Schuldenkrise:EU nimmt Spanien an die Kandare

Es ist ein Debakel: Das EU-Defizitverfahren sollte im Ausnahmefall Schuldensünder treffen, doch nun läuft das Strafverfahren gegen 25 der 27 EU-Staaten. Besonders nervös schauen die Finanzmärkte auf Spanien, das die EU-Kommission noch stärker zum Sparen zwingen will.

Spanien soll von 2011 an noch mehr sparen, als die Regierung bisher beschlossen hat. Das teilte die EU-Kommission am Dienstag in Straßburg mit. Die Behörde eröffnete zudem gegen drei weitere Länder ein Verfahren wegen zu hoher Neuverschuldung. Damit verstoßen 25 der 27 EU-Staaten gegen die Haushaltsvorgaben des europäischen Stabilitätspakts. Alle Länder müssten ihre Reformen energischer vorantreiben, sagte Wirtschaftskommissar Olli Rehn.

Ratingagentur S&P senkt auch Bewertung für Spanien

Eine spanische Ein-Euro-Münze im Griff der Kneifzange: Einerseits wünscht sich die EU immer schärfere Sparanstrengungen, andererseits soll die Regierung von José Luis Rodríguez Zapatero auch das Wachstum ankurbeln - was schwer zu vereinbaren ist.

(Foto: dpa)

Spanien soll vom kommenden Jahr an jährlich Sparmaßnahmen in Höhe von 1,75 Prozent seiner Wirtschaftskraft erbringen, 0,25 Prozentpunkte mehr als bisher zugesagt. Insgesamt wären das ungefähr 20 Milliarden Euro. Die Kommission will im Herbst detailliert über die Maßnahmen informiert werden.

Für die Madrider Regierung dürfte es schwer werden, bis dahin ein weiteres Paket zu verabschieden. Wirtschaftsministerin Elena Salgado hatte vergangene Woche zugesagt, die Sparmaßnahmen würden jährlich "angepasst", zusätzliche Schritte zunächst jedoch ausgeschlossen.

Neue Schulden immer teurer zu finanzieren

Außer Sparen soll die Regierung von José Luis Rodríguez Zapatero auch das Wachstum ankurbeln - was schwer zu vereinbaren ist. Am Mittwoch will sie zu diesem Zweck Arbeitsmarktreformen beschließen, die den Kündigungsschutz kappen. Dagegen haben die Gewerkschaften einen Generalstreik angekündigt, der am 29. September stattfinden soll - vor den Haushaltsberatungen, über die die Minderheitsregierung stürzen könnte.

Zusätzlich unter Druck gerät Madrid, weil neue Schulden immer teurer zu finanzieren sind. Der Regierung gelang es am Dienstag zwar, sich am Kapitalmarkt fünf Milliarden Euro zu leihen. Für die ein Jahr laufenden Papiere musste sie aber 2,3 Prozent Zinsen bieten, im Mai waren es 1,6 Prozent. Am Donnerstag will Madrid weitere 3,5 Milliarden Euro aufnehmen.

Die Bundesregierung bemühte sich derweil darum, die Probleme in Spanien herunterzuspielen und Gerüchte über ein bevorstehendes EU-Rettungsprogramm für das Land zu zerstreuen. "Wir gehen davon aus, dass Zapatero die Dinge in den Griff bekommen wird. Es gibt keinen 'Fall Spanien'", hieß es in Berliner Regierungskreisen.

Beratungen über gemeinsame Wirtschaftsregierung

Trotz der Beruhigungsversuche stiegen am Dienstag auch die Finanzierungskosten Griechenlands stark an, nachdem am Abend zuvor die Ratingagentur Moody's Anleihen des Landes als "Ramsch" eingestuft hatte. Athen muss nun so viel Zinsen zahlen wie sonst nur marode Schwellenländer. Rehn nannte den Zeitpunkt der Herabstufung "erstaunlich und unglücklich". Die Entscheidung berücksichtige nicht die aktuelle Entwicklung des Landes. Banken begannen, die Athener Papiere aus ihren Börsenbarometern zu streichen

Auch Dänemark, Zypern und Finnland haben deutlich mehr Kredite aufgenommen als erlaubt. Gegen sie soll ein Defizitverfahren eröffnet werden. Zwei Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise sind Schweden und Estland die einzigen EU-Länder, die nicht zu hoch verschuldet sind. Beide gehören nicht der Währungsunion an.

Rehn forderte die Regierungen auf, die Wirtschaftspolitik "wirkungsvoller" zu koordinieren. Angesichts der dramatischen Überschuldung sei dies unumgänglich. So dürften nicht alle Länder gleichzeitig mit dem Sparen beginnen. Am Donnerstag wollen die Staats- und Regierungschefs über eine gemeinsame Wirtschaftsregierung beraten.

Nach Angaben aus Berliner Regierungskreisen soll es für jedes Land eine "Schwachstellenanalyse" geben, die aufzeigt, was ein höheres Wachstum verhindert. Das deutsche Sparpaket wurde von der EU-Kommission gebilligt.

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