vor der "Unvermögenssteuer". (Foto: Foto: dpa)

Der peitschte damals eine große Steuerreform durchs Parlament - übrigens die einzige wirklich grundlegende Steuerreform, die es in Deutschland jemals gegeben hat.

Die katastrophale Finanzlage des Reiches nach dem Ersten Weltkrieg und die Tatkraft des Ministers machten dies möglich.Damals wurden Vermögensabgaben erhoben, eine umfassende Vermögensteuer eingeführt und die Erbschaftsteuer angehoben.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es im Rahmen des "Lastenausgleichs" erneut weitreichende Vermögensabgaben, um die wirtschaftlichen Folgen des Zweiten Weltkriegs zu mildern und die Vermögensverluste gleichmäßiger zu verteilen. Die Vermögensteuer wurde ausgebaut. Mitte der fünfziger Jahre erzielten allein diese Abgaben ein Aufkommen in Höhe von über 1,5 Prozent des Sozialprodukts.

Niedergang der Vermögensbesteuerung

In den sechziger Jahren begann der Niedergang der Vermögensbesteuerung in Deutschland. Die Einheitswertfeststellung der Grundvermögen für 1964 floppte. Die Werte waren bereits deutlich veraltet, als sie 1974 endlich eingeführt wurden.

Danach fanden Politik und Verwaltung nicht mehr die Kraft, neue Grundstückswerte zu erheben. Die Bewertungsstellen der Finanzämter verkümmerten, sie gelten bisweilen als "Archipel Gulag" der Finanzverwaltung.

Unter dem Dauerfeuer von neuliberaler Wirtschafts- und Steuerpolitik sowie zunehmendem Standort- und Steuerwettbewerb wurden die Bemessungsgrundlagen ausgehöhlt, Vermögensteuer und Gewerbekapitalsteuer abgeschafft und die Erbschaftsteuer zugrunde reformiert, zuletzt mit der Reform 2008.

Das Unvermögen, die Vermögen zu besteuern, hat verschiedene Gründe. Zunächst muss man Vermögensobjekte richtig bewerten. Für die meisten Grundstücke und Betriebe gibt es keinen Marktwert, und selbst wenn, kann der erheblich schwanken.

Subjektive Bewertungsverfahren

Pauschalisierende Bewertungsverfahren können maßgebliche Faktoren des Einzelfalls nicht erfassen. Ertragswerte erfordern eine Prognose der künftigen Erträge, und die ist bekanntlich unsicher.

All das macht die Bewertungsverfahren subjektiv, intransparent und fehleranfällig, und damit streitanfällig und aufwendig. An diesen Problemen ist die Einheitsbewertung gescheitert, und auch der Einsatz von elektronischer Datenverarbeitung ändert daran nichts Grundsätzliches.

Zum anderen gilt das Kapital als "scheues Reh". Finanzanlagen, längerfristig auch realwirtschaftliche Investitionen, können der inländischen Steuerbelastung ausweichen. Zwar haben die großen OECD-Länder ihren Kampf gegen steuerpolitische Schurkenstaaten deutlich intensiviert. Das Bankgeheimnis wird zunehmend geschleift, die Finanzbehörden arbeiten enger zusammen.

Die Superreichen gehen ins Ausland

Im Unternehmensteuerrecht bleiben aber gewisse Möglichkeiten, über Buchungstricks Besteuerungsgrundlagen in der Bilanz zu verstecken oder aus Hochsteuerländern abzuziehen. Und die Superreichen können ihren Wohnsitz ins Ausland verlagern. Hier müssten internationale Regelungen getroffen werden, diese Optionen wirksamer zu unterbinden.

Trotz aller Unzulänglichkeiten bieten die Vermögen der Bürger ein großes Potential für den Fiskus. Laut Statistiken für 2007 beträgt das Gesamtvermögen der privaten Haushalte in Deutschland etwa 8 Billionen Euro, einschließlich Lebensversicherungen, aber ohne betriebliche und private Altersversorgung sowie Ansprüche an die Rentenversicherung.

Zieht man die Schulden ab, bleiben 6,5 Billionen Euro. Somit könnte eine Vermögensteuer schon bei einem sehr moderaten Satz von 0,1 Prozent ein Aufkommen von 6,5 Milliarden Euro im Jahr erzielen.

Das sind immerhin drei Viertel von dem, was eine Erhöhung des Mehrwertsteuer-Normalsatzes erbringen würde. Aber dann muss man alle Bürger zur Vermögensaufstellung auffordern und deren Vermögen bewerten. Das wird ziemlich teuer und bedeutet politischen Selbstmord für die Steuerpolitiker.

Schönheitsfehler der Mehrwertsteuer

Die wirksamste Vermögensteuer ist übrigens die Mehrwertsteuererhöhung. Die belastet indirekt sowohl die Vermögenseinkünfte als auch die Veräußerungserlöse von Finanzanlagen, Grundstücken und Betrieben, wenn sie konsumiert werden. Die Versorgungsbezüge der sozialen Sicherung (Sozialvermögen) und die Arbeitseinkommen (Humankapital) werden gleich mit besteuert. Eine komplizierte Vermögensermittlung braucht man nicht. Der Schönheitsfehler ist allerdings: Alle zahlen die Steuer, nicht nur die Reichen.

Die Vermögensteuer soll nach allgemeinem Verständnis aber nur die Reichen treffen. Obwohl die Vermögen stark konzentriert sind, schrumpfen die Besteuerungsgrundlagen dann stark zusammen.

Gewährt man etwa einen Freibetrag von beispielsweise 500000 Euro je Haushalt, kann man nur noch 1,6 Billionen Euro besteuern. Stellt man sogar eine Million Euro je Haushalt frei, bleiben nur noch 0,8 Billionen Euro übrig. Entsprechend gering ist das Steueraufkommen, jedenfalls bei moderaten Steuersätzen.

Ausweichreaktionen sind wahrscheinlich

Um noch ein nennenswertes Aufkommen zu erzielen, das den politischen und administrativen Aufwand rechtfertigt, müssen erheblich höhere Steuersätze erhoben werden. Dann aber sind die Belastungen deutlich spürbar. Ein Vermögensteuersatz von einem Prozent entspricht bei einer Rendite von drei Prozent einer zusätzlichen Ertragsteuerbelastung von 33 Prozent.

Angesichts der vielfältigen Möglichkeiten sind Ausweichreaktionen der Steuerpflichtigen wahrscheinlich. Die Wirtschaftsverbände werden den Untergang der deutschen Wirtschaft oder zumindest der mittelständischen Familienbetriebe heraufbeschwören.

Die pragmatischen Steuerpolitiker bekommen dann schnell Angst vor der eigenen Courage. So wurde und wird die Vermögensteuer zur Unvermögensteuer.

Dr. Stefan Bach ist stellvertretender Leiter der Abteilung Staat am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).

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