Spekulanten verschärfen die Krise:Griechisches Roulette

Griechenland in der Abwärtsspirale: Investoren wetten frech auf eine Pleite des Landes, und das Klima zwischen Berlin und Athen ist vergiftet. Die Nerven liegen blank.

Martin Hesse und Nikolaus Piper

Es mag Zufall sein, dass Josef Ackermann gerade jetzt in Griechenland weilt. Zwar handele es sich um eine normale Geschäftsreise des Deutsche-Bank-Chefs, betont ein Sprecher des Konzerns. Doch Ackermann spricht dort auch mit Regierungsvertretern, womöglich trifft er sogar den Ministerpräsidenten George Papandreou. Zwar dementierte ein Regierungssprecher energisch, es gehe dabei auch um einen möglichen Kredit über 15 Milliarden Euro. Doch dürften der Banker und der Regierungschef sich beraten, wie Griechenland sich in den nächsten Wochen frisches Geld beschaffen kann.

16 Milliarden Euro fällig

Schon diese Woche hatte Athen den Markt sondiert, um über eine neue Anleihe bis zu fünf Milliarden Euro einzusammeln. Das ist noch nicht einmal ein Zehntel dessen, was das Land in diesem Jahr braucht, allein im April und Mai werden 16 Milliarden Euro fällig. Doch gelänge die Aktion, würde dies die Märkte beruhigen und Vertrauen schaffen. Am Freitag aber hieß es in Finanzkreisen, das Land habe die Pläne zunächst verschoben. Zu schwierig schien es, Investoren zu gewinnen, nachdem ein Generalstreik das Land gelähmt und die Ratingagentur Standard & Poor's eine weitere Herabstufung der Bonität angedroht hatte.

Jene deutschen Banken, die sich in der Vergangenheit in großem Stil mit griechischen Anleihen eingedeckt hatten, fallen als Investoren derzeit weitgehend aus. Die Hypo Real Estate als größter deutscher Gläubiger hat knapp zehn Milliarden Euro in Griechenbonds investiert. Anlagen in südeuropäischen Staatsanleihen gehören aber nicht mehr in die Strategie der Bank, heißt es in München. Ähnliches gilt für die Commerzbank-Tochter Eurohypo (3,1 Milliarden Euro) sowie Landesbanken. Sie alle wollen derzeit eher Risiken abbauen.

Noch gibt es aber vermögende Privatinvestoren, die zu investieren bereit und in der Lage sind. Hedgefonds, die zuletzt gegen Griechenland spekulierten, könnten als Käufer der Staatsanleihen auftreten. Auch Versicherer, Pensionsfonds und Staatsfonds kommen als Investoren in Frage. "Es gibt viele, die gerade jetzt auf der Suche nach höheren Zinsen sind", sagte ein Kreditexperte.Dennoch wächst die Angst, dass Athen es nicht schafft, sich frisches Geld zu beschaffen. "Unsere Hauptsorge ist, ob Griechenland zu tragbaren Zinsen Zugang zum Kapitalmarkt hat", sagt Chris Pryce, Analyst bei der Ratingagentur Fitch.

In Finanzkreisen wird darauf verwiesen, dass auch die Polemik deutscher Medien und Politiker gegen Griechenland Spekulanten in die Hände spielt. "Die Hedgefonds klatschen Beifall", sagte ein Marktkenner. Die öffentliche Kritik an Griechenland erschwere Athen die Refinanzierung, damit wachse die Wahrscheinlichkeit, dass Deutschland helfen muss. Empörung hatte in Griechenland unter anderem ein Titelbild des Magazins Focus ausgelöst, das die Venus von Milo mit einem ausgestreckten Mittelfinger neben dem Schriftzug "Betrüger in der Euro-Familie" zeigt.

Zwar sind deutsche Banken allein nicht ausschlaggebend dafür, ob Griechenland genug frisches Geld bekommt oder nicht. Doch erstens ist unklar, ob andere europäische Kreditinstitute sich ähnlich zurückhalten. Zweitens versuchen Banken mit großen Griechenbond-Beständen offenbar, ihr Risiko zu reduzieren. Sie können dies auf zwei Wegen tun. Entweder sie stoßen ihre Anleihen, deren Kurse stark gesunken sind, mit Verlust ab, oder sie kaufen Kreditversicherungen gegen einen Ausfall, so genannte Credit Default Swaps (CDS).

Im Video: Deutsche-Bank-Chef Ackermann hat in Griechenland Regierungsvertreter getroffen. In Finanzkreisen hieß es, Athen habe offenbar finanziellen Beratungsbedarf.

