Skandal-Anleger Helmut Kiener:Reingefallen im Paradies

Der mutmaßliche Anlagetrickser Helmut Kiener schmierte den Vertrieb mit Provisionen - viele Kleinanleger verloren ihr Geld. In Kieners fränkischer Heimat ist das Stammtischmitglied aber beliebt.

Markus Zydra

Schwerwiegende Entscheidungen treffen die Menschen mitunter sehr impulsiv. So auch in diesem Fall. "Der Kumpel eines Freundes war es. Der hat gesagt, dass K1-Fonds eine gute Sache sind. Und er kannte auch einen Finanzberater, der die 'Dinger' verkauft."

Helmut Kiener, Anlagebetrug, dpa

Verlockende Aussichten: Helmut Kiener verlegte den Sitz seiner K1 Invest auf die Virgin Islands und entlockte auch Kleinanlegern deren Geld.

(Foto: Foto: dpa)

Ein 55-Jähriger aus Hessen erklärt mit diesen dürren Worten, warum er vor Jahren 45.000 Euro aus der Hand gegeben hat und zwar an die "K1 Invest Ltd.", mit der exotischen Adresse "Craigmuir Chambers, PO Box 71, British Virgin Islands". Das liegt Tausende Kilometer weit weg, östlich von Kuba. "Ich dachte, das Geld sei in Deutschland", sagt der geschockte Unternehmer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, weil es ihm peinlich ist. Schließlich steht der Name des Besitzers von K1 Invest dieser Tage häufig in der Zeitung.

Grenzenlose Renditewünsche

Es ist der 50-jährige Helmut Kiener aus Aschaffenburg, der vergangene Woche früh morgens in seinem großen Einfamilienhaus von der Polizei verhaftet wurde. Die Staatsanwaltschaft Würzburg wirft dem gelernten Psychologen vor, insgesamt 280 Millionen Dollar unterschlagen zu haben.

Die britische Barclays vertraute Kiener offenkundig 220 Millionen Dollar an, von BNP Paribas in Paris erhielt er 60 Millionen Euro. Die Banken gaben Kiener diesen Kredit, damit er das Geld in seinen Fonds steckt. Das war ein übliches Vorgehen vor der Finanzkrise, als das Geld billig war. Und die Renditewünsche grenzenlos. Als Sicherheit präsentierte Kiener die Einlagen seiner Kunden. JP Morgan Chase in den USA soll auch betroffen sein. Dazu kommen Privatsparer, die in Zertifikate und Genussscheine auf K1-Fonds investiert haben. Der Gesamtschaden, den Kiener angerichtet haben soll, könnte sich auf 600 Millionen Dollar belaufen. Alle sollen sie hereingefallen sein auf die Versprechen von den riesigen Gewinnen.

Mitglied eines Musikerstammtisches

Der Haftbefehl gegen Kiener zeichnet das Bild eines mutmaßlichen Großbetrügers, der, so berichtet die Tageszeitung Mainecho, Ende 2006 von der katholischen Pfarrgemeinde Maria Geburt im Aschaffenburger Stadtteil Schweinheim mit 120.000 Euro die Kosten für die Generalsanierung des Kirchturmes übernommen hat. Zwei Jahre soll Kiener Mitglied des Würzburger Musikerstammtischs gewesen sein. Dort will man ihm nichts Schlechtes nachsagen. Viele hätten sogar ihr Geld bei dem Verhafteten investiert.

Kiener wird in Geschäftskreisen als zurückhaltend beschrieben. Der Familienvater machte einen "gescheiten" Eindruck, wie der Chef eines Finanzvertriebs sagt, bei dem Kiener seine Produkte platzieren wollte. Kiener warb mit 800 Prozent Rendite seit den neunziger Jahren. Eigentlich sollten solche Zahlen misstrauisch machen. Doch immer wieder fallen Menschen darauf herein, beispielsweise weil sie der Empfehlung des Kumpels des besten Freundes vertrauen.

