Seniorenapartment:Ein Platz für später

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Erst vermieten, dann selber einziehen: Der Kauf eines Pflegeapartments kann eine sinnvolle Anlage sein, hat aber auch seine Tücken.

Von Marianne Körber

Der Gesundheitsmarkt und der Wohnungsmarkt haben eines gemeinsam: Auf beiden lässt sich viel Geld verdienen. Das Institut Arbeit und Technik (IAT) hat festgestellt, dass der Gesundheitssektor zum wichtigsten Ziel von Finanzinvestoren geworden ist. Deren Geschäftsmodell basiert darauf, Krankenhäuser, Arztpraxen und Pflegeheime zu kaufen, zu restrukturieren und wiederzuverkaufen. Seit dem Jahr 2013 gab es dem Institut zufolge etwa 130 Übernahmen von Unternehmen im Gesundheitssektor. Besonders gefragt waren demnach Pflegeheime und Pflegedienste. Bei den Käufern handele es sich überwiegend um kapitalkräftige, fondsbasierte Private-Equity-Gesellschaften, also privates Beteiligungskapital. Die in Deutschland aktiven Fonds zahlten ihren Anlegern Zinsen im zweistelligen Prozentbereich, heißt es beim IAT - in Nullzinszeiten.

Anbieter von Sozialimmobilien relativieren Aussagen über so beträchtliche Gewinne. Die Kölner Berater- und Vermittlerfirma Terranus beispielsweise, zu deren Kunden vor allem Großinvestoren wie Banken, Versicherungen, Versorgungswerke und Fonds gehören, stellt in einem "Fakten-Check" fest: "Von zweistelligen Renditen sind sowohl Eigentümer als auch Betreiber weit entfernt." Häufig würden die unterschiedlichen Renditekennziffern "wild durcheinandergeworfen". Im bundesdeutschen Durchschnitt liege die Nettoumsatzrendite eines Pflegeheimbetreibers, also das Betriebsergebnis bezogen auf den Umsatz nach Abzug von Steuern, Zinsen und Miete, bei drei Prozent. Und bei den Immobilieneigentümern betrage die Nettorendite, bezogen auf das investierte Kapital, etwa vier Prozent.

Ein neuer Pflege-TÜV soll die Suche nach einem guten Heim erleichtern

Drei, vier Prozent, immerhin. Oder im Vergleich zu Tages- und Festgeld ausgedrückt: ganz schön viel. Kein Wunder, dass auch Privatleute mitmischen wollen auf dem Markt für Pflegeimmobilien, also bei Apartments, die sich in Pflegeheimen oder Wohnheimen mit angeschlossener Pflege befinden. Terranus-Geschäftsführer Markus Bienentreu schätzt, dass Kleinanleger 2018 mehr als 500 Millionen Euro in Pflegeapartments investiert haben, vermutlich auch mit Blick auf die spätere Rente.

Erst Miete für ein Pflegeapartment kassieren, dann im Fall der Fälle selbst einziehen, das klingt vernünftig. Und das Angebot ist offenbar groß; wer googelt, findet unter der Eingabe "Pflegeimmobilien kaufen" mehr als 59 000 Einträge. Die Anbieter versprechen sichere Wertanlagen mit hohem Gewinn. Anders als bei normalen Wohnungen gebe es hier kein Risiko durch Leerstand, da der Betreiber der Einrichtung gleichzeitig der Mieter des Appartements sei und auch während eines Leerstands Miete zahle, heißt es beispielsweise bei "Wohnen im Alter", einem Onlineportal für Seniorenwohn- und Pflegeeinrichtungen. Zudem bestehe für den Eigentümer eine hohe Sicherheit durch eine lange Mietdauer von etwa 20 bis 25 Jahren. Und wem das alles als Kaufargument nicht genügt, kann sich noch die These eines bayerischen Anbieters zu eigen machen - wer in Pflegeimmobilien investiert, tue etwas Gutes, denn er trage dazu bei, dass Hilfsbedürftige einen der so dringend benötigten Plätze mit guter Versorgung bekämen.

Wie gut die Versorgung tatsächlich ist, dürfte nicht nur die Heimbewohner und deren Angehörige interessieren, sondern auch die Anleger. Denn wenn ein Haus nicht gut geführt ist, drohen trotz Pflegeplatzmangel Unterbelegung und finanzieller Schiefstand des Betreibers. Privatleute haben darauf kaum Einflussmöglichkeiten - ein Grund, warum manche Experten Kleinanlegern von einem solchen Engagement abraten. Terranus-Geschäftsführer Bienentreu rät Anlegern jedenfalls zur Vorsicht: "Ein Pflegeheim ist eine Spezialimmobilie, deren Erfolg oder Misserfolg auch vom unternehmerischen Geschick des Betreibers abhängt. Das ist für Privatinvestoren ohne tief gehende Marktkenntnis sehr schwer einzuschätzen."

