Süddeutsche Zeitung

Schuldfrage nach HRE-Milliardenpanne:Prüfer auf dem Prüfstand

Zu viel Macht, zu viel Staatsnähe und eine unrühmliche Rolle in der Finanzkrise: Auch Wirtschaftsprüfungs-Konzerne wie PricewaterhouseCoopers geraten durch den Milliarden-Rechenfehler bei der Bad Bank der Hypo Real Estate ins Rampenlicht - zu einem Zeitpunkt, zu dem die EU ohnehin ihr Geschäftsmodell in Frage stellt.

Jannis Brühl

Mathe: Setzen, Sechs! 55,5 Milliarden Euro sollten eigentlich nicht zu übersehen sein. Trotzdem fiel der Rechenfehler in der Bilanz der FMS Wertmanagement, der Bad Bank des Katastrophen-Instituts Hypo Real Estate (HRE), lange Zeit niemandem auf. Irgendjemand kann hier nicht rechnen. Nur wer?

Alle mehr oder weniger Beteiligten reichen sich nun gegenseitig die Verantwortung weiter wie eine heiße Kartoffel: SPD und Linke beschuldigen Wolfgang Schäubles Bundesfinanzministerium, nicht nur schuld an dem Fehler gewesen zu sein, sondern auch noch das Parlament darüber getäuscht zu haben. Schäubles CDU wiederum sieht keine Fehler beim Minister, hat dafür aber einen anderen Schuldigen ausgemacht: die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die direkten Einblick in die Bilanz der Bad Bank hatte, PriceWaterhouseCoopers.

"Auf diese Bilanz hat ja nicht nur einer geschaut. Auch die Rolle der Wirtschaftsprüfer muss aufgeklärt werden", sagte Unionsfraktionsvize Michael Meister (CDU) der Rheinischen Post. Auch Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, der größten deutschen Aktionärsvereinigung findet, die Wirtschaftsprüfer machen im Fall HRE keine gute Figur. Zwar seien Wirtschaftsprüfer auf die Zahlen angewiesen, die sie von Unternehmen bekommen, aber: "Es sollte schon auffallen, wenn ein großer Betrag in den Bilanzen plötzlich von links nach rechts wandert."

Nach der Debatte über die Rolle der Ratingagenturen in der Schuldenkrise wirft der Fall HRE ein Schlaglicht auf die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Sie kontrollieren in der Jahresabschlussprüfung, ob die Unternehmen, die sie engagieren, korrekt buchgeführt haben. Dazu sind börsennotierte Unternehmen verpflichtet - Investoren und Aktionäre können so einen verlässlichen Eindruck von den Zahlen der Firma erhalten, Banken von ihrer Kreditwürdigkeit. Auch in Hollywood vertraut man PricewaterhouseCoopers seit Jahrzehnten: Das Unternehmen organisiert die Stimmabgabe der Jury, die den Oscar verleiht. Seriosität ist alles in diesem Geschäft, dennoch wird die Rolle der Wirtschaftsprüfer aus mehreren Gründen kritisiert:

[] Viel Macht für wenige Firmen Einst waren es die Big Eight, jetzt sind es die Big Four: Weil es seit den achtziger Jahren zu einer Reihe von Fusionen unter den großen Wirtschaftsprüfern gekommen ist, dominieren nur noch vier Wirtschaftsprüfer den Weltmarkt: PwC, KPMG, Ernst & Young und Deloitte.. Die Big Four nehmen zum Beispiel 99 von 100 Unternehmen des wichtigsten britischen Aktienindex FTSE100 unter die Lupe. Unter diesen nehmen PwC und KPMG nochmals eine herausragende Stellung ein: Sie sind für die Bilanzen von 26 der 30 Dax-Unternehmen verantwortlich. Der EU ist das zu viel Macht in zu wenigen Händen: Binnenmarktkommissar Michel Barnier will ihre Macht brechen und ihnen unter anderem untersagen, neben der Bilanzprüfung auch Unternehmensberatung anzubieten. Ein Vorwurf lautet, dass die Unternehmen die wenig gewinnträchtigen Bilanzprüfungen nur dazu benutzen, um an lukrativere Berateraufträge zu kommen. Die Firmen wehren sich mit einem ähnlichen Argument gegen Vorwürfe der Interessenkonflikte wie die Kredit- Ratingagenturen: Man halte die Geschäftsbereiche sauber getrennt voneinander - durch "Chinesische Mauern".