Fonds-Vermittler verteidigen Kiener

Allein in das X1-Indexzertifikat - X1 ist ein Ableger der K1-Fonds - , das von der britischen Bank Barclays ausgegeben wurde, sollen deutsche Anleger rund 50 Millionen Euro gesteckt haben. Noch mehr Kapital dürfte in die K1-Genussscheine investiert worden sein. Diese Papiere sind gesetzlich ungeregelt und die Gewinnausschüttungen an besondere Bedingungen geknüpft, mitunter müssen Anleger für Verluste geradestehen.

Finanzvermittler verdienten viel Geld

Einen solchen Genussschein hat auch der zerknirschte hessische Unternehmer für seine 45.000 Euro gezeichnet. Sein Finanzberater, der ihm das Wertpapier verkauft hat, vertröstet ihn gerade mit den Worten: "Kiener ist unschuldig, es ist eine große Verschwörung, die Anwälte prüfen gerade, wie man vielleicht doch noch das Geld zurückgeben kann." Alle von der SZ kontaktierten Vermittler von Kiener-Fonds verteidigten den 50-Jährigen.

Die Finanzvermittler haben mit Kiener-Produkten über die Provisionen viel Geld verdient. "Neben den sechs Prozent Ausgabeaufschlag kam noch eine Bestandspflegeprovision von 1,75 Prozent jährlich dazu", sagt einer aus der Branche. Das sei das Dreifache dessen, was Vermittler beim Verkauf normaler Investmentfonds erhielten. "Der Vertrieb dieser Produkte ist vermutlich nicht über Banken oder Vermögensverwalter, sondern wie im Falle Phoenix nur über Finanzdienstleister erfolgt", sagt Frank Erhard, Vorstandschef von Rising Star, einem Anbieter alternativer Investments.

Schicke Prospekte reichten

Im Jahr 2005 wurde bekannt, dass Phoenix Kapitaldienst 30.000 Anleger um rund 400 Millionen Euro betrogen hatte. Ebenso wie die Phoenix-Verantwortlichen ging auch Kiener mit einer angeblich genialen Handelsstrategie hausieren. Und vielen Kunden reichte es, wenn Kiener seine Erfolge in schicken Prospekten darlegte. Laut Haftbefehl hat er das Geld allerdings für sich, seine Flugzeuge, Hubschrauber, Häuser und Mitarbeiter abgezweigt. Verlangte ein Sparer sein Geld zurück, bezahlte er es wohl aus dem Kapital der Neukunden.

Kiener bekam von 2002 an Ärger mit der deutschen Finanzaufsicht Bafin und registrierte seine Fonds daraufhin auf den britischen Virgin Islands. Deutsche Profis wussten, dass man die Finger von seinen Produkten lässt, was den Briten, Franzosen und Amerikanern offenbar entging. Manche wussten aber auch, dass die K1-Produkte ideal sind für bestimmte Zwecke. "Ich habe in den letzten Jahren immer wieder aus Finanzkreisen gehört, dass in die K1-Fonds vor allem Schwarzgeld geflossen ist", sagt der Fondsanalyst Heinz Gerlach.

Fonds in Lebensversicherung verpackt

Der K1-Fonds wurde über Vertriebsleute in Asien und Lateinamerika verkauft. Auch im deutschsprachigen Ausland gelang Kiener ein Coup: Er ließ seine Fonds in eine Lebensversicherung verpacken. Die Vienna Life in Lichtenstein trat als Verkäufer auf. Das Unternehmen gab jetzt bekannt, dass rund 1600 Policen im Wert von 10 Millionen Euro an Sparer verkauft wurden. Anwälte wollen gegen Vienna Life vorgehen.

"Hier könnte Prospekthaftung vorliegen, ebenso wie bei Barclays-Zertifikaten", sagt der Anwalt Peter Mattil. "Schließlich wurde in dem Barclays-Prospekt mit Kiener geworben", so Mattil: "Auch die Gesellschaften bürgerlichen Rechts sind erwähnt, wegen denen Kiener die Verbotsverfügung der Bafin bekommen hatte."

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