Slowakei sorgt für Ärger in der EU:Winzling verweigert Griechenland-Hilfe

Im Mai waren sich alle Euroländer einig: Griechenland muss gerettet werden. Doch jetzt sieht die Slowakei das plötzlich anders, die neue Regierung lehnt den Hilfsfonds ab.

Es mutet an wie ein Zwergenaufstand. Ausgerechnet die Slowakei, jüngstes Mitglied im Kreis der Euro-Länder und ein wirtschaftlicher Zwerg in Europa, zieht beim Hilfspaket für das hoch verschuldete Griechenland nicht mit.

Proteste in Griechenland

Auf dem Höhepunkt der Euro-Krise herrschte in Griechenland der Ausnahmezustand. Die Menschen gingen auf die Straßen, um gegen die Auflagen für das Hilfspaket von EU und IWF zu demonstrieren. Nun schert die Slowakei aus, deren Regierung die Maßnahmen damals mitgetragen hatte.

(Foto: dpa)

Die neue bürgerliche Regierung in Bratislava pfeift auf die europäische Solidarität - und vergisst dabei, dass eben dieses Prinzip die Europäische Union und die Gemeinschaft der 16 Euro-Staaten zusammenschweißt.

Die Einführung des Euro gilt als Geburt einer Schicksalsgemeinschaft - dies umso mehr seit der Einigung auf den Euro-Rettungsschirm im Mai. Mit ihrer scharfen Kritik am "Bruch der Solidarität" will die EU- Kommission verhindern, dass das Beispiel Schule macht.

Was wäre, wenn andere Länder folgten und sich neue Regierungen nicht mehr an die internationalen Zusagen ihrer Vorgänger hielten? Für die EU eine Horrorvorstellung.

Finanziell kaum Folgen

Der slowakische Finanzminister Ivan Miklos dreht den Spieß um: "Wenn es um die Solidarität von Armen mit Reichen, Verantwortungsvollen mit Verantwortungslosen oder Steuerzahlern mit Bankeigentümern und Bankmanagern geht, dann sehe ich das nicht als Solidarität", zitierten ihn nationale Medien.

Finanziell hat die Weigerung kaum Folgen. Niemand brauche zu fürchten, dass die Finanzhilfe für Griechenland an der Weigerung der Slowaken scheitere, betonte die EU-Kommission. Letztlich geht es um einen kleinen, geradezu symbolischen Betrag. Der Anteil der Slowakei an den Krediten für Athen hätte bei knapp einem Prozent gelegen. Das Land, das erst Anfang 2009 dem Euro beitrat, hätte gerade mal 800 Millionen von den insgesamt geplanten 80 Milliarden Euro der Euro- Länder zu dem Rettungspaket beisteuern sollen. Zum Vergleich: Deutschland zahlt 22,4 Milliarden Euro.

Politisch dürfte die Slowakei nach ihrer Kehrtwende an Einfluss auf der europäischen Ebene verlieren. "Im Kreis der Euro-Länder ist es politischer Selbstmord, dass die Slowaken ausscheren", sagt ein EU-Diplomat.

Vorwurf der Undankbarkeit

Sollte das Land selbst einmal die Solidarität der anderen benötigen, werde es manch einer den Slowaken heimzahlen wollen. In Brüssel wirft man dem jungen EU-Mitglied Undankbarkeit vor. "Die sollten nicht vergessen, wie viel Geld sie selbst schon kassiert haben", verlautet ungehalten aus der EU-Kommission.

Seit dem Beitritt zur Europäischen Union 2004 hat die Slowakei jedes Jahr netto einen dreistelligen Millionenbetrag aus Brüssel bekommen, allein 2008 waren es 725 Millionen Euro. Kurzsichtig sei die Slowakei, heißt es. Das Kreditpaket für Griechenland im Mai habe nicht nur Athen vor der Staatspleite gerettet, sondern eine drohende Kernschmelze der Gemeinschaftswährung Euro verhindert.

"Es geht nicht um Geschenke"

Die Entscheidung der Eurogruppe habe "die finanzielle Stabilität der Eurogruppe insgesamt - einschließlich der Slowakei" gesichert, erklärte EU-Währungskommissar Olli Rehn.

Der Hinweis auf die Armut der Slowakei zieht in Brüssel nicht. Im Wahlkampf hatte die neue christlich-liberale Premierministerin Iveta Radicova gesagt: "Die viel ärmere Slowakei soll nicht die Zeche für die undisziplinierte Haushaltspolitik des reicheren Griechenland zahlen." Kopfschüttelnd spricht man in der EU-Kommission von "Volksverdummung". "Es geht nicht um Geschenke, sondern um Kredite, die Griechenland zurückzahlen muss", sagte ein EU-Diplomat.

EU machtlos

Mit ihren ungewohnt deutlichen Worten will die EU aber darüber hinwegtäuschen, dass sie machtlos ist. Da die Slowakei keinen Rechtsbruch begangen hat, kann die Kommission sie nicht vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen.

Lediglich im Ministerrat können die Staaten über mögliche Sanktionen beraten. Der Ausgang ist völlig offen. "Beim nächsten Treffen der Euro-Finanzminister im September wird es heiß hergehen", prophezeit ein EU-Diplomat. Außerdem herrscht Erleichterung, dass die Slowakei zumindest beim Euro-Rettungsschirm mitmacht.

Auch hier hatte sich Bratislava geziert und im Juli als letztes Euro-Land die Gründungsakte unterzeichnet. Bis zu 440 Milliarden Euro Kredite wollen die Euro-Länder klammen Euro-Partnern in Not bereitstellen.

Der Schirm steht bereit, wurde bislang aber nicht angetastet. "Ich bin erfreut, dass die slowakische Regierung den Weg für die Inbetriebnahme frei gemacht hat", sagte der Chef der Finanzgesellschaft Klaus Regling damals. Am Donnerstag hüllte sich die Euro-Notgesellschaft diplomatisch in Schweigen.

Griechische Wirtschaftsleistung schrumpft rapide

Unterdessen wurde bekannt, dass Griechenland einen hohen wirtschaftlichen Preis für die Hilfspakete von EU und IWF bezahlt. Denn die damit verknüpften strengen Auflagen strangulieren die Wirtschaft des Mittelmeerlandes mehr als befürchtet.

Wie das griechische Statistikamt in Athen mitteilte, schrumpfte die Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal binnen Jahresfrist um 1,5 Prozent und damit stärker als von Analysten prognostiziert, die ein Prozent prognostiziert hatten.

Als Grund nannte das Amt weniger Investitionen und einen deutlichen Abbau der öffentlichen Ausgaben. Gleichzeitig sprang die Arbeitslosenquote von 8,5 auf zwölf Prozent nach oben.

EU und IWF befürchten sogar, dass sich die Quote wegen der schwersten Rezession seit 40 Jahren in Richtung 15 Prozent bewegen wird.

Die Ursache liegt in dem drakonischen Sparprogramm der Regierung. Sie hat wegen der enormen Schuldenlast die Gehälter im öffentlichen Dienst gekürzt und die Mehrwertsteuer mehrfach angehoben, um den 110 Milliarden Euro schweren Rettungsschirm von EU und IWF zu bekommen.

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