Steuerbefreiung für Betriebsvermögen:Bundesfinanzhof kippt Erbschaftsteuer

Das höchste deutsche Steuergericht ist überzeugt, dass die seit 2009 geltenden Vorschriften bei der Erbschaftsteuer verfassungswidrig sind. Viele Firmen können seitdem fast steuerfrei vermacht werden. Das geht nach Ansicht der Richter "weit über das Zulässige hinaus", weil Erben von Privatvermögen benachteiligt würden.

Daniela Kuhr, Berlin

Erbschaftsteuergesetz verfassungswidrig?

Ist das Erbschaftssteuergesetz verfassungswidrig? Nun muss Karlsruhe entscheiden. 

(Foto: dpa)

Das Bundesverfassungsgericht wird sich erneut mit der Erbschaftsteuer befassen müssen. Der Bundesfinanzhof (BFH), das höchste deutsche Steuergericht, ist überzeugt, dass auch die seit 2009 geltenden Vorschriften verfassungswidrig sind.

Die Richter stört vor allem, dass Firmenerben im Vergleich zu anderen Erben ohne nachvollziehbaren Grund deutlich besser gestellt werden. Wegen dieser Ungleichbehandlung sei das gesamte Erbschaftsteuergesetz verfassungswidrig, teilten die Richter mit und legten die Vorschriften dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zur Prüfung vor.

2007 hatte Karlsruhe die Erbschaftsteuer schon einmal gekippt, weil Betriebs- und Privatvermögen zu unterschiedlich besteuert wurden. Daraufhin hatte die damalige große Koalition versucht, die Vorschriften nachzubessern. Dabei war sie allerdings sehr bemüht, Betriebe im Erbfall nicht zu stark zu belasten, um keine Arbeitsplätze zu gefährden. Deswegen wurden zahlreiche Ausnahme- und Verschonungsregeln beschlossen. Im Ergebnis hätten sie zur Folge, dass die nahezu steuerfreie Übertragung von Betriebsvermögen auf Erben mittlerweile die Regel und nicht die Ausnahme sei, stellte der BFH nun fest.

"Überprivilegierung" von Betriebsvermögen

Das stört die Richter aus zwei Gründen. Zum einen sei nicht erwiesen, dass die Erbschaftsteuer die Fortführung eines Betriebs gefährde. Schon deshalb stelle die Steuerverschonung eine "verfassungswidrige Überprivilegierung" von Betriebsvermögen dar. Zum anderen eröffneten die Verschonungsregeln bislang jede Menge Möglichkeiten, auch bei großen Barvermögen die Erbschaft- oder Schenkungsteuer völlig legal zu umgehen.

"Beispielsweise indem man eine sogenannte Cash GmbH gründete, deren Vermögen ausschließlich aus Bargeld bestand", erklärt Ulrich Derlien, Steuerberater bei der Augsburger Kanzlei Sonntag & Partner. "Wer die GmbH erbt, bleibt steuerfrei. Wer dagegen unmittelbar das Bargeld erbt, muss Erbschaftsteuer zahlen."

Nach Auffassung der BFH-Richter gehen die Vergünstigungen für Firmenerben "weit über das verfassungsrechtlich Gebotene und Zulässige hinaus". Zumal eines hinzukommt: Um dennoch das "angestrebte Steueraufkommen zu erreichen, werden zugleich die Erwerber von Privatvermögen und sonstigem nicht begünstigtem Vermögen mit höheren Steuern belastet", heißt es im BFH-Beschluss. Das sei "verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt". Sollte Karlsruhe die Bedenken teilen, rechnen Experten allerdings nicht mit einer rückwirkenden Entscheidung. Im Bundesfinanzministerium erwartet man ohnehin, dass die Erbschaftsteuer Bestand haben wird.

Kein Problem sahen die Richter darin, dass Geschwister, Nichten und Neffen im Jahr 2009 kurzzeitig steuerlich genauso behandelt wurden wie familienfremde Dritte. Der im Grundgesetz verankerte Schutz von Ehe und Familie beziehe sich nur auf die Gemeinschaft von Eltern und Kindern, stellten sie fest. In dem Fall hatte ein Mann geklagt, der für das Erbe seines Onkels denselben Steuersatz wie ein nicht verwandter Dritter bezahlen musste. Seit 2010 sind Geschwister, Nichten und Neffen steuerlich wieder besser gestellt.

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