Schweden: Finanzminister Borg im Gespräch:Europas Streber vom Dienst

Den Schweden ist ein kleines Meisterwerk geglückt - der Haushalt erfüllt den Stabilitätspakt. Finanzminister Anders Borg über Regeln, Disziplin - und die Krux mit der Schuldenmacherei.

Gunnar Herrmann

Der schwedische Finanzminister Anders Borg hat in diesen Tagen gut lachen. Der EU-Kommission zufolge erfüllt sein Haushalt immer noch die Kriterien des Stabilitätspaktes. Dieses Kunststück gelingt sonst nur noch Estland.

Joaquin Almunia, Anders Borg

"Klare Regeln, klare Ziele und strenge Disziplin": Der schwedische Finanzminster Anders Borg hat schon lange vor der Krise Ordnung in die Finanzen seines Landes gebracht.

(Foto: ap)

SZ: Herr Minister, wie fühlt man sich als Klassenbester?

Anders Borg: Gerade haben wir aktuelle Zahlen im Parlament bekommen und darin wird der Bedarf an neuen Krediten noch einmal kräftig reduziert. Wenn die Schulden nicht wären, die andere Staaten bei uns haben - wir könnten noch in diesem Jahr einen Haushaltsüberschuss erzielen. Gleichzeitig sehen wir, dass andere Länder sich große Sorgen machen, weil sie auf diese naiven Lockrufe hereingefallen sind, denen zufolge man einer Wirtschaftskrise mit neuen Ausgaben auf allen Gebieten begegnen soll. Da fühlt man sich sicher, in einem Land, wo die Zinsen sinken, während es in Europa Turbulenzen gibt. So war das aber nicht immer. Wir hatten früher große finanzpolitische Probleme und haben schmerzhafte Lektionen gelernt. Wir wollen kein Land sein, das ein Spielball der Märkte ist. Und die einzige Möglichkeit, sich dagegen zu schützen, sind robuste Haushaltsstrukturen.

SZ: Was genau hat Schweden diesmal besser gemacht?

Borg: Wir haben schon lange vor der Krise begonnen, Ordnung in unsere Finanzen zu bringen - mit klaren Regeln, klaren Ziele und strenger Disziplin. Unsere Haushaltsordnung ist viel strikter als in den meisten anderen Ländern. Das Finanzministerium hat eine starke Stellung. Unsere Staatsausgaben haben in vielen Bereichen nicht mehr diesen steigenden Trend, den es in anderen Ländern gibt. Wir fordern von unserer Verwaltung, dass sie ständig effizienter wird. Darum hatten wir bei dieser Krise von Anfang an eine bessere Basis. In der vorigen Krise Anfang der 1990er Jahre sind selbst nach zwei großen Sparpaketen unsere Ausgaben immer noch gestiegen. Diesmal haben wir eine so strenge Haushaltsordnung, dass unsere Ausgaben automatisch sinken würden, falls wir einfach gar nichts täten. Natürlich kann man Reformen durchführen, dann steigen die Ausgaben ein wenig. Aber blieben wir passiv, dann würden die Ausgaben sinken.

SZ: Und für diese Politik gibt es einen parteiübergreifenden Konsens?

Borg: Naja, der ist ein wenig unter Druck. Die Sozialdemokraten haben zum Beispiel gefordert, dass wir die Autoindustrie subventionieren sollen und die Banken, und dass wir die Sozialleistungen erhöhen müssen. Nun sind die Sozialdemokraten in der Opposition. In früheren Jahren, als sie noch regierten, waren sie da verantwortungsvoller. Es gibt eine breite Unterstützung in der Bevölkerung für diese Politik. Umfragen zufolge meinen etwas mehr als 95 Prozent der Wähler, dass ein ausgeglichener Haushalt sehr wichtig ist.

SZ: Im September wählen die Schweden ein neues Parlament. Könnte nach der Wahl doch noch ein großes Sparpaket kommen?

Borg: Wir rechnen mit einem Haushaltsüberschuss in 2012 und einem Überschuss von knapp drei Prozent im Jahr 2014. Unserer Beurteilung nach gäbe es möglicherweise sogar Spielraum für Steuersenkungen oder Mehrausgaben, so die Konjunktur es zulässt. Doch sehe ich dafür keine Notwendigkeit, wenn unsere Wirtschaft weiter in gutem Zustand ist. Wir hatten 2007 fast vier Prozent Haushaltsüberschuss. Diese großen Überschüsse braucht man, damit man bei Bedarf die Möglichkeit zu aktiver Krisenpolitik hat. Und danach wieder zurück zu einem soliden Haushalt finden kann, ohne schmerzhafte Sparpakete.

