Steuerbetrug:Der Bundes-Ablasshandel

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Wenn das Geld im Kasten klingt, der Täter von der Schaufel springt: Steuerhinterziehung bleibt eine Straftat, aus der man sich günstig herauskaufen kann. Das neue Schwarzgeldbekämpfungsgesetz ändert daran nur wenig.

Heribert Prantl

Früher hieß das Ablasshandel: Wenn ein Sünder viel Geld zahlte, versprach ihm die Kirche dafür die ewige Seligkeit. Heute heißt das "strafbefreiende Selbstanzeige". Der Staat verspricht dem Steuerhinterzieher den Verzicht auf Strafe, wenn er sich bekennt und die Steuer samt Zinsen nachzahlt. Der Paragraph 371 der Abgabenordnung ist quasi die bürokratische Übersetzung des Slogans, den der Dominikanermönch Tetzel erfunden hat: "Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt."

Ein Steuerhinterzieher müsse, um der Strafe zu entgehen, "die Hosen runterlassen bis ganz unten", formulierte es einst ein Steueranwalt. So war es im Gesetzentwurf vorgesehen - trotzdem ist nichts daraus geworden. (Foto: dpa)

Man weiß nicht genau, ob das wirklich funktioniert hat. Heute funktioniert es - gesetzlich garantiert: Selbstanzeige samt Nachzahlung befreit den Steuerhinterzieher von Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft und von richterlicher Strafe: Wenn das Geld im Kasten klingt, der Täter von der Schaufel springt.

Das ist so, das bleibt so und das neue Schwarzgeldbekämpfungsgesetz ändert daran leider nur wenig. Vor einem dreiviertel Jahr freilich bestand allseits viel Einigkeit darüber, dass es mit der schnellen und einfachen Selbstanzeigerei ein Ende haben müssen. Damals waren die Steuer-CDs mit Daten von Steuerhinterziehern aufgetaucht, die ihr Schwarzgeld in der Schweiz deponiert hatten - und es gab einen Wettlauf der Steuerhinterzieher zum Finanzamt, die sich dort noch rechtzeitig, also vor dem Besuch des Betriebsprüfers, die Straffreiheit erkaufen wollten.

In der Politik hieß es damals fast unisono, dass man die Selbstanzeigerei abschaffen oder zumindest sehr erschweren müsse. Ein Steuerhinterzieher müsse, um der Strafe zu entgehen, künftig "die Hosen runterlassen bis ganz unten", wie es ein Steueranwalt formulierte.

So war es eigentlich im ersten Gesetzentwurf auch vorgesehen, aber daraus ist nun nichts geworden. Es soll genügen, wenn der Steuerhinterzieher, um im Bild zu bleiben, seinen Gürtel lockert. Er muss auch nicht reinen Tisch machen, nicht all seine Steuerhinterziehereien bekennen - sondern nur die Straftaten, die strafrechtlich nicht verjährt sind. Für die älteren Steuerhinterziehungen braucht er also keine Steuern nachzahlen. Anders als ursprünglich geplant, gibt es auch keinen Strafzuschlag von fünf Prozent auf nachträglich zu entrichtende Steuern. Kurzum: Steuerhinterziehung bleibt eine Straftat, aus der man sich zu günstigen Marktpreisen herauskaufen kann. Der Finanzminister ist ein Nachfolger des Mönchs Tetzel.

Das ist nur dann akzeptabel, wenn man den Steuerstraftäter als einen besonderen, besseren, privilegierten, weil irgendwie doch letztlich guten Straftäter betrachtet. Wer also Steuerhinterziehung nur für ein lässliches Tun hält, mag es beim geltenden Ablasshandel belassen. Wer Steuerhinterziehung als gemeinschädliche Straftat betrachtet, muss sie behandeln wie andere Straftaten auch. Bei anderen Straftaten gilt die Regel, dass das Gericht Strafe mildern oder von ihr absehen kann, wenn der Täter den Schaden wiedergutmacht. Diese Regel reicht auch für das Steuerstrafrecht.

© SZ vom 24.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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