Schuldenschnitt für Griechenland:Was Privatanleger wissen müssen

Papandreous Referendums-Ankündigung verwirrt alle. Plötzlich scheint der Schuldenschnitt für Griechenland, der 100 Milliarden Euro bringen sollte, wieder diskutabel zu sein. Dabei sind rund um dieses Thema ohnehin noch etliche Fragen offen - für die Banken, aber auch für den normalen Kleinanleger.

Johannes Aumüller und Hans von der Hagen

Zwei imponierende Zahlen begleiten seit einer Woche die Debatte um den griechischen Schuldenschnitt. 50 Prozent ihrer Staatsanleihen sollen Privatinvestoren abschreiben, 100 Milliarden Euro sollen so insgesamt zusammenkommen. Das firmiert seitdem als großes Paket der Banken, das Merkel, Sarkozy & Co. mit einer strikten Haltung durchgesetzt hätten - ist so aber gar nicht richtig, weil ja nicht nur Banken, sondern auch Hedgefonds, Pensionskassen und normale Kleinanleger griechische Staatsanleihen halten.

Doch nun scheint alles wieder offen. Nachdem der griechische Premier Giorgos Papandreou ein Referendum über die Brüsseler Beschlüsse angekündigt hat, fühlen sich die Banken offenbar nicht mehr an die Verabredungen gebunden. "Wir sollten keine vollendeten Tatsachen schaffen, bevor das Referendum durch ist", sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken, Michael Kemmer, am Mittwoch in Berlin. Konkret könne er sich nicht vorstellen, dass vor der Volksabstimmung über das Rettungspaket ein Anleihentausch vollzogen werden könne.

Was bedeutet Papandreous Ankündigung für den anvisierten Zeitplan?

Ursprünglich hatten die Bankenvertreter vor, in den Wochen nach dem Brüsseler Gipfel die Details für den Anleihenumtausch zu erarbeiten. Zum Tausch selbst sollte es danach erst im Januar 2012 kommen. Weil erstens das Referendum spätestens im Januar abgehalten werden soll und weil zweitens Kemmer zugleich erklärte, die Vorarbeiten für den Schuldenschnitt jetzt zu machen, hat sich für den Zeitplan nicht so viel geändert. Zu kürzeren Verzögerungen könnte es aber kommen.

Wie kommt die Summe von 100 Milliarden Euro zustande?

Der insgesamt mit schätzungsweise 340 Milliarden Euro verschuldete griechische Staat hat bei vielen verschiedenen Anlegern Schulden. Bei griechischen Banken gut 50 Milliarden Euro, bei europäischen Banken zirka 45 Milliarden Euro, bei der griechischen Zentralbank etwa zehn Milliarden Euro und bei "anderen Investoren" ungefähr 100 Milliarden Euro - ein Großteil der letztgenannten Summe entfällt auf Versicherungen, Pensionsfonds oder Hedgefonds. Das ergibt zusammen rund 200 Milliarden Euro, bei einem Schuldenschnitt von 50 Prozent würde der Anteil des Privatsektors am griechischen Rettungspaket rechnerisch also 100 Milliarden Euro betragen.

Allerdings ist nicht zwingend gesagt, dass am Ende auch eine Beteiligung von 100 Milliarden Euro herauskommt. Erstens ist die Teilnahme an dem Schuldenschnitt freiwillig: Jeder Investor kann selbst entscheiden, ob er die noch zu erarbeitenden Bedingungen gutheißt. Zweitens trotzte die Banken-Lobby der Politik einen kleinen Bonus ab: So soll jetzt der Euro-Rettungsschirm die Beteiligung des Privatsektors mit rund 30 Milliarden Euro stützen, das heißt also, das Risiko der Banken verringert sich.

Die Europäische Zentralbank hält große Bestände an griechischen Staatsanleihen, schätzungsweise 50 Milliarden Euro. Nimmt sie an dem Schuldenschnitt teil?

Nein, an dem Schuldenschnitt soll sich lediglich der Privatsektor beteiligen. Dazu gehört die Europäische Zentralbank nicht.

Werden Privatanleger an dem Schuldenschnitt von Griechenland beteiligt?

In der offiziellen Abschlusserklärung ist von privaten Investoren aller Art die Rede. Es ist demnach gut möglich, dass nicht nur Banken und Versicherer zur Teilnahme am Schuldenschnitt aufgefordert werden, sondern auch private Anleger.

Ist eine Teilnahme am Schuldenschnitt ratsam?

Die konkrete Ausgestaltung des Schuldenschnitts braucht zwar noch einige Zeit, allerdings ist für private Anleger eine Einschränkung denkbar: Es kann sein, dass die Teilnahme an dem Schuldenschnitt erst ab einem bestimmten Mindestbetrag möglich ist.

Wie würden Kunden davon erfahren?

Sofern die Anleihen bei einer Bank im Depot liegen, werden die Kunden entsprechend von den Instituten informiert.

Wie könnte die Umtauschaktion konkret ausfallen?

Es ist möglich, dass sich Anleger zwischen mehreren Umtauschvarianten entscheiden können. So war es jedenfalls vorgesehen, als im Sommer die Pläne für einen 21-prozentigen Schuldenschnitt ausgetüfelt wurden, die allerdings dann nie zum Tragen kamen. Damals gab es vier Modelle:

Option eins sah vor, dass die Investoren sofort ihre alten Anleihen gegen neue Papiere mit einer Laufzeit von 30 Jahren und einer jährlichen Verzinsung von 4,5 Prozent umtauschen können. Option zwei unterschied sich von Option eins nur darin, dass dieser Umtausch erst nach der Fälligkeit der alten Anleihe abgewickelt werden würde. Option drei bedeutete, eine Anleihe in ein neues Papier mit einem Nennwert von nur 80 Prozent, aber dafür mit einem Zinssatz von knapp 6,5 Prozent und einer Laufzeit von 30 Jahren umzutauschen. Und Option vier wiederum ermöglichte es, eine Anleihe mit einem Nennwert von nur 80 Prozent, aber dafür mit einem Zinssatz von knapp sechs Prozent und einer Laufzeit von 15 Jahren zu bekommen.

So hätte jeder private Investor das Modell wählen können, das ihm am besten passt. Allerdings erwarten Experten, dass es nun nicht ganz so viele Möglichkeiten geben wird.

Wäre eine Teilnahme an dem Schuldenschnitt ratsam?

Das hängt von den Bedingungen ab. Da die Teilnahme freiwillig ist, könnten die Kunden die Anleihen einfach behalten und darauf hoffen, dass sie am Ende der Laufzeit tatsächlich auch noch den vorgesehenen Nominalbetrag zurückbekommen. Denkbar ist aber auch, dass es später noch zu einem weiteren Schuldenschnitt kommt, bei dem die Konditionen noch ungünstiger ausfallen. Der Kollege Patrick Bernau von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hält eine Griechenland-Anleihe und schildert seine Überlegungen und Bedenken zum möglichen Umtausch der Papiere.

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