Skandalbank IKB:Blick in den Abgrund des Versagens

Eine unveröffentlichte Sonderuntersuchung offenbart: Die angeschlagene IKB hätte ihre Risiken viel früher erkennen müssen.

Hans Leyendecker und Klaus Ott

Das Wort Tumult ist mit dem lateinischen tumere, also anschwellen, verwandt, und der Begriff gibt die Hauptversammlung der Mittelstandsbank IKB im März 2008 einigermaßen wieder. Die Bank war im Sommer 2007 am Giftmüll amerikanischer Finanzpakete aus dem Immobiliensektor fast zugrunde gegangen, und je länger die Veranstaltung dauerte, desto mehr schwoll der Lärm an. Es gab Buhrufe, die Stimmung kochte. Die Aktionäre, die mit den Papieren der Bank viel Geld verloren hatten, wollten wissen, wer versagt hatte. Besonders interessierten sie sich für Details einer 431 Seiten dicken Sonderuntersuchung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers (PwC).

Skandalbank IKB

IKB: Kein Alibi-Papier von der Revision.

(Foto: Foto: AP)

Der damalige Aufsichtsratschef Ulrich Hartmann hatte in seiner Rede nur allgemein gesagt, PwC habe festgestellt, dass der Vorstand die Risikosituation nicht ausreichend dargestellt habe. Kreditlinien seien zwar verlagert worden, die Risiken aber de facto bei der Bank geblieben. Einzelfragen zum Gutachten könnten gestellt, der Bericht aber nicht vorgelegt werden. Es handle sich um eine freiwillige Sonderuntersuchung. Auch auf der außerordentlichen IKB-Hauptversammlung an diesem Mittwoch ist nicht zu erwarten, dass die Aktionäre einen Blick in diesen Abgrund des Versagens werfen dürfen. Dabei könnte die Lektüre das Treffen ungemein beleben.

Erschreckende Ergebnisse

In der der Süddeutschen Zeitung vorliegenden Sonderuntersuchung kommen die Prüfer zu erschreckenden Ergebnissen: Schon früh habe es Hinweise auf Probleme gegeben. Ein Berichtsentwurf der Konzernrevision vom 22. Januar 2004 über die "Möglichkeit nicht unerheblicher Risiken" sei nicht ausgefertigt, sondern von der Revision zurückgezogen worden. Diese sei "nicht bereit" gewesen, dem "Wunsch nach umfangreichen Änderungen des Berichtsinhaltes zu entsprechen". Übersetzt heißt das: Die Revision wollte kein Alibi-Papier fertigen.

Die Tochter-Gesellschaft IKB Credit Asset Management GmbH (CAM), die bei einem Eigenkapital von acht Millionen Euro mit heikelsten Finanzpaketen hantierte, hatte im März 2007 etwa Engagements über 17,9 Milliarden Euro zu betreuen. PwC bemängelt, dass CAM bis Februar 2007 nur einen Geschäftsführer gehabt habe und dies "nicht angemessen" gewesen sei.

CAM-Mitarbeiter berichteten, dass "aufgrund der Arbeitsbelastung" bestimmte Vorlagen nicht fristgerecht oder gar nicht erstellt worden seien. Nach Angaben der IKB-Konzernrevision sei die jährliche Beurteilung bestimmter Ausfallrisiken dadurch "nicht sichergestellt gewesen". Der IKB-Vorstand habe Entscheidungen delegiert und sei deshalb nicht mehr operativ in die Entscheidungsprozesse über Einzelengagements eingebunden gewesen: "Dieses halten wir im Hinblick auf Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der Geschäfte nicht für sachgerecht."

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Warum es mehr als nur ein Warnsignal gab.

Die vernichtende Kritik

Alarmsignale habe es reichlich gegeben. Im Protokoll der ersten Sitzung des CAM-Beirats am 26. Oktober 2006 findet sich die Aussage: "Der Häusermarkt in den USA kühlt schneller ab als allgemein erwartet." Die "Wahrscheinlichkeit eines Worst-case-Szenarios" habe sich erhöht. Dem Beirat gehörten der damalige IKB-Vorstandschef Stefan Ortseifen und drei weitere IKB-Vorstände an.

Breiten Raum nimmt in dem Gutachten eine Anfrage der Deutschen Bundesbank vom 29. März 2007 ein. Sie bittet die IKB angesichts der heraufziehenden Katastrophe in den USA, "Ihre Gesamtengagements auf dem US-Immobilienmarkt" aufzuführen. Hypothekenspezialisten in den USA seien bekanntlich "in zum Teil akute wirtschaftliche Schwierigkeiten" geraten. Die IKB antwortete ausführlich und ausweichend zugleich.

PwC: "Spätestens mit diesem Antwortschreiben bzw. dessen Erhalt mit bankinterner Mitteilung musste den Vorstandsmitgliedern bewusst sein, dass die IKB ein nennenswertes Exposure im Subprime-Segment des US-Hypothekenfinanzierungsmarktes eingegangen war."

Widersprüchliche Mitteilung

Besonders heikel für die Bank ist eine Veröffentlichung vom 20. Juli 2007, in der die Lage als ausgesprochen gut dargestellt wurde. PwC schreibt dazu: "Ohne eine juristische Würdigung vorzunehmen, halten wir die Pressemitteilung vom 20. Juli vor dem Hintergrund des Inhaltes des Antwortschreibens an die Bundesbank für widersprüchlich."

So geht das weiter, seitenlang. Der Fall gibt viele Rätsel auf. Eine der Fragen ist, warum der Bund, der über die KfW viele Milliarden zur Rettung der IKB einsetzte und bei der Hauptversammlung 2008 noch das Sagen hatte, sich einer Publizierung des Berichts widersetzte. Könnte der Blick in den Abgrund auch ein Versagen der staatlichen Aufsicht aufzeigen? Oder geht es nur darum, Schaden von der Bank abzuwenden, die von vielen Aktionären und einer US-Gesellschaft verklagt wird?

Die IKB räumte auf Anfrage der SZ ein, es liege nicht in ihrem Interesse, den Prüfbericht zu veröffentlichen. Es gebe neben den Aktionären, die auf Schadenersatz klagten, weitere mögliche Antragsteller, die Ansprüche geltend machen könnten. Das könne ein "erhebliches Risiko für die Bank" darstellen. Solche Antragsteller würden interne Prüfergebnisse womöglich für ihre Forderungen nutzen. Selbst unbegründete Klagen belasteten die Bank und beeinträchtigen den Sanierungsprozess.

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