Süddeutsche Zeitung

Smart Home:Gefahr aus dem Kühlschrank

Wer haftet, wenn smarte Haushaltsgeräte sensible Daten weitergeben? Verbraucher­schützer wollen die Hersteller in die Pflicht nehmen. Doch die wehren sich.

Von Jochen Bettzieche

Die Heizung aus der Ferne steuern, Rollläden automatisch rauf- oder runterfahren lassen, die Waschmaschine mit dem Smartphone steuern - in immer mehr Haushalte zieht "smarte" Technologie ein. Manchmal ist das praktisch, manchmal nur eine Spielerei. Ohne Risiko ist das allerdings nicht. Ob Einbrüche oder auch nur der Diebstahl persönlicher Daten - Smart Technology erleichtert Kriminellen die Arbeit, beklagen Verbraucherschützer. Vor allem, wenn die smarten Geräte nicht sicher genug gegen Angriffe von außen sind. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) in Berlin fordert daher, die Hersteller der Geräte in die Haftung zu nehmen, wenn Verbrauchern durch einen Hackerangriff auf die Geräte ein Schaden entsteht. Dafür müsste das Produkthaftungsgesetz geändert werden.

Grundsätzlich geht es den Verbraucherschützern um alle Smart-Geräte, ob Kühlschrank, Fernseher oder Smart Meter. Florian Stößel, Referent im Team Recht und Handel, hat sich die Situation angeschaut und kommt zu dem Schluss: "Teilweise sind die Geräte fehlerhaft programmiert oder leicht zu hacken." Entstünden dadurch Schäden, sei unklar, wer dafür haftet. Die Verbraucher bleiben dann darauf sitzen. Das will der VZBV ändern und das Haftungsrecht auf digitale Dienste ausweiten. Die Verbraucherschützer stützen sich auf Untersuchungen, wonach 49 Prozent der Verbraucher, die vernetzte Geräte ablehnen, der mangelnde Datenschutz abschrecke. Mögliche Hackerangriffe und andere Manipulationen durch Kriminelle befürchteten 47 Prozent. Gleichzeitig nehme die Zahl der Angriffe zu, warnt Stößel.

In Zukunft müsse zudem auch Software unter die Produkthaftung fallen, die nicht fest in ein Produkt integriert sei, ebenso Algorithmen und künstliche Intelligenz. "Die digitale Vernetzung von Geräten und Services macht es Verbrauchern schwer, Verursacher für einen Schaden zu identifizieren", erklärt Stößel. Mehrere Hersteller, zum Beispiel in einem Heimnetzwerk, sollten gesamtschuldnerisch haften, wenn eine Schadensursache unklar ist. Dann könnten geschädigte Verbraucher einen beliebigen beteiligten Hersteller in die Haftung nehmen: "Die einzelnen Hersteller müssen dann untereinander ausmachen, wer den Schaden trägt."

Auch die Art der Schäden soll erweitert werden. Bislang definiere das Gesetz nur körperliche Schäden an Menschen oder Sachen. Immaterielle Schäden wie etwa Datenverlust und Datenschutzverletzungen müssten neu darin aufgenommen werden. "Die Produkthaftung kann nicht auf Schäden in der physischen Welt beschränkt sein, wenn sich unser Leben immer mehr in der digitalen Welt abspielt", sagt Stößel. Denn ein Einbruch oder ein Diebstahl persönlicher Daten führe oft auch zu immateriellen Schäden bei den Betroffenen.

Inwieweit auch die Händler in die Verantwortung genommen werden sollen, ist noch nicht abzusehen. Ein Sprecher des Handelsverbands Deutschland warnt: "Produkthaftungsrechtlich darf deshalb keinesfalls der Händler zum Schadenersatz verpflichtet werden, denn er hat den Fehler am Produkt in der Regel nicht zu vertreten." Er kenne in der Regel die Produkte auch nicht gut genug, um Schadensrisiken richtig abzuschätzen.

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hält sich zurück. "Das BSI begrüßt den gemeinsamen Austausch über die interessengerechte Verteilung der Haftungsrisiken bei IoT-Geräten auf Hersteller, Händler und Nutzer in deren jeweiliger Einflusssphäre, vertritt zurzeit jedoch keine konkreten eigenen Forderungen zur Verschärfung des bestehenden Produkthaftungsrechts", erklärt ein Sprecher auf Anfrage.

Der Branchenverband Bitkom lehnt eine Haftung ab, die sämtliche Risiken im Zusammenhang mit dem Einsatz digitaler Technologien dem jeweiligen Hersteller aufbürdet. Darüber hinaus warnt Thomas Kriesel, Bereichsleiter für Steuern und Unternehmensrecht im Branchenverband, davor, die Haftung zu weit auszubauen. "Aus gutem Grund ist die Produkthaftung auf Schäden an Leib, Leben, Gesundheit und Privateigentum beschränkt", sagt Kriesel. Allerdings laufe derzeit auch innerhalb des Verbands die Diskussion, ob die Haftungsvorschriften des geltenden Rechts angepasst werden müssen, um die Besonderheiten digitaler Produkte besser zu erfassen.

Unterstützung erhalten die Verbraucherschützer von der Europäischen Kommission. Die hat im Februar einen Bericht an den Europäischen Rat und das EU-Parlament veröffentlicht. Darin geht es auch um die Haftung im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz, dem Internet der Dinge und Robotik - und wie die EU-Richtlinie zur Produkthaftung aus dem Jahr 1985 an moderne Technologien angepasst werden kann.

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Quelle:
SZ vom 11.04.2020
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