Selbstkritik eines Fondsmanager:Geldanlage ist reine Glückssache

Investor Bill Gross wettert in einem öffentlichen Brief gegen seine Zunft. Egal ob Buffet, Soros, Fuss oder er selbst - nicht ihr Können habe ihnen Erfolg gebracht. Es war das Glück, zur richtigen Zeit gewirkt zu haben.

Von Silke Bigalke

Es ist ein als Selbstkritik getarnter Rundumschlag gegen seine Zunft, den Investor Bill Gross da in seinem monatlichen Newsletter veröffentlicht hat. Der Tenor ist etwa der: Ich bin gar nicht so großartig - und Warren Buffett vielleicht auch nicht. Nicht ihr Können habe die Ikonen unter den Investoren groß gemacht, so die These von Gross.

Es war das Glück, in einer für sie günstigen Epoche gewirkt zu haben. Überschrift der Selbstreflektion: "A Man in the Mirror" - ein Michael Jackson Song. Die Moral: Wenn man die Welt besser machen will, muss man bei sich selbst anfangen. Damit es auch dem letzten klar wird, postet Gross ein Foto von sich im Spiegel.

"Beim Blick in den Spiegel bewertet sich der Durchschnittsmensch auf einer Skala von eins bis zehn in der Regel mit einer Sechs plus oder einer Sieben", schreibt Gross. Leider sei die eigene Überzeugung oft meilenweit von der Realität entfernt.

Investoren müssen sich neuem Zeitalter anpassen

Genauso kann irren, wer sich für einen großartigen Anleger hält. "Es weilt kein Bond-König, Aktien-König oder Investment-Souverän unter uns, der Anspruch auf einen Thron hätte. Denn jeder von uns, selbst alte Hasen wie Buffett, Soros, Fuss, und ja - auch ich, hat seine Laufbahn im vielleicht vorteilhaftesten Zeitraum begonnen, im attraktivsten Zeitalter, das Anleger erfahren durften", schreibt Gross. Er beschreibt die Zeit seit den frühen 1970er Jahren als eine Zeit, in der man bequem Renditen erzielen konnte ohne eine Pleite dafür zu riskieren, und in der dank Kreditausweitung genug Liquidität vorhanden war. In dieser Zeit wuchs sein Unternehmen Pimco, das er 1971 mitgründete, zum größten Vermögensverwalter für Anleihen.

Was, wenn sich die Zeiten ändern? Bereits 2009 hat Gross von einer "neuen Normalität" gesprochen, mit geringem Wachstum und hoher Arbeitslosigkeit. Ein Anleger könne seine Großartigkeit nur beweisen, wenn er es schaffe, sich an ein neues Zeitalter anzupassen. Bisher scheint niemand Gross überzeugt zu haben, alle Kollege bekommen ihr Fett weg: Peter Lynch nennt Gross einen "Langweiler".

Auch Buffet ist kein König

Er trat 1990 als Investmentfondsmanager bei Fidelity zurück. Wie seine "Kaufe, was du am besten kennst"-Philosophie wohl die Dotcom-Blase oder Lehman-Krise überstanden hätte, stehe auf einem anderen Blatt, schreibt Gross. Bill Miller, Chef von Legg Mason Capital Management, möge ein großartiger Investor sein, müsse dies aber auch in einer künftigen Epoche unter Beweis stellen.

Und Großinvestor Warren Buffett? Kein König vielleicht, aber das "Orakel", das spricht ihm Gross nicht ab. "Doch ob er und andere sich noch anpassen werden, wenn wir in ein neues Zeitalter eintreten?" Eine berechtigte Frage, Buffett ist 82 Jahre alt, ebenso wie George Soros, der damit berühmt wurde, dass er erfolgreich gegen das britische Pfund wettete. Und Gross? Der wird in den nächsten Tagen 69.

Ist ihr Erfolg, nach so vielen Jahren, tatsächlich nur Glück? "Wie viele Münzen müssen geworfen werden, bevor die Anreihung aus Köpfen darauf schließen lässt, dass es sich um eine Münze mit zwei Köpfen handeln muss?" fragt Gross. Der hat mit 40 Jahren Pimco bereits eine Epoche gemeistert. Und sich auch schon ordentlich verzockt, etwa als er vor ein paar Jahren gegen US-Staatsanleihen wettete. Zweifelt er wirklich an sich selbst? Nein. Gleich, für wie selbstgefällig der Leser ihn halte, schreibt er zum Schluss: "Ich habe mich eben im Spiegel betrachtet und mindest eine Sieben gesehen."

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