Skandal um verzockte Bank-Milliarden:Meine Bank, ihr Verlust und ich

Ein Mann von gestern: Oswald Grübel hat die Credit Suisse saniert, anschließend die schwer angeschlagene UBS. Doch jetzt bezweifeln viele, dass der begnadete Investmentbanker die neue Krise bewältigen kann.

Ob sich der Chef eigentlich hineinversetzen kann in seinen jungen Trader? Ob er sich erinnert, wie das Adrenalin durch die Adern pumpt, wenn man - getrieben vom Zwang auf Erfolg und Gewinn - immer größere Summen setzt und auf einer herzstockenden Achterbahn der Gefühle zusieht, wie die Kurse nach oben oder unten ausschlagen? Denkbar wäre es schon, denn schließlich fing Oswald Grübel, der Chef der nun erneut in Verruf geratenen Schweizer Großbank UBS, auch einmal als Händler an - genauso wie der in London operierende 31jährige Kweku Adoboli, der dem Geldinstitut mit riskanten Spekulationen einen Verlust in Höhe von 2,3 Milliarden Dollar und einen noch wesentlich kostspieligeren Image-Schaden eingehandelt hat.

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Unter Druck: UBS-Chef Oswald Grübel.

(Foto: AFP)

Meistens erfolgreich

Andererseits aber war das Bankengeschäft gänzlich anders, als Grübel in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts in den Anleihehandel einstieg - damals ebenfalls in London, wenn auch nicht bei der UBS, sondern bei deren Erzrivalen und Dauerkonkurrenten Credit Suisse. Auch seine Methoden waren in der Branche nicht immer unumstritten, aber meistens war er erfolgreich - nicht zuletzt für sich selbst. Auf einen dreistelligen Millionenbetrag wird das persönliche Vermögen des 68-Jährigen geschätzt, der es schließlich bis zum Chefposten der Credit Suisse gebracht hatte. Vor der Finanzkrise soll er sogar, so wird geraunt, Milliardär gewesen sein.

Doch seit Grübels Trader-Zeiten hat sich die Banken- und Finanzwelt dramatisch verändert, und manche Beobachter in der Schweiz bezweifeln, ob Grübel, der vor zwei Jahren aus dem Ruhestand geholt wurde, um die UBS zu retten, der richtige Mann für die Zukunft ist. Zwar hatte er einmal als seine drei persönlichen und beruflichen Credos neben der "Macht des gesunden Menschenverstandes" und der Anpassungsfähigkeit auch den Nutzen moderner Technologie erwähnt; aber der Umschwung in der Finanzbranche beschränkt sich ja nicht nur auf Technik und Software.

Leben in der Schweiz

Die wesentliche Veränderung liegt darin, dass alle Banken seit den Verwerfungen der Finanzkrise in den nächsten Jahren von einigen hochfliegenden Träumen Abschied nehmen müssen. Aber Kleinkram war nie die Sache des gebürtigen Deutschen Grübel, der fast sein ganzes Leben in der Schweiz gearbeitet hat. Eines seiner wenigen Hobbys ist, neben dem Golfspiel, der Formel-1-Rennsport, und genauso wenig, wie er die röhrenden Boliden gegen knatternde Gokarts eintauschen möchte, würde er sich wohl freiwillig von den ganz großen Geschäften verabschieden wollen, wie sie gerade das Investmentbanking - seine Spezialmaterie - bietet.

Gerade ein Jahr ist es her, da hatte Grübel seiner Bank eine glorreiche Zukunft prophezeit: Im Jahr 2014, so verkündete er, würde sie einen sagenhaften Vorsteuergewinn von 15 Milliarden Franken einfahren, wovon allein sechs Milliarden aus dem Investment-Sektor kommen würden. Nun aber wird er für das dritte Quartal vermutlich einen Verlust von 500 Millionen Franken verkünden müssen; der Aktienpreis ist vorübergehend auf unter zehn Franken gerutscht, und Anleger und Privatkunden haben das Vertrauen in eine Bank verloren, von der Grübel einst selbst in einem Werbespot stolz sagte, dass "sie alles verkörpert, was eine Bank sein muss".

Rücktritt - nicht doch

Von Rücktritt aber will Grübel nichts wissen - zumindest noch nicht. Er trage zwar die Verantwortung für alles, was in der Bank geschehe, sagte er jetzt. Aber er fühle sich nicht schuldig. Nach Reue klingt das nicht, aber für solche Regungen war der stets griesgrämig dreinblickende Mann nie bekannt. Der Verwaltungsrat hat jetzt einen Ausschuss eingesetzt, der den Vorfall untersuchen soll. Nicht viele glauben, dass Grübel sich halten kann.

Welch ein Absturz. Vor kurzem noch war Grübel von den Schweizer Medien als Ausnahmeerscheinung in der Finanzwelt gepriesen worden. Nicht zu Unrecht: Immerhin hatte er 2002 mit teilweise brachialen Methoden die angeschlagene Credit Suisse aus einem Abstiegsstrudel heraus zu einem Rekordgewinn geführt.

"Dritter Frühling"

Und als der Verwaltungsrat der UBS den Ruheständler 2009 in der Stunde tiefster Not an Bord holte, da wurde erneut ein Wunder von ihm erwartet: Die größte Bank der Schweiz hatte in der amerikanischen Subprime-Krise knapp 20 Milliarden Franken Verluste eingefahren und die Kunden hatten 226 Milliarden Franken Vermögen abgezogen. Außerdem musste die UBS Amerikas Steuerbehörde Bußgelder zahlen und Kundendaten übergeben, bevor sie schließlich - Gipfel der Schmach - mit Schweizer Steuergeldern gerettet werden musste.

Die Aufgabe, vor der Grübel stand, erschien überlebensgroß. Aber der Banker, der sich ohne Studium vom Lehrling bei der Deutschen Bank zum Spitzenmanager hochgearbeitet hatte, nahm die Herausforderung wie selbstverständlich an. Von seinem "dritten Frühling" sprach die Neue Zürcher Zeitung, von einem "Glücksfall für die UBS" schwärmte UBS-Verwaltungsratschef Kaspar Villiger. Am Anfang schien Grübel auch Erfolg zu haben. Im vergangenen Jahr schrieb die Bank wieder schwarze Zahlen: Auf 7,2 Milliarden Franken wurde der Gewinn beziffert; im Vorjahr hatte die UBS noch 2,7 Milliarden Franken verloren. Doch die Folgen der Krise ließen die Bank nicht los. In diesem Sommer musste Grübel seine ehrgeizigen Gewinnziele für 2014 über Bord werfen und stattdessen ein neues Sparprogramm verkünden: 3500 Stellen werden geopfert, damit zwei Milliarden Franken gespart werden können. Das ist fast genau die Summe, die Kweku Adoboli verzockt hat.

Freunde von Oswald "Osi" Grübel - von denen es nicht viele gibt - rühmen seinen schwarzen Humor. Den wird er jetzt brauchen können, vor allem dann, wenn Regierung und Parlament in Bern unter dem Eindruck der Milliarden-Panne eine stärkere Regulierung der Banken vorantreiben. Grübel hatte sich stets vehement gegen staatliche Bevormundung ausgesprochen. Sollte er sie nun selbst indirekt herbeiführen, wäre das die bitterste Ironie in seinem Leben.

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