Steueraffäre Liechtenstein:Daten in verdaubaren Häppchen

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Wie die Steuerfahnder in Wuppertal die Bochumer Staatsanwälte mit Informationen versorgen.

Hans Leyendecker und Johannes Nitschmann

Damit auch Außenstehende die Innereien des unter dem Aktenzeichen 35 Js 220/07 betriebenen Liechtenstein-Verfahrens besser verstehen, wählt ein Ermittler einen Vergleich: "Stellen Sie sich eine Ladentheke vor. Die Steuerfahndung Wuppertal bedient, die Staatsanwaltschaft Bochum bestellt. Etwa 700 Portionen sind zu verteilen. Nur die Steuerleute kennen die Ware ganz genau."

"Dicke Leute, einfache Fälle", lautete der erste Auftrag. Also leicht nachvollziehbare Sachverhalte wie schlummernde Stiftungen mit gut dokumentierten Zinserträgen - die Spannbreite des gebunkerten Vermögens lag zwischen einer und 20 Millionen Euro. Das waren dann erst mal 120 Verfahren mit 150 Beschuldigten. Ob es nicht etwas mehr sein dürfe, hatten die Steuerleute noch gefragt. Den Strafverfolgern reichte es.

Die nächste Order fiel noch kleiner aus. Material für 20 bis 30 Verfahren stellen die Wuppertaler derzeit zusammen. "Mehr schaffen wir im zweiten Schlag nicht", sagt ein Ermittler. Bei der bevorstehenden Razzia werden Familienstiftungen mit vielen Zu- und Abflüssen im Mittelpunkt stehen. Großbetriebsprüfer sollen hinzugezogen werden, weil bei einigen dieser Stiftungen Schwarzgeld aus Firmen vermutet wird. Also auch "dicke Leute", aber komplizierte Fälle.

Erst die einfachen Fälle

Welle um Welle wird so in den kommenden Monaten anrollen: Dick, dünn, einfach, schwierig. Bis die Ware, Kundendateien der Liechtensteiner LGT Group, der berühmten Fürstenbank, und Interna über Klienten der Vaduzer Vontobel Treuhand AG, von den Strafverfolgern verarbeitet worden ist, können bis zu zwei Jahre vergehen. Das ist eine erste, vorläufige Schätzung der Ermittler.

Dieses Mammutverfahren, das Geschichte machen kann, wollen die Wuppertaler Steuerfahndung und die Bochumer Staatsanwaltschaft nicht aus der Hand geben. Alle Strafbefehle oder Verfahrenseinstellungen gegen Geldauflagen nach Paragraph 153a sollen zentral bearbeitet werden. Lediglich Anklagen außerhalb von Nordrhein-Westfalen werden an die regional zuständigen Justizbehörden weitergereicht.

Seltsam an dem von der EK (Einsatzkommission) Liechtenstein II betriebenen Verfahren ist, dass die Öffentlichkeit mittendrin zu sein scheint und dass sich doch vieles wie hinter Milchglas abspielt.

Während am Dienstag die Bochumer Staatsanwaltschaft vor dem heimischen Landgericht Presseleuten aus aller Welt eine Zwischenbilanz vortrug, wurde zur selben Zeit durch den Hintereingang Hartwig Zumwinkel ins Gebäude gebracht.

Ein Haftrichter verkündete dem älteren Bruder des früheren Postchefs Klaus Zumwinkel förmlich den Haftbefehl. Zumwinkel gestand, der Haftbefehl wurde außer Vollzug gesetzt. Zuvor hatte der 73-Jährige vier Millionen Euro an die Verwahrkasse der Staatsanwaltschaft Bochum als Abschlagszahlung und Kaution überwiesen.

Verfahren voller Untiefen

Die Erklärung der Bochumer Staatsanwaltschaft, Klaus Zumwinkel sei der "exponierteste Fall", außerdem seien keine aktiven Politiker verwickelt, bezog sich nur auf die erste Liste der 150 Fälle. Wer noch drankommen wird, ist den Strafverfolgern im Detail nicht bekannt. Dieses Verfahren ist voller Untiefen und kann noch manchen Prominenten verschlingen. Nach derzeitigem Stand müssen nach der ersten Welle zumindest die Zumwinkel-Brüder damit rechnen, in Bochum wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe angeklagt zu werden.

Dem wegen Steuerhinterziehung verdächtigten bayerischen Datenschutzbeauftragten Karl Michael Betzl, der sein Amt ruhen lässt, droht eine Anklage vor dem Landgericht München.

Dabei dürften die vielen Briefumschläge mit Bargeld, die Ermittler bei ihm entdeckten, nicht ins Gewicht fallen. Die Umschläge soll eine Freundin der Familie, eine Sozialhilfeempfängerin, deponiert haben. Dieser Vorgang sei "rein privater Natur", sagt Betzls Anwalt Leonard Walischewski. Mit den Steuerermittlungen habe dies nichts zu tun.

Es gibt viele Rätsel: Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung ist der in seiner Heimat als Verräter geltende Liechtensteiner Heinrich Kieber, der von deutschen Behörden mehr als vier Millionen Euro für eine Kundendatei der LGT Treuhand erhielt, nicht der einzige Tippgeber in dem großen Spiel.

"Da haben mehrere Mäuse geknabbert", sagt ein Ermittler. Ist das ein Bluff, um nervöse Steuerhinterzieher noch nervöser zu machen oder um die Geldleute im Fürstentum zu beeindrucken?

Die Fürstenbank gibt sich zuversichtlich, dass das den Ermittlern zur Verfügung stehende Datenmaterial "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" nur von Kieber stammt. Es sei 2002 gestohlen worden, also ein bedauerlicher, aber überschaubarer Fall.

Dazu passte aber nicht, wie auch Anwälte von Beschuldigten bestätigten, dass die Fahnder über Material aus dem Jahr 2005 verfügten. Gibt es also mehr als einen Informanten? "Mäuse treten meist im Rudel auf", sagt ein Ermittler.

© SZ vom 1.3.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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