Die Republik treibt eine Frage um: Wer sind die anderen 700 möglichen Steuersünder, die im Zuge des prominenten Falles Zumwinkel ins Visier der Steuerfahnder geraten sind? Statt auf andere zu zeigen, "könnten viele Bürger auch bei sich selber kehren", sagt Johann Seipl, Experte für Steuerstrafrecht bei der Münchner Kanzlei Wannemacher & Partner. "Viele Steuerpflichtige haben schon einmal mehr oder weniger bewusst weniger Steuer bezahlt, als sie hätten müssen. Das ist nichts anderes als Steuerhinterziehung, auch wenn nur ein Bruchteil der Fälle geahndet wird." Seipl beschäftigt sich seit 14 Jahren als Anwalt mit dem Steuerstrafrecht. Davor war er als Leiter einer Betriebsprüfungsstelle für das Finanzamt unterwegs. Die SZ erläutert mit seiner Hilfe, wann und womit man sich strafbar machen kann.
Ein bisschen bescheißen tun viele - ab wann wird es kriminell?
(Foto: Foto: dpa)Was genau ist Steuerhinterziehung?
Wer vorsätzlich eine Steuererklärung mit Fehlern abgibt, die zu einer niedrigeren Steuer führt, als tatsächlich angemessen wäre, hinterzieht Steuern. Darauf steht je nach Höhe der vorenthaltenen Steuer und den Motiven eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe. Steckt keine Absicht dahinter, sondern ein Versehen, spricht man von leichtfertiger Steuerverkürzung. Sie wird weniger streng geahndet. "In der Praxis sind die meisten Steuererklärungen und auch die Steuerbescheide objektiv falsch", sagt Anwalt Seipl. "Was strafrechtlich aufgegriffen wird, hängt von einer Mischung aus Willkür und Zufall ab."
Was passiert, wenn die Steuererklärung nicht oder zu spät kommt?
Wer zur Einkommensteuer veranlagt wird und seine Erklärung nicht bis zum 31. Mai des Folgejahres beim Fiskus einreicht, kann sich bereits strafbar machen. Weil dies aber die meisten Bürger wären, wird in der Regel eine Fristverlängerung bis 31. Dezember gewährt. Das heißt, wer vor Ablauf einer verlängerten Frist seine Erklärung einreicht, dem passiert nichts. Im Juni 2009 aber ist Veranlagungsschluss für 2007. Danach gelten die Steuern als hinterzogen, und der Fall kann strafrechtlich verfolgt werden. Wenn schon Daten zum Steuerpflichtigen bekannt sind, ergeht zudem ein Schätzungsbescheid, der ohne Einspruch nach einem Monat verbindlich wird, egal, wie hoch die Steuerschuld ist.
Postchef Klaus Zumwinkel könnte eine Liechtensteiner Stiftung zum Verhängnis werden. Sind Anlagen in Steuerparadiesen per se steuerrechtlich bedenklich?
Man kann sein Vermögen anlegen, wo und wie man will, ist aber natürlich verpflichtet, die Erträge zu versteuern. Der Kauf etwa von Publikumsfonds, die zum Beispiel in Luxemburg aufgelegt sind, kommt häufig vor und ist an sich unproblematisch. Eine solche Anlageentscheidung kann viele Gründe haben, etwa ein höheres Renditeversprechen des Anbieters oder die Tatsache, dass es so ein Wertpapier oder eben einen Fonds in Deutschland nicht gibt. Selbst das Motiv, einen Teil seines Vermögens im Ausland als ,Notgroschen' für schlechte Zeiten anzulegen, ist eine legitime Absicht. "Problematisch wird es, wenn Firmengelder erst kurz vor der Pleite eines Unternehmens ins Ausland geschafft werden, das kann dann ein betrügerischer Bankrott sein", erklärt Rechtsanwalt Seipl.
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