Süddeutsche Zeitung

Service für Mieter:Helfer im Haus

Schulden, Streit mit Nachbarn, hilfsbedürftige Senioren: Wie sich Sozialarbeiter um Mieter kümmern.

Von Gudrun Passarge

Morgens, halb acht. Ein Möbelwagen fährt vor, die Packer sollen eine Wohnung zwangsräumen. Sie klingeln und finden eine junge Frau im Bett vor. Sie schaut überrascht und sagt, sie habe von nichts gewusst, und ihre Mutter sei in Kur und wisse auch von nichts. "Aber das kann nicht sein, die Mieter bekommen vier Wochen vorher Bescheid", sagt Hildegard Daniel, Sozialpädagogin der GWG Gemeinnützige Wohnstätten- und Siedlungsgesellschaft.

Sie ist ebenso wie ihre drei Kollegen im Team bemüht, solche Fälle zu verhindern und gemeinsam mit den Leuten vorher nach Lösungen zu suchen - sofern diese das wollen. Woran auch die Wohnungsbaugesellschaft ein vitales Interesse habe, denn eine Zwangsräumung koste die GWG zwischen 15.000 und 20.000 Euro mit allen Nebenkosten, rechnet Armin Hagen, Leiter der Hausbewirtschaftung, vor. Mietschulden, Nachbarschaftskonflikte, Vandalismus in der Wohnung, hilfsbedürftige Senioren - der Einsatzbereich der Sozialpädagogen ist vielfältig.

Gute Gespräche

Bereits seit 1997 ist Hildegard Daniel bei der GWG angestellt, nach und nach folgten ihre Kollegen, die letzte im Januar dieses Jahres. Die Sozialpädagogen hätten die Kontakte zu den sozialen Diensten und überblickten das Netzwerk, sagt Hagen, "das schafft man als Verwaltungsmensch nicht. Das ist eine völlig andere Welt." Früher sei es zum Beispiel vorgekommen, dass drei Ansprechpartner eine Familie besucht hätten, heute werde das von einer Person geregelt, die den Mietern auch nach Rücksprache mit der Hausverwaltung konkrete Vereinbarungen vorschlagen könne.

Allein in diesem Jahr habe sie bereits 200 Fälle gehabt, sagt Daniel. Etwa die alte Dame, die Probleme hat, Stufen zu überwinden und deswegen eine andere Wohnung braucht. Oder sie kümmert sich um Familien, die Mietschulden haben und deswegen von der Zwangsräumung bedroht sind. "Ich besuche die Mieter zu Hause. Wir besprechen dann, wie die Schulden entstanden sind und welche Ressourcen sie haben." Gerade bei Familien sei oft ein ganzer Schuldenberg aufgelaufen, von Kindergarten- bis zu Kreditschulden. Zum Teil seien es "falsche Konsumgewohnheiten" und leichtfertige Kredite, die zu den Problemen geführt hätten, zum Teil seien es Arbeitslosigkeit oder Krankheit.

Daniel schickt die Mieter zur Schuldnerberatung oder nimmt zu sozialen Diensten Kontakt auf, beispielsweise über "Regsam", das regionale Netzwerk für soziale Arbeit in München. Oder sie weist auf die Möglichkeit hin, Wohngeld oder die staatliche Grundsicherung zu beantragen. Möglich sei auch, die Rentenversicherung oder das Arbeitsamt zu bitten, die Miete direkt auf das Konto der GWG zu überweisen.

Nutzt jedoch alle Beratung nichts und nehmen die Mieter die Vorschläge von Daniel nicht an, kommt die fristlose Kündigung - wenn zwei Monate lang keine Miete bezahlt worden ist und die Mieter auch keine Bereitschaft zeigen, der Wohnungsgesellschaft entgegenzukommen. Das muss aber schon eine komplette Verweigerungshaltung sein, denn wie Hagen sagt: "Wir nehmen auch Ratenzahlungen von fünf oder zehn Euro an. Es genügt uns, zu sehen, dass die Mieter versuchen, ihre Schulden in Ordnung zu bringen."

Junge und ältere Männer oft betroffen

Außerdem gibt es da noch die Fachstelle für die Behebung und Vermeidung von Obdachlosigkeit der Stadt München, mit der Daniel eng zusammenarbeitet. Sie ist im Sozialbürgerhaus angesiedelt. Dort könnten Betroffene beispielsweise ein Darlehen über den Betrag der offenen Mietschulden beantragen, wenn sie die Mittel sonst nirgendwoher bekommen.

Trotz all dieser Möglichkeiten gibt es immer wieder Menschen, die sich dem Hilfsangebot verweigern. "Sie haben resigniert und leeren oft ihre Briefkästen nicht mehr - weil sie auch keine angenehme Post mehr bekommen", sagt Daniel. Häufig handele es sich um junge Männer, die ihre erste Wohnung bei der GWG bezogen hätten, oder aber um ältere Männer, die zuvor in einer betreuten Einrichtung gewohnt hätten und nun wieder alleine wohnen sollten. In diesen Fällen arbeiten die GWG-Sozialarbeiter eng mit kirchlichen Hilfsorganisationen wie der Katholischen Männerfürsorge oder dem Evangelischen Hilfswerk zusammen, die auch eine Nachbetreuung übernehmen. Stellen sie fest, dass es nicht funktioniert, kehren die Klienten wieder in die betreute Einrichtung zurück.

Aber Hagen betont: "Wir möchten gerne unsere Mieter so lange wie möglich behalten." Die GWG mit ihren 26.000 Wohnungen für kleinere und mittlere Einkommensbezieher betrachte es als ihre Aufgabe, die Mieter auch gut zu versorgen und zu betreuen. Das bedeutet auch, Streitfälle zwischen den Mietern zu regeln. Gerade nehmen vier Mitarbeiter an einem Mediationslehrgang teil, um später zwischen Streitparteien besser vermitteln zu können.

Manchmal jedoch reichen alle Fähigkeiten der Helfer nicht aus. Wie im Fall einer Familie, die 1965 in ein Haus eingezogen war. "Seitdem gab es immer wieder Zoff - wegen jeder Kleinigkeit. Da gibt es mehrere Meter Akten dazu", sagt Daniel und schildert, dass sich die Nachbarn dort Müll vor die Haustür gekippt hätten. Doch notorische Streithähne sind die Ausnahme, genauso wie Zwangsräumungen.

Die Wohnungsunternehmen profitieren vom sozialen Management. Die Fluktuation ist niedriger, der Leerstand auch. Auch Armin Hagen kommt zu der Einschätzung: "Unsere Sozialpädagogen rechnen sich, das können wir nachweisen." Als Beleg führt er Zahlen an: Vor 1997 gab es mehr als hundert Zwangsräumungen jährlich, 2008 waren es nur noch 54.

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Quelle:
SZ vom 16. 10. 2009 /als
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