Schwarzarbeit:Das Liechtenstein des kleinen Mannes

Ein Drittel der Deutschen hat im vergangenen Jahr Leistungen schwarz bezahlt. Die Regierung will das Massenphänomen Schwarzarbeit stärker bekämpfen - doch Mindestlöhne würden das Problem noch verschärfen.

Björn Finke

Es klingt ein wenig martialisch: Mit einem "Aktionsprogramm für Recht und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt" will die Bundesregierung die Schwarzarbeit eindämmen. Das Paket sieht vor allem schärfere Kontrollen vor; am Mittwoch soll das Kabinett darüber abstimmen, von kommendem Jahr an soll es gelten.

Schwarzarbeit: Beamte der Finanzkontrolle Schwarzarbeit kontrollieren Arbeiter auf einer Baustelle in Frankfurt am Main. Ein Drittel der Deutschen hat im vergangenen Jahr Leistungen schwarz bezahlt.

Beamte der Finanzkontrolle Schwarzarbeit kontrollieren Arbeiter auf einer Baustelle in Frankfurt am Main. Ein Drittel der Deutschen hat im vergangenen Jahr Leistungen schwarz bezahlt.

(Foto: Foto: ddp)

Doch was die Politik auf der einen Seite bekämpft, droht sie mit einem anderen Vorhaben gleichzeitig zu befördern. "Die Einführung von flächendeckenden Mindestlöhnen würde das Ausmaß der Schwarzarbeit um bis zu sieben Milliarden Euro jährlich vergrößern", sagt Friedrich Schneider, Volkswirtschafts-Professor aus Linz und Schattenwirtschafts-Experte.

Für die Süddeutsche Zeitung hat der Wissenschaftler simuliert, wie sich unterschiedlich hohe Mindestlöhne auswirken würden: Müssten Beschäftigte mit wenigstens fünf Euro pro Stunde bezahlt werden, nähme die Schattenwirtschaft um 1,5 Milliarden Euro zu.

20 Milliarden Euro entgehen dem Staat

Das Plus von sieben Milliarden Euro ergibt sich bei einer Lohn-Untergrenze von acht Euro. Bislang gelten für 1,8 Millionen Beschäftigte Mindestlöhne, weitere Branchen mit 1,6 Millionen Arbeitnehmern haben bei der Regierung Interesse angemeldet. Die Grenzen liegen zwischen knapp sechs und mehr als zwölf Euro. Die Gewerkschaften setzen sich für eine flächendeckende Untergrenze von 7,50 Euro ein.

Schneider schätzt für das vergangene Jahr das Ausmaß der Schwarzarbeit auf 349 Milliarden Euro, ein Siebtel der offiziellen Wirtschaftsleistung des Landes. In diese Summe fließt der Wert der Arbeitsstunden sowie des - meist legal erworbenen - Materials ein. Dem Staat entgingen dadurch jährlich 15 bis 20 Milliarden Euro Steuern und Abgaben, sagt der Forscher.

Im laufenden Jahr wird der Simulation zufolge die Schwarzarbeit abnehmen: ohne Mindestlöhne um 5,7 bis 9,7 Milliarden Euro, mit Untergrenzen wäre der Rückgang entsprechend kleiner. Die erfreuliche Entwicklung hat mehrere Ursachen. So machen die gute Konjunktur und die vielen neuen Jobs legale Arbeit attraktiver.

Die hohe Abgabenbelastung sorgt für Schattenwirtschaft

Dass die Bürger seit 2006 Kosten für Renovierungsarbeiten und Kinderbetreuung von der Steuer absetzen können, verringere die Schattenwirtschaft ebenfalls deutlich, erklärt Schneider. Günstig wirke sich außerdem die Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung aus, schlecht hingegen die Anhebung der Sätze bei der Pflegeversicherung.

Besser Bares

In der hohen Abgabenbelastung sehen die meisten Ökonomen den Hauptgrund für Schwarzarbeit - Jobs ohne Steuerkarte und Rechnung sind das Liechtenstein des kleinen Mannes.

Auch Mindestlöhne verteuern die Tätigkeit einiger Beschäftigter und schaffen damit Anreize, mehr Dienstleistungen illegal nachzufragen. Steigt das Gehalt der Friseurin, legen die Preise beim Friseur ebenso zu; da wird sich mancher Kunde lieber schwarz am Wochenende die Haare richten lassen. Bei einer Umfrage von TNS-Emnid gab fast ein Drittel der Teilnehmer an, in den vergangenen zwölf Monaten Leistungen schwarz bezahlt zu haben.

Für seine Studien beobachtet Schneider den Bargeldumlauf. In der Schattenwirtschaft wird bar gezahlt - geht der Bestand an Banknoten über das hinaus, was man eigentlich bei der Größe einer Volkswirtschaft erwarten würde, weist dies auf illegale Geschäfte hin. Ein konkurrierender Ansatz besteht darin, mit Umfragen zu ermitteln, wie viele Bürger schwarz arbeiten, und daraus die illegale Wirtschaftsleistung auszurechnen.

Schwarzarbeit ist ein Massenphänomen

Wissenschaftler, die mit dieser Methode arbeiten, kommen auf deutlich niedrigere Werte. In einer Studie vom März setzt der Heidelberger Ökonom Lars Feld den Umfang der Schwarzarbeit bei einem Viertel von Schneiders Betrag an. Allerdings räumt Feld ein, dass dies nur eine Untergrenze ist: Zum einen können Befragte gelogen haben, zum anderen werden weder Firmen noch illegale Einwanderer erfasst. Der Großteil des Unterschieds zwischen den Resultaten erkläre sich dadurch, dass seine Zahlen illegale Aktivitäten von Unternehmen berücksichtigten, sagt Schneider.

Könnte der Staat Schattenwirtschaft komplett unterdrücken, würde lediglich ein Drittel der Tätigkeiten in die legale Wirtschaft wandern, schätzt der Professor. Beim Rest seien die ehrlichen Angebote den Verbrauchern zu teuer - die Services würden also gar nicht nachgefragt, oder die Bürger würden notgedrungen selbst Hand anlegen.

Der Forscher ist jedoch skeptisch, ob schärfere Kontrollen, wie sie die Regierung plant, viel bringen. "Das ist schließlich ein Massenphänomen", sagt Schneider. Bei 40 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland gebe es zwischen acht und zwölf Millionen Menschen, die nebenher auch schwarz arbeiteten. Auf diese Gruppe entfielen zwei Drittel der Schattenwirtschaft. Rentner, Arbeitslose und illegale Einwanderer teilten sich das übrige Drittel.

Außerdem sehen weite Teile der Bevölkerung das Übel als Kavaliersdelikt an: Bei der Emnid-Umfrage stimmte hier ein Viertel der Teilnehmer zu. Nicht einmal vier Prozent würden Täter anzeigen. "Wenn Zöllner auf der Großbaustelle drei Illegale abführen, bringt das schöne Bilder fürs Fernsehen, dämmt aber nicht die Alltags-Schwarzarbeit ein", meint Schneider. Letztlich wirke vor allem eine Medizin: die Abgaben zu senken.

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