Allerdings tut sich was auf dem Pflegemarkt. Derzeit wird ein neuer Pflege-TÜV eingeführt, der für mehr Transparenz sorgen und die Suche nach einem guten Heim erleichtern soll. Nach Angaben des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) soll dabei nicht nur die Pflege, sondern auch das Heim selbst bewertet werden, etwa Personalausstattung, Erreichbarkeit und Service. Die Prüfungen sollen diesen November beginnen und bis Ende 2020 abgeschlossen sein.

Dass es bei Pflegeimmobilien einen großen Bedarf gibt, ist unumstritten. Nach Angaben der Stiftung Patientenschutz müssen jedes Jahr mehr als 300 000 Pflegebedürftige eine stationäre Einrichtung finden, 820 000 Pflegebedürftige werden derzeit vollstationär in Heimen betreut. Sie beziehungsweise die Angehörigen müssen für die Heimunterbringung viel Geld bezahlen, laut Verband der Ersatzkassen (VDEK) im Durchschnitt 1830 Euro - aus eigener Tasche, die gesetzliche Pflegeversicherung übernimmt lediglich den "Rest" der Heimkosten, die eigentlichen Pflegeausgaben. Wenn das Vermögen für die Unterbringung im (nach den gesetzlichen Regelungen förderungswürdigen) Heim nicht ausreicht, springt die Sozialkasse ein; manche Anleger sehen darin so etwas wie eine staatliche Mietgarantie.

Der AWO-Bundesverband kritisiert den hohen Eigenanteil fürs Heim und weist darauf hin, dass die Kosten weit höher sind als das durchschnittliche Renteneinkommen - eine Tatsache, die weiten Teilen der Bevölkerung nicht klar ist. Nach einer Umfrage im Auftrag der Postbank meinen 43 Prozent der Befragten, dass die gesetzliche Pflegeversicherung die Kosten für einen vollstationären Pflegeplatz in voller Höhe übernimmt - ein Irrtum. Und 21 Prozent gehen von einem Eigenanteil von unter 1000 Euro aus.

Vorsorge fürs Alter ist also dringend geboten. Wer in Pflegeimmobilien investieren will, erhält meist Angebote mit umfassendem Service, der auch die Instandhaltung der Apartments abdeckt. Das oft versprochene bevorzugte Belegerecht, wenn der Investor selbst einmal pflegebedürftig werden sollte, hat allerdings einen kleinen Haken - eine Eigenbedarfskündigung gibt es hier nicht, der Betroffene muss warten, bis in dem Heim etwas frei wird.

Und die Preise für so ein Investment? Sind oft recht günstig. In München-Trudering beispielsweise wurde vor Kurzem ein neues Pflegeapartment mit 53 Quadratmetern verkauft zum Preis von knapp 135 000 Euro. In Erlangen entstehen Apartments mit 58 Quadratmetern zum Preis von 175 000 Euro.

Doch es gibt auch Nachteile für Käufer. Diese binden sich langfristig an ein Unternehmen und dessen fachliche Kompetenz. Und wer schnell Geld braucht, könnte Probleme bekommen. Zwar ist eine Veräußerung - wie auch eine Schenkung, Vererbung oder Beleihung - möglich und die Pflegeimmobilie über das Grundbuch abgesichert, sie ist aber nicht immer so leicht zu verkaufen wie eine Eigentumswohnung. Bienentreu: "Daher scheidet aus unserer Sicht eine solche Investition für Anleger mit einem kurzen Anlagehorizont aus." Für langfristig planende Sparer könne sie aber eine sinnvolle Anlagealternative sein.

Schwierig wird ein Verkauf vor allem dann, wenn die Immobilie ungünstig gelegen ist - die Lage spielt auch hier eine tragende Rolle. Idealerweise soll das Pflegeheim auch "zweitverwendungsfähig" sein, so Bienentreu, das heißt beim Ausfall des Betreibers soll ein anderer Betreiber zu zumindest ähnlichen Konditionen den Betrieb übernehmen können. Das Risiko, dass eine Betreibergesellschaft pleitegeht, wird aber eher als gering eingeschätzt. Die Berater- und Wirtschaftsprüferfirma Ernst & Young schätzte die Ausfallwahrscheinlichkeit einmal auf 1,5 Prozent. Wer weniger Geld anlegen, aber in Pflegeimmobilien investieren will, kann das über offene oder geschlossene Fonds tun, wobei letztere wegen des Risikos eines Totalverlusts und der oft hohen Mindesteinlagen für Kleinsparer wenig geeignet sind. Wer sich dennoch an geschlossene Fonds wagen will, sollte dies nur als Beimischung in einem aus verschiedenen Geld- und Sachwertanlagen bestehenden Portfolio tun, empfiehlt Immobilienexperte Werner Siepe. Er hat selbst Anlegererfahrung im Pflegebereich und "ist damit bis heute gut gefahren".

Auch wenn die finanzielle Seite stimmt, eine Frage dürften sich potenzielle Anleger derzeit dennoch stellen: Wie viel Privatwirtschaft verträgt ein so sensibler Bereich wie der Gesundheitsmarkt?

© SZ vom 13.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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