Steuerabkommen mit der Schweiz:Später Sieg für Steinbrücks Kavallerie

Der Steuerstreit ist endlich beigelegt: Deutschland und die Schweiz haben sich auf ein Doppelbesteuerungsabkommen geeinigt. Steuerflüchtlinge können Schwarzgeld also im Nachbarland künftig nicht mehr vor dem Fiskus verstecken. Warum dieser Weg richtig ist.

Claus Hulverscheidt, Berlin

Manchmal muss eben doch die Kavallerie ran. Als Peer Steinbrück der Schweiz vor gut zwei Jahren sinnbildlich mit dem Einmarsch berittener Truppen drohte, sollten die Eidgenossen weiter gemeinsame Sache mit deutschen Steuerhinterziehern machen, war das Geschrei unter hiesigen Hobby-Diplomaten groß.

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Die Flaggen Deutschlands und der Schweiz vor der Unterzeichnung des Doppelbesteuerungsabkommens in Bern.

(Foto: dpa)

Von "Verbalradikalismus" des damaligen Bundesfinanzministers war die Rede und von "Arroganz". Schon seinerzeit wirkte die Empörung vor allem putzig, denn Tatsache war: Hier betätigten sich die Banken eines Landes unter höflicher Duldung ihrer Regierung als Helfershelfer ausländischer Plünderer - und in der Bundesrepublik mokierte man sich über Stilfragen.

Jahrzehntelang hatten deutsche Politiker diplomatisch korrekt gebeten, gebettelt und gefleht, dass die Schweizer Regierung das Gebaren der Geldhäuser unterbinden und dem Wunsch nach Informationsaustausch nachkommen möge. Nichts geschah.

Nun plötzlich, keine 30 Monate nach Steinbrücks öffentlicher Attacke, liegt ein unterschriftsreifer Vertrag auf dem Tisch. Selbstverständlich ist das nicht allein das Verdienst des Ex-Ministers. Noch mehr Eindruck dürfte in Bern vielmehr die Drohung Washingtons gemacht haben, unkooperativen Schweizer Banken schlicht die US-Lizenz zu entziehen.

Und drittens schließlich stieß den Eidgenossen selbst unangenehm auf, dass sich ihr Land auf immer mehr Listen finanzpolitischer Schurkenstaaten wiederfand. Am Ende überwog die Sorge, dass der Imageschaden für die Schweiz ohne Änderungen am Bankgeheimnis größer sein könnte als die Gewinne, die die Geldhäuser mit ihm erzielten.

Mit dem Vertrag versuchen Berlin und Bern nun, ihre völlig unterschiedlichen Interessen unter einen Hut zu bekommen. Dabei folgen sie, vereinfacht gesagt, folgender Logik: Die Anonymität deutscher Kontoinhaber - und damit der größte Wettbewerbsvorteil des Schweizer Finanzplatzes - bleibt prinzipiell gewahrt, im Gegenzug treiben die Banken bei ihren Kunden die Steuer ein und überweisen sie an den deutschen Fiskus.

Das gilt sowohl für die Zukunft als auch rückwirkend bis zum Jahr 2000. Da Letzteres technisch aufwendig ist, werden je nach Dauer, Umfang und Art des Investments Pauschalsteuersätze zwischen 19 und 34 Prozent erhoben. Von 2013 an werden Kapitalerträge dann mit gut 26 Prozent besteuert, also so wie in Deutschland.

Die Opposition bezeichnet diesen Deal als "Ablasshandel" und "Ohrfeige" für alle steuerehrlichen Bürger. Tatsächlich stellt sich die Frage, ob es moralisch wie juristisch korrekt ist, dass der Staat auf sein Strafverfolgungsrecht einfach verzichtet.

Zudem kann man fragen, ob die vorgesehenen Sätze für die Besteuerung der Altfälle mit maximal 34 Prozent nicht zu niedrig sind und ob es klug ist, mit dem Inkrafttreten des Vertrags noch 16 Monate zu warten. Wer will, hat damit mehr als genug Zeit, ein neues Versteck für sein Geld zu suchen.

Warum das Abkommen richtig ist

Diesen triftigen Einwänden stehen allerdings ebenso gewichtige Argumente gegenüber. Das schlagendste ist, dass der jetzige Zustand der denkbar schlechteste und sozial ungerechteste ist, der Vertrag also einen Wert an sich darstellt.

Ebenso bedeutsam ist, dass mit dem Abkommen ein zunehmend belastender Konflikt zwischen zwei Staaten beigelegt und überdies eine verlässliche und wettbewerbsneutrale Regelung für die Zukunft geschaffen wird.

Drittens: Angesichts eines Spitzensteuersatzes in Deutschland von 45 Prozent erscheint der mit der Schweiz vereinbarte Höchstsatz für Altfälle von 34 Prozent angemessen, weil hierzulande Dividenden bis vor kurzem nur zur Hälfte und Gewinne aus Wertpapierverkäufen meist gar nicht versteuert werden mussten.

Und schließlich: Der deutsche Staat kann mit Steuernachzahlungen in zweistelliger Milliardenhöhe rechnen - eine Summe, die keine Strafverfolgungsbehörde je zusammenbringen würde.

Steuerhinterzieher können nun wählen, ob sie zu Recht und Gesetz zurückkehren oder aber noch tiefer in die Illegalität abdriften wollen. Drogen- oder Waffenhändler werden sicher wenig Probleme damit haben, ihr Geld nach Singapur oder auf die Cayman-Inseln zu transferieren. So manchem schwäbischen Handwerker dagegen dürfte bei diesem Gedanken schon wegen der erheblich wachsenden räumlichen Entfernung zu seinem Schwarzgeld unwohl werden, schließlich will er das Ersparte ja eines Tages an seine Kinder vererben. Er erhält durch die jetzt vereinbarte Regelung einen starken Anreiz, sich ehrlich zu machen.

Ganz vermeiden lassen wird sich Steuerflucht auch durch den Vertrag mit der Schweiz nicht, dem weitere, etwa mit Liechtenstein, folgen sollen. So lange Kapitalverkehrsfreiheit herrscht - und daran wird im Ernst niemand etwas ändern wollen -, wird es Menschen geben, die durch das Netz schlüpfen.

Die Maschen dieses Netzes allerdings werden immer enger, der Druck auf unwillige Staaten wächst. Jeder Vertrag aber, den Deutschland mit einem dieser Länder schließt, ist notgedrungen eine Verhandlungslösung inklusive aller damit verbundenen Pferdefüße. Eine andere Möglichkeit hat eine Demokratie nicht.

Die Kavallerie entsenden (die hierzulande nicht einmal mehr als Traditionsregiment existiert, aber das nur am Rande), das will schließlich nicht einmal Peer Steinbrück.

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