Süddeutsche Zeitung

Schwimmbecken:Cool

Der eigene Pool war schon immer viel mehr als ein Schwimmbecken. Er ist ein Statussymbol im Garten und ein beliebtes Motiv in Hollywood-Filmen. Manche schwimmen sogar darin.

Von Oliver Herwig

Die Schreckensmeldung des Sommers: "Planschbecken zu schwer für Balkon. Sechs Menschen stürzen vier Meter in die Tiefe." Kein Grund zur Schadenfreude. Es zieht uns einfach ins Wasser, wir suchen Erfrischung an den Hundstagen, wenn T-Shirts an schwitzenden Leibern kleben und jede Bewegung wirkt, als wolle man durch klebrigen Sirup schwimmen. Und wenn dann kein Pool glitzert und auch kein Freibad ums Eck liegt, darf es auch eine aufblasbare Sitzwanne sein.

Lange war der Pool das Sinnbild der Reichen und Schönen. Stars sonnten sich an seinem gefliesten Rand, gaben Interviews und posierten für Fotos. Mit Hollywood als Vorreiter trat das private Wasserbecken nach dem Zweiten Weltkrieg seinen Siegeszug um die Welt an und landete schließlich auch in der alten Bundesrepublik. Spätestens in den Sechzigerjahren erfasste eine wahre Pool-Sucht das Land. Der Mercedes und das eigene Haus hinter Thujenhecken und Koniferen reichten nicht mehr, es musste schon etwas Besonders her - der eigene Pool zum Beispiel. Und er blieb gefragt, auch wenn er regelmäßig gereinigt werden musste sowie gechlort - und Blätter immer dann ins Blau segelten, wenn die Abdeckung gerade nicht ausgefahren war.

Gelbrandkäfer und Wasserläufer schienen das kühle Nass ebenso zu lieben wie Kinder und Heranwachsende. Nur höchst selten sprangen dagegen Erwachsene hinein, und wenn, dann oft nur, um nach zwei, drei Bahnen wieder prustend auszusteigen.

Der Pool ist noch immer ein besonderer Ort, hier verwandelt sich ein öder Sonntagnachmittag in etwas Aufregendes, wenn Reflexionen von Wellen und Licht über den Boden der Wanne tanzen. Mit einem Schatten auf dem Idyll. Im Gegensatz zum Freibad, dem enthüllenden und gleichmachenden Vergnügen für alle, blieb der private Pool Statussymbol und verhülltes Eigentum. Exklusiv, manchmal auch recht einsam.

Früher stiegen die Bond-Girls aus dem Wasser. Heute muss der Geheimagent selbst ins Becken

Wasser und Sommer sind eine perfekte Verbindung. Die Kombination verspricht nicht nur Erfrischung, sondern pure Erotik. Das wussten schon die Griechen und Römer. Dichter ließen Venus den Fluten bei Zypern entsteigen - und Regisseure und Kameraleute perfektionierten den Auftritt der Himmelskörper. Bei "Baywatch" stürmten Halbgötter in Zeitlupe über den Strand. Und während sich Dustin Hoffman in der "Reifeprüfung" von 1967 betont gelangweilt im Pool treiben ließ, musste Daniel Craig gleich bei seinem ersten Bond-Auftritt 2006 ab ins Wasser und ordentlich Muskeln zeigen. Das war fast schon Emanzipation, nachdem Jahrzehnte lang Dutzende Bond-Girls in Badeanzügen oder Bikinis als Projektionsfläche für Männerträume gedient hatten.

Der Pool ist überhaupt eine großartige Projektionsfläche. Verglichen mit dem Meer vielleicht nur eine Zweitbesetzung, aber auch hier funktionieren die Mechanismen von Verführung und Begehren. 1969 schufen Regisseur Jacques Deray, Romy Schneider und Alain Delon eine stilbildende Szene. Die schöne Marianne steigt aus dem Wasser und legt sich zu, nein, auf ihren Geliebten Jean-Paul. Im wahren Leben waren Schneider und Delon schon längst kein Paar mehr, aber für eine kleine kinematografische Ewigkeit nimmt man den beiden alles ab. "La Piscine" (Originaltitel) lieferte das perfekte Spiegelbild einer Gesellschaft, die neue Freiheiten zuließ und ungezwungener mit der Sexualität umging. Das Türkis des Beckens diente nicht nur als perfekter Hintergrund für gebräunte und gestählte Körper, es verkörperte die Sehnsucht nach mehr, nach einem luxuriösen Leben.

