Spekulanten am Werk:Preisrutsch bei Öl beflügelt die Börse

So rasant der Ölpreis gestiegen ist, so rasant fällt er nun zur Zeit. Die Börsen feiern ausgelassen - zumindest für einen Tag.

Gerd Zitzelsberger

Aufatmen bei Wirtschaft und Anlegern: Der Ölpreis sank am Dienstag auf den tiefsten Stand seit drei Monaten. Zeitweise notierte das Barrel Rohöl knapp unter 117 Dollar und damit 30 Dollar unter der Rekordmarke von Mitte Juli. Der deutsche Aktienmarkt reagierte mit kräftigen Kursgewinnen.

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(Foto: Foto: dpa)

Spekulanten, die auf wieder steigende Ölpreise gesetzt haben, bekommen nach Einschätzung von Marktteilnehmern nun kalte Füße. Sie versuchen in großem Stile ihre Kontrakte zu verkaufen. Denn seit den Rekordmarken vom Juli, als die Preise für ein Barrel (159 Liter) der Nordsee-Sorte Brent bis auf 147 Dollar stiegen, gingen die Notierungen fast ohne Halt nach unten.

Läger nur schwach gefüllt

Überrascht hat dies manchen, weil die weltweiten Öllager vergleichsweise schwach gefüllt sind und die Nachfrage aus den Schwellenländern weiter kräftig zunimmt. "Das Ausmaß und die Breite der Verluste deuten auf Liquidationsverkäufe von Finanzinvestoren hin", hieß es etwa bei Rohstoffanalysten der Commerzbank.

In Europa sanken die Preise am Dienstag deshalb nochmals um zeitweise drei Prozent auf 116,91 Dollar. Nachmittags wurde für die Sorte Brent mit 119,29 Dollar je Barrel wieder ein etwas höherer Preis bezahlt. Auch eine Reihe anderer Rohstoff-Notierungen folgte der Entwicklung am Ölmarkt. Ein Index der Nachrichtenagentur Bloomberg von 26 Rohwaren gab um 3,25 Prozent nach.

Bemerkbar macht sich die jüngste Entwicklung nach Angaben des ADAC auch an den Tankstellen. Der Preis für Diesel betrug am Dienstag im bundesweiten Durchschnitt 1,41 Euro pro Liter, der Preis für Super 1,46 Euro.

Allerdings versuchten die Ölkonzerne ständig "irgendwie den Preis nach oben zu bringen". Den Rekord hatte der Benzinpreis laut ADAC am 5. Juli mit 1,585 Euro erreicht.

An den internationalen Aktienmärkten führten die sinkenden Ölnotierungen zu teilweise kräftigen Kursgewinnen. Der Deutsche Aktienindex lag am Nachmittag um 2,6 Prozent im Plus.

Nicht zuletzt Finanz- und Auto-Werte verbuchten überproportionale Gewinne. Ausgelöst haben die jüngsten Kursbewegungen unter anderem Wetterprognosen. Danach hat sich ein Hurrikan so weit abgeschwächt, dass derzeit keine Gefahr für die Ölförderung im Golf von Mexiko droht.

Für Aufsehen hat daneben ein Kursschwenk des amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Barack Obama gesorgt. Er plädiert jetzt dafür, die strategischen Ölvorräte der Vereinigten Staaten, die in den vergangenen Jahren auf 730 Millionen Barrel angewachsen sind, zur Dämpfung extremer Preisschwankungen einzusetzen.

Mit einem Verkauf von 70 Millionen Barrel könnte die Regierung rasch eine Senkung der amerikanischen Benzinpreise bewirken, sagte er. Außerdem zeichnet sich die Möglichkeit ab, dass die Vereinigten Staaten bislang geschützte Gebiete für die Öl- und Gasförderung freigeben. Die hohen Energiepreise gehören mittlerweile zu den beherrschenden Themen des amerikanischen Wahlkampfes.

Opec beschwichtigt

Die Opec, das Kartell der Förderländer, rechnet allerdings sichtlich nicht damit, dass der Preisrutsch sich in großem Stil fortsetzt.

Mohammed al-Olaim, der Ölminister von Kuwait, jedenfalls hält es für unwahrscheinlich, dass die Opec bei ihrem nächsten Treffen Anfang September beschließt, die Förderung zu drosseln. "Ich glaube, es wird sich nicht viel ändern in nächster Zeit", sagte er in einem Interview mit einer kuwaitischen Zeitung.

Bei der Schweizer Großbank UBS hält man zwar noch einen weiteren Rutsch der Notierungen von etwa zehn Dollar für wahrscheinlich. Aber sollte der Preis unter 105 Dollar pro Barrel sinken, dann müsse man mit einer Produktionseinschränkung auf Seiten der Opec-Staaten rechnen, sagte UBS-Analyst Dominik Schnieder.

Auf die nächsten neun bis zwölf Monate gesehen rechnet die UBS mit einem Preis von etwa 122 Dollar. In einem ähnlichen Bereich liegt etwa auch die Prognose des Londoner Forschungsinstituts Economic Intelligence Unit (EIU).

Langfristig freilich, so heißt es von der UBS bis zur Internationalen Energie-Agentur in Paris, bleibe Öl ein sehr knappes Gut und die Verbraucher müssten sich auf entsprechend hohe Preise einstellen.

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