Sterben der Bankfilialen:Der Nächste, bitte

Sterben der Bankfilialen: Schon seit Jahren schließen Banken ihre Filialen. Als diese Sparkassen-Filiale um 1900 in Berlin eröffnete, war das noch ganz anders.

Schon seit Jahren schließen Banken ihre Filialen. Als diese Sparkassen-Filiale um 1900 in Berlin eröffnete, war das noch ganz anders.

(Foto: SZ-Photo)

Wer braucht in Zeiten von Internetbanking und Telefonberatung eigentlich noch die Bankfiliale? Nicht viele offenbar, denn immer mehr Geldhäuser reduzieren die Anzahl ihrer Schalter. Stirbt nun das Filialgeschäft?

Von Simone Boehringer

Erst versuchten sie es mit der Abschaffung der Schalter. Offene Theken sollten den Kontakt zwischen Kunden und Bankmitarbeitern offener gestalten - und das Geschäft ankurbeln. Das war in den 1990er Jahren. Dann kam die Automatisierung.

Kunden sollten einfache Dinge wie Geldabheben am Terminal erledigen, im Vorraum. Nur für Beratungsgespräche sollten sie in die Filiale hinein. Die Banken wollten Kosten sparen. Das war nach der Jahrtausendwende, es folgte die "erste Welle des Filialsterbens", wie Martin Faust es nennt, Betriebswirtschaftsprofessor an der Frankfurt School of Finance.

Zuletzt haben es viele Geldhäuser mit einer Art Erlebniskonzept probiert. Die Bank als Shop wie etwa bei einer Vorzeigefiliale der Deutschen Bank in Berlin, Friedrichstraße. Berater, die Kunden schon im Foyer ansprechen. Anderswo wurden Filialen nach Produkten sortiert, wie im Kaufhaus, Bausparen links, Geldanlage rechts, Münzen mittig, alles möglichst offen zugänglich, sogar Terminals wurden zurück ins Innere von Filialen verlegt, um Kunden bei ihren Routinearbeiten am Automaten abzugreifen. "Haben Sie Zeit für ein Gespräch?"

"Die Erträge der Banken sinken seit Jahren"

Nein, haben sie nicht, zumindest immer weniger. Tatsächlich werden vor allem bei der jüngeren Bevölkerung immer seltener Kundenkontakte über die Filialen getätigt, Telefon, Internet, sogar Skype sind als Beratungsmedium für die Finanzbranche zur Alternative geworden im Kontakt mit den Kunden. Die Hypo-Vereinsbank (HVB) hat dazu nun öffentlich Konsequenzen angekündigt und damit eine alte Diskussion neu belebt: Stirbt nun das Filialgeschäft?

Konkret vertritt HVB-Chef Theodor Weimer einen radikalen Umbau des Privatkundengeschäfts, verbunden mit der Schließung vieler Filialen. Schon im Zuge des jüngsten Sparkonzepts schließt die HVB 45 Filialen, derzeit umfasst ihr Netz 584 Filialen.

Überraschend kommt der neuerliche Vorstoß für Branchenfachleute nicht. "Die Erträge der Banken sinken seit Jahren, die Kosten steigen, auch weil die Regulierung mehr Aufwand verursacht" so Bankenprofessor Faust. Es sei daher nur konsequent, nach den Kürzungen in der Verwaltung, "jetzt auch Filialen zu schließen".

Tatsächlich lief das Filialsterben auch bislang schon. Nach dem erwähnten ersten Schub bis 2002 vollzog sich die Konsolidierung in den vergangenen zehn Jahren aber eher schleichend. So gab es 2003 noch fast zweieinhalb tausend Geldhäuser in Deutschland, die knapp 50 000 Bankfilialen betrieben. Zuletzt waren es 2000 Institute mit rund 38 000 Filialen (Grafik), also gut ein Fünftel weniger. Und je nachdem, wie stark eine Bank oder Bankengruppe im Geschäft mit Kleinsparern und Privatanlegern engagiert ist, liegt sie mit dem eigenen Schrumpfungsprozess dabei oberhalb oder unterhalb des Schnitts.

Grafik Bankfiliale

Bankfilialen in Deutschland. Zum Vergrößern klicken.

(Foto: SZ)

In der Stadt wird es schneller gehen als auf dem Land

Der Trend ist klar: "Bis in fünf Jahren werden wir noch mal eine deutliche Reduzierung der Filialdichte sehen. Innerstädtische Schließungen werden schnell gehen, auf dem Land werden die Banken behutsamer vorgehen - um Kunden, die persönlichen Service vor Ort schätzen, nicht an die Konkurrenz zu verlieren", führt Faust aus.

Die Konkurrenz, das sind für die großen Privatbanken Sparkassen und Genossenschaftsinstitute. Ihre Filialdichte liegt traditionell deutlich höher als die der Privaten, haben sie doch den Auftrag, die Bevölkerung (Sparkassen) oder eigene Mitglieder (Genossen) breit mit Dienstleistungen zu versorgen. An der Entwicklung der Kundeneinlagen zeigt sich zudem, dass beide Institutsgruppen vor allem seit Ausbruch der Finanzkrise von einem Zulauf aufgeschreckter Sparer aus dem privaten Sektor profitiert haben. Entsprechend geringer fallen die Schließungsraten aus (Tabelle).

HVB-Chef Weimer lieferte Sparkassen und Genossen jetzt eine willkommene Vorlage, ihre Stärken darzulegen. "Sparkassen haben das dichteste Filialnetz und daran wird sich auch nichts ändern", heißt es beim Deutschen Sparkassenverband. ,"Unsere Marktanteilsgewinne belegen, dass die Filiale bei der Kundenentscheidung weiterhin eine wichtige Rolle spielt. Wir werden uns auch künftig nicht aus der Fläche zurückziehen", verspricht Andreas Martin, Vorstandsmitglied im Genossenschaftsverband BVR.

"Vielleicht läuft es bald wie beim Boarding am Flughafen"

In Zukunft wird es immer mehr darum gehen, präsent zu sein und trotzdem kostengünstig, schon um die eigene Marke zu erhalten, da sind sich Branchenexperten einig. Einen ganz eigenen Weg geht da gerade die Postbank. 2006 erst mit einem eigenen Filialnetz gestartet, das sie der damaligen Mutter Post AG abkaufte, ist das heute zur Deutschen Bank gehörige Institut nicht nur mit 1100 solcher Finanzcenter aktiv.

Die einfachen Dienstleistungen bietet die Postbank zusätzlich in 4500 Partneragenturen bei der Post an und betreibt 3000 Geldautomaten an Shell-Tankstellen. "Vielleicht läuft es bald wie beim Boarding am Flughafen. Ein Terminal dient zehn Banken gleichzeitig als Kontaktpunkt zu ihrer Bank", meint Branchenexperte Faust. Sparkassen und Volksbanken teilen schon heute ab und an dieselben Automaten.

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