Als Statussymbol wirkt er ungebrochen. Am Wasser abhängen. Abkühlen, abtauchen. Nicht jeder hat einen See vor der Haustür oder wenigstens einen Teich. Zur Not tut es ja auch ein Tümpel. Wer aber Freibäder und andere Gemeinschaftseinrichtungen scheut, dem bleibt eigentlich nur noch ein Eimer, ein aufblasbares Planschbecken oder wenigstens die Zinkwanne für die Füße.

Während die Dusche im Freien immer etwas genial Improvisiertes hatte, blieb die Krönung des bürgerlichen Bauens jahrzehntelang der Pool. Heute bekommt er zunehmend Konkurrenz, durch den ökologisch angelegten Teich zum Beispiel oder das Tauchbecken neben der Saunahütte. Selbst die kleinste Pfütze erinnert schließlich irgendwie an Urlaub und Weite, sobald man hineingestiegen ist und den ersten Kälteschock überwunden hat. Vielleicht liegt es daran, dass uns das Wasser umschließt, einverleibt und zu etwas anderem macht, zu Wasserratten, Planschfreunden und manchmal sogar zu Schwimmern, auch wenn die Länge der meisten Pools weder wettkampftauglich noch überhaupt dafür geeignet ist, einfach mal loszuschwimmen.

Wie viele Mini-Schwimmbäder gibt es eigentlich in der Republik? Einer Statistik von 2014 zufolge gibt es etwa eine Million Aufstellbecken, 325 000 Stahlwandbecken mit Folienauskleidung, weitere 174 000 Außenbecken und 126 000 Hallenbäder, also weit mehr als anderthalb Millionen Becken, die gepflegt, gereinigt und gewartet werden müssen, samt Umwälzpumpen, Zu- und Ableitungen, seltsamen Laubkeschern und Abdeckvorrichtungen. Eine kleine Palette von Sekundärwerkzeugen und Dienstleistern hat sich da um den Sehnsuchtsort Pool gelegt.

Billig, klein und unkompliziert: Die Plastik-Planschbecken demokratisieren die Abkühlung im Garten

Richtig ins Geld gehen aber Investitionen in das fest eingegrabene Schwimmbecken selbst, das womöglich Bodenplatte und Baugenehmigung erfordert, auch wenn Becken bis rund 50 Kubikmeter davon oft ausgenommen sind. Fachleute raten da zu einem Gespräch mit der Gemeinde oder dem Bauamt.

Wie sympathisch wirken da aufblasbare Planschbecken, gewissermaßen umgekehrte Schwimminseln, die mal für einige heiße Tage angeflogen kommen wie Zelte. Und wenn keiner hinschaut, steigen schon mal Mama und Papa ins (oft gar nicht mehr so) kühle Nass. Die Plastikplanschbecken sind die pragmatische, unprätentiöse Antwort auf die Sommerhitze. Sie demokratisieren die Abkühlung im Garten, als Statussymbol taugen sie eher nicht. In diesem Sommer waren die Planschbecken vielerorts ausverkauft. Weil sie meist aus China hergeschifft werden, wäre Nachschub erst im frühen Herbst da. Ansonsten sind Planschbecken aber eher unkompliziert. Eines sollte man aber auch hier nicht vergessen: Wasser geht ganz schön ins Gewicht. Wer das Planschbecken befüllt und einfach stehen lässt, kann den Rasen darunter schnell vergessen, wenn man das Plastikteil nicht regelmäßig durch den Garten bewegt.

Der Pool fasziniert Alt und Jung, wenn auch aus verschiedenen Gründen. Wer ihn nur mit Dekadenz betrachtet, sollte einmal diese Aufnahme von Terry O'Neill in die Hand nehmen: Faye Dunaway 1977 am Hotelpool. Die Schauspielerin hatte zuvor einen Oscar erhalten und hängt auf dem Foto gedankenverloren ab. Um sie herum Dutzende Zeitungen, aufgeschlagen, zu Boden gefallen. Auf dem Tisch Tablett, Tee und die goldene Trophäe. Und im Hintergrund ein türkiser Pool. Menschenleer. Und Dunaway? Sie wirkt melancholisch. Was soll jetzt noch kommen? Vielleicht ein Sprung in den Pool, um den Kopf wieder freizubekommen.

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Quelle:
SZ vom 20.07.2019
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