Weitere Videos finden Sie hier

Simple Rechnerei

In der Finanzkrise wurden die CDS berühmt und berüchtigt; sie trugen unter anderem zum Untergang der Versicherung AIG bei. Im Kern sind sie aber ein nützliches Instrument. Ein Investor kann sich mittels eines CDS ganz einfach gegen den Verlust seines Vermögens schützen: Er bezahlt dem Emittenten eine Gebühr und wird dafür entschädigt, wenn der Versicherungsfall eintritt, und die Anleihe notleidend wird. Was einen CDS von einer normalen Versicherung unterscheidet, ist die Tatsache, dass er formal ein Wertpapier ist, das frei gehandelt werden kann. Das macht ihn sehr flexibel, aber auch riskant. Der CDS wird somit von einem Instrument des Schutzes zu einem der reinen Spekulation.

Für die Besitzer von Griechenanleihen ist es ein schlichtes Rechenspiel, ob die Versicherung teurer ist als der Verlust beim Verkauf der Anleihe. Die starke Nachfrage von Griechenlandanlegern nach Absicherung war ein Grund, weshalb die Preise der CDS zuletzt stark gestiegen sind. Ein anderer ist, dass Spekulanten die Instrumente nutzen, um auf eine Pleite Griechenlands zu wetten.

Zu den Menschen, die auf die Schwierigkeiten Griechenlands und Europas gesetzt haben und sich dabei der CDS bedienen, gehört Mark Hart. Der 37-jährige Texaner betreibt in Fort Worth eine Hedgefonds-Firma namens Corriente Advisors. Hart ist extrem verschwiegen. Für Journalisten ist er nicht erreichbar, auf seiner Internetseite erfährt man außer Adresse und Telefonnummern buchstäblich nichts. Das letzte verfügbare Foto stammt aus dem Jahr 2007 und zeigt Hart und seine Frau bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung. Alle Informationen über ihn stammen von Anlegern, die sich gegenüber US-Medien, darunter dem Wall Street Journal und der Agentur Bloomberg, geäußert haben.

Pessimist vom Dienst

Danach ist Mark Hart ein notorischer Pessimist. Er verdiente bereits 2007 mit einer Wette auf fallende Hauspreise in Amerika. Im vergangenen Dezember legte er einen Fonds auf, dessen Strategie auf der Annahme beruht, dass die chinesische Währung Yuan überbewertet ist, ihr Kurs also sinken wird, was komplett der gängigen Marktmeinung widerspricht. Ende 2007, also noch vor der heißen Phase der Finanzkrise, entdeckte Hart Europa. Damals kostete es genauso viel, eine griechische Staatsanleihe gegen Zahlungsausfälle zu versichern wie eine deutsche. Dies konnte nicht den ökonomischen Realitäten entsprechen, musste sich der Texaner gesagt haben. Er tat sich mit Vincent Gave zusammen, einem 36 Jahre alten Ex-Leutnant der französischen Armee, der in Hongkong eine Finanzfirma namens GaveKal betrieb.

Die beiden legten den European Divergence Fund auf, einen Fonds, der insgesamt 250 Millionen darauf verwettete, dass die "Divergenz", also der Unterschied zwischen den Volkswirtschaften Europas zunehmen wird. Europas Schulden würden der "nächste Schuh sein, der fällt", schrieben sie in einem Brief an ihre Kunden. Unter diesen waren Europäer und Asiaten, darunter angeblich auch etliche Fonds, die ihr Geld in Staatsanleihen investiert hatten. Knapp zwei Jahre später zahlt sich die Wette aus. Wie Bloomberg berichtet, wird der Fonds im nächsten Monat 320 Millionen Dollar an die Investoren ausschütten - um Gewinne zu sichern, aber angeblich auch, weil Hart politische Reaktionen fürchtet. Hedgefonds, die auf den Bankrott von Staaten wetten, sind extrem unpopulär.

Spekulanten schießen sich jedoch nicht nur auf Griechenland selbst ein, sie attackieren auch den Euro. Laut einem Bericht des Wall Street Journal haben mehrere große Hedgefonds Wetten auf einen Verfall des Kurses bis auf einen Euro je Dollar abgeschlossen. Im Dezember stand der Kurs noch bei 1,51 Dollar, jetzt ist er unter anderem wegen der Sorge um Griechenland auf 1,36 Dollar gefallen. Zu den Spekulanten soll auch die Anleger-Legende George Soros gehören. Dieser hatte einst erfolgreich gegen das britische Pfund gewettet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: