Schweizer Steuerbetrugsaffäre:Keine verbotenen Früchte, sondern Beweismittel

Die Schweizer Banken agieren wie eine zweite Schweizergarde und schützen Steuerflüchtlinge. Der deutsche Staat hat den Schaden.

Heribert Prantl

Die Steuerhinterziehung hat zwei Seiten. Die eine Seite ist die Schweiz, der es recht ist, wenn in Deutschland die Steuern hinterzogen werden, weil Schweizer Banken, in denen das Geld aus Deutschland versteckt wird, davon profitieren; dieser Profit der Schweizer Banken ist die Raison d'etre, die Staatsräson, der Schweiz.

Wolken im Engadin

Nebelschwaden im Engadin: Das schweizerische Lamento über einen eventuellen Ankauf von Daten über Steuerflüchtlinge ist heuchlerisch.

(Foto: Foto: dpa)

Die andere Seite der Steuerhinterziehung ist Deutschland, ein Land, zu dessen Staatsräson es gehört, dass ein jeder nach seinem Vermögen Steuern zahlen und so das Gemeinwesen finanzieren soll - die Straßen, die Schulen und auch die Gefängnisse.

Das funktioniert unter anderem deswegen nicht besonders gut, weil die Schweiz es den besonders vermögenden Deutschen besonders einfach macht, keine Steuern in Deutschland zu zahlen. Die Schweizer Banken sind die zweite Schweizergarde; sie sind die Schutzmacht nicht des Papstes, sondern der deutschen Steuerflüchtlinge.

Aus deutscher Sicht macht die Schweiz ihre Geschäfte mit Steuergeldern, die dem deutschen Staat gehören. Die Schweizer Banken sind Hehler des flüchtigen Geldes. Sie bunkern quasi Diebesgut, nutzen das Geld, mit dem in Deutschland Straßen, Schulen und Gefängnisse gebaut werden müssten.

In diesen Gefängnissen wiederum sollen, das ist die Grundidee der Gefängnisse, eigentlich diejenigen resozialisiert werden, die sich unsozial aufgeführt und die Gemeinschaft geschädigt haben. Dazu gehören die Steuerhinterzieher. Nun weiß man freilich, dass in den Gefängnissen zwar Ladendiebe, Handtaschenräuber, Betrüger und Bankräuber sitzen - aber kaum Steuerräuber, obwohl das Steuergeld, das sie dem Staat vorenthalten haben, das X-tausendfache der Vermögensschäden ausmacht, deretwegen Diebe und Betrüger eingesperrt sind.

Zu den Gründen, warum selbst Groß-Steuerbetrüger nicht bestraft und inhaftiert werden, gehört die Schweiz. Das Bankgeheimnis gilt dort als ein Grundwert wie die Menschenwürde. Der Bankkunde ist König, auch wenn er ein Krimineller ist. Der ungeschriebene Artikel 1 der schweizerischen Verfassung lautet: "Die Würde des Geldes ist unantastbar. Sie zu schützen ist das oberste Ziel aller staatlichen Gewalt." Also verweigern die schweizerischen Behörden Auskünfte über die Steuerflüchtlinge und sorgen so dafür, dass der deutsche Staat die Straftaten nicht ermitteln kann.

Es handelt sich um eine Art Strafvereitelung - und um ein bewusstes und ein gewolltes Zusammenwirken der schweizerischen Banken und des schweizerischen Staates mit deutschen Straftätern. Der Vorteil, also die Beute, wird geteilt.

Jeder der drei hat etwas davon; der deutsche Staat aber hat den Schaden. Kollusion, unerlaubtes Zusammenwirken also, ist das Geschäftsmodell der Schweiz. Angesichts dessen ist das schweizerische Lamento über einen eventuellen Ankauf von Daten über Steuerflüchtlinge ein wenig heuchlerisch.

Schon einmal fünf Millionen Euro für eine CD

Dieses Lamento lässt nämlich die eigene fragwürdige Rolle in der ganzen Geschichte außer Acht: Man figuriert selbst als Hehler des verschobenen Geldes, bezeichnet aber die Aufklärungsversuche dessen, der zu seinem Geld kommen will, als Hehlerei. Das ist nicht sehr ernst zu nehmen.

Ernster zu nehmen sind die Bedenken in Deutschland, wonach sich der Staat nicht in Geschäfte mit zwielichtigen Figuren einlassen darf: Der Staat soll nicht dealen; der Strafprozess ist kein Bazar, auf dem sich der Staat Beweismittel oder Geständnisse einkauft und dafür allerlei Vorteile gewährt; die Wahrheit darf nicht um jeden Preis erforscht werden.

Erstaunlich ist freilich, dass vor allem diejenigen Politiker, die sonst keine Bedenken gegen gekaufte Kronzeugen, gegen V-Leute und sonstige heikle Ermittlungsmethoden haben, vor dem Ankauf von gestohlenen Bankdaten warnen. Das weckt den Verdacht, dass die sonst probaten unfeinen Methoden dann nicht angewendet werden sollen, wenn es gegen die feinere Gesellschaft geht.

Es gibt kein Verwertungsverbot

Der deutsche Staat hat gestohlene Bankdaten schon einmal, vor zwei Jahren, angekauft. Damals hat er dem Ex-Angestellten einer Bank in Vaduz/Liechtenstein (dort werden die Schweizer Methoden praktiziert) fünf Millionen Euro für eine CD mit Informationen über deutsche Bankkunden gezahlt - Millionen, die sich dann durch Nach- und Strafzahlungen hundertfach amortisierten.

Damals wurde die Rechtslage eingehend geprüft: Es gibt kein Verwertungsverbot für solche Daten. Wenn aufgrund dieser Daten bei Hausdurchsuchungen Beweise gefunden oder die Steuerhinterzieher (wie damals Postchef Klaus Zumwinkel) Geständnisse ablegen, handelt es sich nicht um ungenießbare Früchte vom verbotenen Baum, sondern um verwertbare Beweismittel. So wird der Schweizer Markt für Steuerhinterziehung (und damit auch für den Diebstahl und Verkauf von einschlägigen Daten) ausgetrocknet.

Man kann das Geld, das der Staat für die Bankdaten bezahlt, als eine Belohnung betrachten. Belohnungen "für sachdienliche Hinweise", juristisch handelt es sich um eine "Auslobung", sind seit jeher ein anerkanntes Mittel der Aufklärung von Straftaten. Oft versuchen auch die Opfer, also die Bestohlenen, mit einer Belohnung ihr Hab und Gut wiederzuerhalten. Der Bestohlene bei der Steuerhinterziehung ist der Staat.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: