Steueraffäre Liechtenstein:Wo der Wohlstand wohnt

Neue Liechtenstein-Steuerverfahren betreffen meist Verdächtige aus Süddeutschland. In den neuen Bundesländern wurden insgesamt nur neun Verfahren eingeleitet.

Hans Leyendecker

München 220 - Rostock 0. Selten konnten sich Außenstehende so leicht einen Überblick verschaffen, wo die Gutbetuchten wohnen, die in Liechtenstein einen Teil ihres Vermögens vor dem deutschen Fiskus versteckt haben.

Steueraffäre Liechtenstein: 966 Steuerstrafverfahren hat die Staatsanwaltschaft Rostock in den vergangenen Wochen eingeleitet, konnte jedoch in ganz Mecklenburg-Vorpommern nicht einen Kunden der Liechtensteinischen Landesbank entdecken.

966 Steuerstrafverfahren hat die Staatsanwaltschaft Rostock in den vergangenen Wochen eingeleitet, konnte jedoch in ganz Mecklenburg-Vorpommern nicht einen Kunden der Liechtensteinischen Landesbank entdecken.

(Foto: Foto: AP)

966 Steuerstrafverfahren hat die Staatsanwaltschaft Rostock in den vergangenen Wochen eingeleitet, und weil die ostdeutschen Strafverfolger weder im eigenen Gerichtsbezirk, noch in ganz Mecklenburg-Vorpommern einen einzigen Kunden der Liechtensteinischen Landesbank (LLB) entdecken konnten, haben sie alle Fälle an die übrigen 23 Generalstaatsanwaltschaften abgegeben. Zur besseren Übersicht fertigten die Ermittler eine Deutschlandkarte, die sie am Mittwoch auch an Kollegen schickten.

Das Gefälle in der Republik

Dass das Fürstentum nicht nur zu einem Teil von Steuerkriminalität lebt und traditionell der Hort der deutschen Hinterzieher ist, war bislang zumindest Experten bekannt. Dass das Opfer der deutsche Staat ist, der weniger Geld in die Kassen bekommt, wird zunehmend von Vertretern der Parteien beklagt.

Neu aber ist die Wahrnehmung des Gefälles in der Republik: In den neuen Bundesländern wurden insgesamt nur neun Verfahren eingeleitet. In Nordrhein-Westfalen, wo etwa ebenso viele Menschen wie in Ostdeutschland leben, sind es 172 Fälle.

Dass die Bezirke der Oberlandesgerichte München und Stuttgart bei dieser Statistik ganz vorn liegen, hat mehrere Gründe: Die Oase Vaduz ist von beiden Regionen aus in ein paar Stunden zu erreichen. Wer das kleine Land von Rostock aus mit dem Auto ansteuert, muss sich auf eine Tagesreise begeben. Für die meisten Ostdeutschen lag Liechtenstein nie vor der Haustür, sondern war so unerreichbar wie die Fidschi-Inseln: Nur einige Geschäftemacher der DDR hatten in Vaduz Konten.

Überraschend vor Jahren eine Million geerbt

Wichtiger noch: In Stuttgart und München wohnen weitaus mehr Gutbetuchte als im Osten. Außerdem hat auch die Steuerhinterziehung ihre eigene Geschichte. Viele Vermögen von Westdeutschen, die jetzt dank der Hilfe untreuer Bankangestellter in Liechtenstein aufgespürt werden können, wurden schon vor Jahrzehnten angelegt und dann weitervererbt.

Beispielhaft ist der Fall eines ehemaligen Münchner Textilunternehmers, der neulich überrascht feststellte, dass seine Frau vor fünfzehn Jahren vom Stiefvater etwas mehr als ein Milliönchen geerbt hatte. Das Geld war schon lange vorher bei der Fürstenbank LGT in Liechtenstein angelegt worden.

Steuerfahndungen mit den Schwerpunkten Süden und Südwesten

Man habe sich nicht groß drum gekümmert, erklärte der 79-Jährige nach der Entdeckung des Schatzes. Vor Monaten wurde er von nordrhein-westfälischen Ermittlern heimgesucht.

Ausgelöst durch die 966 neuen LLB-Fälle wird es viele der Steuerfahndungen in der Republik mit den Schwerpunkten Süden und Südwesten geben. Das Material der Ermittler wird aber in der Regel nicht für Anklagen reichen. Es ist bei weitem nicht so umfangreich wie die LGT- Papiere.

Im Fall der LLB hatte ein ehemaliger Gruppenleiter der Bank, der (mit Ausnahme der Mitarbeiterkonten und der anonymen Konten) Zugriff auf sämtliche Bankkundendaten hatte, sich zwischen 2000 und 2003 die Konto- und Depotverbindungen von insgesamt 1300 Kunden kopiert. Der heute 60-jährige Kaufmann habe sich "bei seinen Aktivitäten vornehmlich auf wohlhabende deutsche Kunden der LLB spezialisiert", stellte vor Jahren das Fürstliche Landgericht zu Vaduz fest.

Ein Teil der neuen Fälle, die jetzt von Dutzenden Staatsanwaltschaften in der Republik abgearbeitet werden, wird vermutlich auch deshalb nicht zu erheblichen strafrechtlichen Konsequenzen führen, weil die Verjährungsfrist nur fünf Jahre beträgt. Die Ermittler werden aber versuchen, den Nachweis zu führen, dass das schwarze Geld auf dem Konto geblieben ist.

Steuerverwaltung hat einen langen Atem

Die Steuerverwaltung dagegen hat einen längeren Atem - ihre Fälle verjähren erst nach zehn Jahren. Wegen der jetzt aufgetauchten Liechtenstein-Gelder kann der Staat mit Steuernachzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe rechnen.

"Die Kontenbelege weisen ein Kapitalanlagevolumen von insgesamt über einer Milliarde Euro sowie die daraus erzielten Zinseinkünfte aus" vermerkte die Rostocker Staatsanwaltschaft nüchtern. Für Mecklenburg-Vorpommern fallen von diesem Schatz vermutlich wieder mal nur Brosamen ab.

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