Süddeutsche Zeitung

Schuldenkrise in Europa:Banken müssen um frisches Geld bangen

Wie kommen die Banken an ihr Geld? Ein führendes Mitglied der Europäischen Zentralbank glaubt: zumindest langfristig nur noch sehr schwierig. Die Angst vor einer Kreditklemme erhöht sich - EZB-Mann Nowotny fordert deswegen, im Umgang mit strauchelnden Instituten umzusteuern.

Die Banken erinnern sich noch mit Grausen an die Situation vor drei Jahren. Als die große Finanzkrise ausbrach, hatten die Finanzinstitute vor allem ein Problem: Wie sollten sie nur an frisches Kapital kommen? Denn das Misstrauen der Geldhäuser untereinander war so groß geworden, dass der sogenannte Interbankenhandel völlig austrocknete.

Jetzt befürchten Experten eine ähnliche Situation. Schon bei der IWF-Tagung in Washington hatten Top-Banker die Furcht vor einer Kreditklemme angesprochen. Nun zeigte sich auch ein Experte der Europäischen Zentralbank (EZB) besorgt um Europas Banken: Zwar hätten die Institute keinen Mangel an kurzfristigem Geld, sagte EZB-Mitglied Ewald Nowotny auf einer Konferenz in Wien. "Es ist ein Problem, dass längerfristige Liquidität für die Banken am Markt sehr schwer zu bekommen ist. Das ist eine Herausforderung, die wir diskutieren müssen, auch in der Politik."

Die Europäische Zentralbank kauft seit Mai 2010 Anleihen hochverschuldeter Euro-Staaten auf, um damit die Marktzinsen für diese Papiere künstlich zu senken. Allerdings stellten diese Anleihenkäufe keine zusätzliche Liquidität zur Verfügung und seien zudem begrenzt - auch zeitlich, bekräftigte Nowotny.

Die Rettung angeschlagener Banken soll nach Ansicht Nowotnys künftig nicht mehr allein die Angelegenheit von deren Heimatländern sein. Vielmehr müssten die Überwachung des Bankensystems und die Rettung strauchelnder Institute als gemeinsame Aufgabe verstanden werden.

Daher sollten auch die Lasten für die Rettung von Banken auf europäischer Ebene und nicht nur von den nationalen Steuerzahlern getragen werden. "Für die Zukunft ist es notwendig, dass wir einen europäischeren Ansatz verfolgen", sagte Nowotny.

Auch Standard & Poor's warnt

Auch die Ratingagentur Standard & Poor's hatte erst kürzlich vor Kreditengpässen in Europa gewarnt. Wesentlicher Grund sei die schärfere Regulierung von Banken und Versicherern. Die strikteren Eigenkapitalvorschriften für Banken (Basel III) und die härteren Vorgaben für Versicherer (Solvency II) werden schrittweise von 2013 an eingeführt.

Nach den Berechnungen von S&P dürften sich die Kreditkosten für Firmen in Europa um jährlich 30 bis 50 Milliarden Euro erhöhen, sobald die neuen Regeln voll gelten. Das entspreche jeweils einem Anstieg um zehn bis zwanzig Prozent.

Dabei unterstellt die Agentur, dass die Banken auf die härteren Vorgaben mit einer Anhebung der Kreditzinsen reagieren, um ihr eigenes Renditeniveau von acht bis 15 Prozent nicht in Gefahr zu bringen. Engpässe könnten zudem dadurch entstehen, dass einige Geldhäuser zum Abbau von Risiken gezwungen sind, betonten die S&P-Experten.

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