Scoring in Deutschland:Weiblich, ledig, jung - Pech!

Ganz egal ob Handyvertrag oder Kreditvergabe: Nahezu jeder Kunde wird von Unternehmen unbemerkt auf Zahlungsfähigkeit überprüft. Die Methoden sind teilweise diskriminierend.

Daniela Kuhr

Die Werbung der Bank klang gut: Schon für 4,5 Prozent Zinsen sollte es einen Kredit geben. Doch als der Kunde tatsächlich unterschreiben wollte, kamen am Ende elf Prozent zusammen. Das ist nicht etwa die Ausnahme, sondern die Regel, wie der Bundesverband der Verbraucherzentralen in einem Test kürzlich feststellte. Das Ergebnis der Untersuchung ist ärgerlich, es gibt aber eine einfache Erklärung für das Auseinanderklaffen von Werbung und Wirklichkeit.

Scoring in Deutschland: Falsches Auto, falsches Geschlecht, falscher Wohnort - sofort können Kredite teuer werden oder man verbringt im Callcenter längere Zeit in der Warteschleife.

Falsches Auto, falsches Geschlecht, falscher Wohnort - sofort können Kredite teuer werden oder man verbringt im Callcenter längere Zeit in der Warteschleife.

(Foto: Foto: dpa)

Einer zahlt mehr, der andere weniger

Der Grund ist das sogenannte Scoring - ein automatisiertes Verfahren, mit dem die Banken die Kreditwürdigkeit der Kunden bewerten. Es ist mindestens so geheimnisvoll, wie sein Name klingt: Der Prozess ist nämlich völlig intransparent. Kein Außenstehender kann nachvollziehen, wieso der eine Kunde mehr zahlt und der andere weniger.

Der Gesetzgeber will sich des Problems nun annehmen. Der Entwurf, den das Bundesinnenministerium vorgelegt hat, greift aber leider viel zu kurz. Er setzt nur hier und da ein paar Hürden und schreibt neue Informationspflichten vor. Damit verkennt das Ministerium die Bedeutung, die Scoring in der Wirtschaft hat - und die Folgen für die Verbraucher.

Jeder ist vom Scoring betroffen

Der Begriff Scoring (zu deutsch: einstufen, Punkte machen) ist in Deutschland zwar weitgehend unbekannt, doch nahezu jeder ist davon betroffen. Wer einen Kredit aufnimmt, wer einen Handyvertrag abschließt, wer bei einem Versandhandel Waren bestellt, alle müssen damit rechnen, dass sie vor Vertragsabschluss "gescort" werden.

Die Bank oder der Versandhändler fragt bestimmte Daten ab, wie etwa den Beruf, die Adresse, das Geschlecht, den Familienstand oder die Herkunft. Mit einem computergesteuerten Verfahren wird dann prognostiziert, wie wahrscheinlich ein bestimmtes Verhalten des Kunden künftig ist. Wird er seine Raten oder die bestellten Waren wirklich korrekt bezahlen?

Selbst Zahnärzte scoren ihre Patienten

Scoring ist in den USA schon lange üblich, in Deutschland erst seit etwa zehn Jahren. Doch es hat sich rasant verbreitet. Selbst Zahnärzte fragen zum Teil bei Anbietern von Score-Werten nach, bevor sie entscheiden, ob der Patient Vorkasse zahlen muss. Und Kunden, deren Adresse in einer verrufenen Wohngegend liegt, müssen bei Call-Centern eventuell länger warten, bis sie durchgestellt werden.

Natürlich haben die Unternehmen ein berechtigtes Interesse an den Score-Werten. Schließlich muss eine Bank vor der Kreditvergabe abschätzen, ob sie ihr Geld wiedersieht. Gleiches gilt für andere Anbieter, die eine Leistung vorschießen und dann auf Bezahlung warten. Wenn sie das Risiko unkompliziert berechnen können, profitieren davon auch die Kunden.

Vorteile für beide Seiten

Diese sparen Zeit, weil sie ihren Vertrag schneller abschließen können. Sie sparen aber auch Geld, weil ein Versandhändler günstiger kalkulieren kann, wenn er weiß, dass seine Rechnungen pünktlich beglichen werden. Es hat daher für alle Vorteile, wenn Unternehmen die Verlässlichkeit der Kunden im Voraus prüfen. Die Frage ist nur: Welche Kriterien dürfen sie dafür heranziehen?

Hierzu sagt der Gesetzentwurf zu wenig. Er legt fest, dass nur solche Daten genutzt werden dürfen, die nach wissenschaftlich anerkannten statistischen Verfahren für die Berechnung der Wahrscheinlichkeit erheblich sind. Aber ist es in Ordnung, wenn ein Ausländer automatisch mehr für einen Kredit zahlen muss, nur weil womöglich viele Ausländer wenig verdienen?

Transparenz ist nötig

Oder wenn Homosexuelle andere Konditionen bekommen als Heterosexuelle, weil die Statistik das vielleicht nahelegt? Nein, es ist nicht in Ordnung. Scoring ist nur legitim, wenn es an ein Verhalten anknüpft, das der Einzelne beeinflussen kann. Unternehmen dürfen daher Porschefahrer anders bewerten als den Fahrer eines VW-Busses. Oder Ingenieure anders als Friseure. Oder Menschen mit Schäferhund anders als Menschen ohne. Es muss nur transparent sein, damit der Kunde gegebenenfalls reagieren kann, wenn er will.

Knüpft Scoring aber an Merkmale an, für die der Einzelne nichts kann, wie etwa die Herkunft oder das Geschlecht, dann ist es nichts anderes als Diskriminierung. Das hätte der Gesetzentwurf klarstellen sollen.

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