SMS-Abzocke:1,99 Euro für die große Liebe

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SMS-Abzocker versprechen Sehnsüchtigen, ihnen einen Partner zu vermitteln. In Wirklichkeit geht es nur ums Geld. Nun gibt es erste Urteile.

Hannah Wilhelm

Sie heißen Julia, Manuela, Susanne. Sie sind 19, 23, höchstens 30 Jahre alt. Und natürlich sind sie schön, oft blond, solo und sie glauben an die große Liebe. Denn mit eben dieser verdienen sie ja ihr Geld. Und zwar nicht zu wenig.

Ein Flirt, der keiner ist: Was für manch einen die Hoffnung auf die große Liebe ist, ist für die Betreiber der Callcenter ganz einfach ein großes Geschäft. (Foto: Foto: dpa)

Treffen kann man Julia, Manuela und Susanne nachts in Werbespots, zum Beispiel auf dem Musiksender MTV. Da lächeln sie in die Kamera und eine freundliche Stimme sagt: "Sende ,Julia' an fünfmal die Fünf". Wer dann sehnsuchtsvoll der Aufforderung folgt, "J-U-L-I-A" in sein Handy eintippt und die SMS losschickt, der bekommt Antwort, schnell und immer wieder, freundlich und charmant, flirtend und liebevoll. Und so geht es hin und her, die ganze Nacht, die nächsten Tage. Und jede SMS kostet den Schmachtenden 1,99 Euro.

Julia, Manuela und Susanne heißen gar nicht wirklich so. Sie sind auch nicht 19, 23 oder 30 Jahre alt. Und eventuell sind sie noch nicht mal Frauen. Sie sind einfach Mitarbeiter eines Callcenters, die gerade Dienst haben.

Ganz einfach ein großes Geschäft

Was für manch einen die Hoffnung auf die große Liebe ist, ist für die Betreiber der Callcenter ganz einfach ein großes Geschäft. SMS-Chat nennt man das. Und es bringt Geld. Viel Geld, das die Betreiber in den vergangenen Jahren unbehelligt einstreichen konnten. Verdammt viel Geld, das hoffnungsvoll-verliebte Verbraucher verschämt zahlten.

Doch das könnte bald anders werden. Das Amtsgericht Flensburg hat nun eine Teamleiterin eines solchen Callcenters wegen Beihilfe zum Betrug zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr verurteilt.

Der Vorwurf: Sie habe gutgläubige Handynutzer durch Täuschung dazu gebracht, die teuren SMS zu verschicken. Auch in Braunschweig wurde kürzlich der Betreiber eines solchen Callcenters vom dortigen Landgericht verurteilt - er bekam sogar zweieinhalb Jahre wegen gewerbsmäßigen Betrugs. Und das auch noch ohne Bewährung.

"Diese Urteile klingen zunächst vielleicht unbedeutend - das sind sie aber ganz und gar nicht", sagt Boris Wita von der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein. Es seien Zeichen, wichtige, erste - die Signalwirkung haben könnten. Denn am Landgericht Kiel findet gerade ein großer Prozess statt, ein einzigartiger: Die Staatsanwaltschaft geht gegen sechs Angeklagte vor, die jahrelang ein solches Callcenter betrieben haben sollen.

Die Angeklagten hätten - so der Vorwurf - eine Partnervermittlung vorgetäuscht, um sie zum immer neuen SMS-Schreiben zu animieren. "Drei der sechs Angeklagten sitzen in Untersuchungshaft", erklärt Oberstaatsanwalt Thomas-Michael Hoffmann. Ein riesiger Aufwand sei das Verfahren, "es bindet ungeheure Kräfte, bei Polizei und Staatsanwaltschaft".

Kläger fordern Millionensumme

Die Anklageschrift umfasst 220 Seiten, die Staatsanwaltschaft spricht von 700.000 Betroffenen und einer Schadenssumme von mehr als 46 Millionen Euro. Zunächst waren zwei Verhandlungstage pro Woche angesetzt, mittlerweile wird oft auch an drei Tagen die Woche verhandelt. 53 Fälle werden exemplarisch vorgeführt, jeder der sechs Angeklagten hat zwei Verteidiger.

Eine Schadenssumme von 46 Millionen Euro - und das bei einer Sache, die viele wohl zunächst als Bagatelldelikt abtun würden. Sicher: Im Einzelfall handelt es sich um noch überschaubare Summen von einigen tausend Euro - keine Summe wegen der im Normalfall die Staatsanwaltschaft ermitteln würde. Doch in der Masse entsteht ein erheblicher Schaden.

Hinzu kommt: "Viele Staatsanwaltschaften wagen bisher den Schritt nicht, solche Straftaten, die unter Verwendung moderner Telekommunikationsmittel begangen wurden, zur Anklage zu bringen", erklärt Verbraucherschützer Wita.

Umso bedeutsamer sei der große Prozess, der derzeit vor dem Landgericht Kiel laufe. Auch der Kieler Oberstaatsanwalt Hoffmann bestätigt, man habe sich der Sache genau deshalb angenommen - um keine Grauzonen im Bereich der modernen Telekommunikation zuzulassen. Um ein Zeichen zu setzen.

War es Betrug?

Die wichtige Frage lautet: Handelt es sich bei den SMS-Chats um Betrug oder nicht. Hätten die Betroffenen wissen müssen, dass es sich nicht wirklich um eine Partnervermittlung handelt, sondern eher um einen Service vergleichbar mit dem Telefonsex bei teuren Hotlines. "Dass das Vorgehen zumindest als betrugsähnlich zu bezeichnen ist, dürfte wohl unstreitig sein", sagt Wita.

So habe eine Sekretärin des Callcenters vor Gericht geschildert, dass es ein Handbuch mit dem Titel "Umgang mit SMS-Kunden" gegeben habe. Dort sei beschrieben worden, wie man die Kunden so oft wie möglich zum Antworten bewegen könne. Es käme darauf an, verständnis- und liebevoll zu sein, zu loben, aber nicht zu übertreiben - so das Handbuch.

Verbraucherschützer Wita hofft auf eine Verurteilung in dem großangelegten Kieler Prozess. Denn, so seine Hoffnung: Käme es zu einer Verurteilung wegen Betrugs, hätte das weitreichende Bedeutung für viele Verbraucher, die durch solche oder ähnliche Abzock-Methoden geschädigt worden seien.

Sie hätten dann eventuell größere Chancen, dass Staatsanwaltschaften sich auch ihren Fällen annehmen. Aber Verbraucherschützer Wita und die rund 700.000 Geschädigten werden sich noch gedulden müssen. Oberstaatsanwalt Hoffmann: "Ich befürchte, es wird noch dauern, bis wir ein Urteil bekommen."

© SZ vom 23.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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