"Der Euro ist gut für Europa"

SZ: Länder wie Deutschland erlassen in diesen Tagen solche Sparpakete. Kann man sagen, dass die anderen Europäer dem schwedischen Beispiel folgen?

Borg: Man kann sagen, sie folgen der Einsicht, dass es einfach nicht geht, dass manche Länder eine 90-prozentige Verschuldung haben. Das funktioniert nicht. So können wir nicht in die nächste Konjunkturflaute gehen. Was ich bemerkenswert finde: Seit dem Regierungswechsel in London sprechen Deutschland, Frankreich und Großbritannien wieder viel mehr mit einer Stimme. Zuvor war es ja so, dass zum Beispiel die Briten argumentiert haben, wir bräuchten große Haushaltsdefizite.

SZ: Aktuellen Umfragen zufolge stehen die Schweden dem Euro so ablehnend gegenüber wie nie zuvor. Liegen die Pläne für ein erneutes Referendum damit vorerst auf Eis?

Borg: Schweden will Teil einer Union sein, die von Stabilität geprägt ist. Was in Griechenland, Spanien und Portugal passierte, hat die öffentliche Meinung in Schweden stark beeinflusst. Doch ich meine, dass Europa nun in eine andere Richtung geht. Der Euro ist eine starke Währung. Deutschland und Frankreich haben deutlich gesagt, dass sie wieder ins Gleichgewicht kommen und Schulden abbauen wollen. Dann können wir auch die Unterstützung für eine schwedische Euro-Mitgliedschaft wieder aufbauen. Auf kurze Sicht wird es aber schwierig sein, die Schweden zu überzeugen.

SZ: Doch es könnte irgendwann gelingen?

Borg: Ich bin überzeugt davon, dass die Eurozone in zehn bis 15 Jahren aus einer sehr großen Anzahl von Ländern bestehen wird. Es ist viel wahrscheinlicher, dass wir 27 Euroländer haben werden, als dass Länder den Euro verlassen. Wir müssen da realistisch denken: Europa wird in 20 Jahren ein kleiner Teil der Weltwirtschaft sein. China und Asien wachsen. Wenn wir stark sein wollen, müssen wir das gemeinsam sein. Der Euro ist gut für Europa, aber wir brauchen mehr Haushaltsdisziplin und klare Regeln, wenn es um die öffentlichen Finanzen geht.

SZ: Sollte Brüssel mehr Einfluss auf die Finanzen der Mitgliedsstaaten bekommen, so wie es derzeit bei der Reform des Stabilitätspaktes diskutiert wird?

Borg: Die Kommission und auch der Internationale Währungsfonds können durchaus eine größere Rolle spielen in den Ländern, die schlecht gewirtschaftet haben. Bei Ländern wie Schweden, die einen ausgeglichenen Haushalt und Überschüsse haben, ist es meiner Meinung nach aber natürlicher, größere Spielräume zuzulassen. Wer auf sich acht gibt, sollte mehr Freiheiten haben, als der, der sich gehen lässt.

Konservativer mit Pferdeschwanz: Anders Borg, 42, ist seit dem Wahlsieg der bürgerlichen Koalition im Herbst 2006 der Herr über Schwedens Staatskasse. Der Mann, der mit Ohrring und Pferdeschwanz im Kreise seiner europäischen Kollegen immer recht locker wirkt, ist ein Konservativer und ein studierter Volkswirt. Vor seinem Amtsantritt arbeitete er unter anderem als Analyst bei verschiedenen Banken. Während der schwedischen Finanzkrise Anfang der 1990er Jahre beriet er den damaligen Ministerpräsidenten Carl Bildt. Borg gilt gemeinsam mit dem Regierungschef Fredrik Reinfeldt als einer der Architekten hinter der Wandlung der konservativen Partei, die sich in den vergangenen Jahren zur Mitte hin bewegt hat. Unter anderem schwächten die Moderaten unter Reinfeldts Führung frühere Forderungen nach radikalen Steuersenkungen stark ab.

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