Kleinere Prüfer wie Rödl & Partner äußerten sich erfreut, dass nun das Oligopol der großen Firmen gebrochen werden könnte. Allerdings spielen Konservative und Liberale im EU-Parlament nicht mit - sie liegen eher auf Linie der großen Vier und sehen deren Geschäftsmodell in Gefahr. Der Europa-Abgeordnete Klaus-Heiner Lehne (CDU) sagte der Financial Times Deutschland: "Die Kommission kann vorschlagen, was sie will, aber wir sind der Gesetzgeber."

[] Rolle in der Finanzkrise Als 2008 die giftigen Kredite in den Bilanzen vieler Banken hochgingen und die Finanzkrise auslösten, richtete sich der Blick nicht nur auf die Ratingagenturen, welche die riskanten Papiere mit Top-Bewertungen für unbedenklich erklärt hatten. Auch die Wirtschaftsprüfer kamen in die Kritik. Sie hatten das Knowhow und tiefe Einsicht in die Bilanzen der Banken. Warum hatte eine ganze Branche, für die seriöse Bilanzanalyse alles ist, das Unglück nicht kommen sehen? So hatte KPMG ebenjene HRE, um deren Bad Bank es derzeit geht, noch im Sommer 2008 als solide bewertet, als die Immobilienkrise sich schon zu einer veritablen Bankenkrise ausgewachsen hatte. KPMG schrieb dennoch in einem Zwischenbericht, die HRE werde "selbst bei einem Worst-Case-Szenario" keine Geldprobleme bekommen, wie die Wirtschaftswoche berichtete. Nachdem die Kritik immer lauter wurde, trennten sich die deutschen Banken, die MIlliarden versenkt hatten, von ihren Wirtschaftsprüfern. Doch es passierte, was in einem Quasi-Duopol passiert: ein "bizarres Hütchenspiel" (Wirtschaftswoche). Die beiden großen Prüfer tauschten lediglich ihre Mandanten untereinander aus. KPMG prüfte nun die Kreditanstalt für Wiederaufbau - die wegen einer Milliardenüberweisung mitten in der Krise an die bereits bankrotte US-Investmentbank Lehman zu "Deutschlands dümmster Bank" erklärt wurde. Vorher war sie von PwC kontrolliert worden, die sich nun wiederum um die ehemaligen Mandanten von KPMG kümmerte - darunter auch die HRE.

[] Nähe zum Staat Im Zuge der Finanzkrise kam besonders PwC in Verruf: Der Staat vergab über den sogenannten Wirtschaftsfonds Deutschland Milliarden an Krediten, um Unternehmen in Schieflage zu stützen. In einigen Fällen prüfte PwC, ob die Firmen dazu berechtigt waren - obwohl die Prüfer bereits von den Unternehmen für die regelmäßige Bilanzprüfung bezahlt wurde. PwCs Konkurrenz sah darin Interessenkonflikte: Waren die Prüfer bei den Bürgschaftsanträgen ihrer eigenen Kunden gnädiger? Hinzu kam, dass der Bund das Verfahren ohne Ausschreibung vergab. PwC-Vorstand Wolfgang Wagner konterte damals im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung, nur sein Unternehmen habe genug Erfahrungen für die Umsetzung von Bürgschaftsprogrammen: "Dieses professionelle Niveau hat in Deutschland und europaweit sonst keiner."

Ähnlich selbstbewusst gibt sich PricewaterhouseCoopers auch im Fall des Milliarden-Rechenfehlers bei der FMS Wertmanagement: Man habe keinen Fehler gemacht - schließlich habe man gar nicht die ganze Bilanz der FMS geprüft. Wesentliche Teile der Rechnungslegung seien an einen "externen Dienstleister" ausgelagert worden. Dieser bereite auch die Erstellung der Abschlüsse vor. Dieser Dienstleister soll die Deutsche Pfandbriefbank sein.

Damit wäre der Kreis geschlossen, und die heiße Kartoffel wieder da angekommen, wo sie ursprünglich herkommt: Denn die Deutsche Pfandbriefbank hieß früher HRE - jene Bank, die so viele Schrottpapiere anhäufte, dass die in die Bad Bank FMS ausgelagert werden mussten.

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